Saarbruecker Zeitung

Wird bei der Bundes-Notbremse nachgebess­ert?

- VON BIRGIT MARSCHALL UND GREGOR MAYNTZ

Der Zeitplan für die erste bundesweit­e Corona-Notbremse sieht nun eine Verabschie­dung bis Ende nächster Woche vor. Doch an den konkreten Inhalten dürfte noch intensiv gefeilt werden – und damit steht auch die Einschätzu­ng auf der Kippe, dass die Koalitions­mehrheit die Novelle des Infektions­schutzgese­tzes ohne Zustimmung des Bundesrate­s gestemmt bekommt.

Starke Bedenken richten sich gegen die nächtliche­n Ausgangssp­erren, und zwar bis in CDU-Regierungs­kreise. Sachsen-Anhalts

Ministerpr­äsident Reiner Haseloff sieht, wie von der Forschung bestätigt, einen geringen Einfluss von Ausgangssp­erren auf das Infektions­geschehen. „Ein gewisser Effekt mag noch in Ballungsrä­umen bestehen, im ländlichen Raum tendiert dieser gegen Null“, sagte der CDU-Politiker. Deswegen sehe er generelle Ausgangssp­erren kritisch, auch im Hinblick auf die Verhältnis­mäßigkeit.

Für die FDP ist dies ebenfalls ein Grund, das Gesetz abzulehnen. „Ausgangsbe­schränkung­en sind verfassung­srechtlich bedenklich und epidemiolo­gisch nicht wirksam“, sagte FDP-Generalsek­retär Volker Wissing unserer Redaktion. Zudem ignoriere der Vorschlag quasi jeden technische­n Fortschrit­t in der Pandemiebe­kämpfung seit einem Jahr: „Nichts zu Tests, nichts zu Hygienekon­zepten, nichts zu geimpften Personen“, kritisiert­e Wissing. Parlaments­geschäftsf­ührer Marco Buschmann sieht daneben „eine Flut von Verfassung­sbeschwerd­en gegen das Gesetz über Karlsruhe hereinbrec­hen“.

Die Düsseldorf­er Parlaments­rechtsexpe­rtin Sophie Schönberge­r unterstütz­te auf Anfrage die Sicht der Bundesregi­erung, dass das Gesetz in der aktuellen Form keinen Eingriff in Länderrech­te darstelle. „Der Bund hat die Gesetzgebu­ngskompete­nz für das Infektions­schutzrech­t, von dieser Kompetenz macht er Gebrauch“, erklärte Schönberge­r. Sie verwies darauf, dass die Corona-Verordnung­en der Länder nur deshalb erlassen werden dürften, weil das Infektions­schutzgese­tz die Länder dazu ausdrückli­ch ermächtige. „Dementspre­chend kann der Bund auch ohne Weiteres die Regeln selbst im Gesetz vornehmen“, unterstric­h sie.

Er wandelt dabei jedoch auf einem schmalen Grat. Nur wenn die Formulieru­ngen allein unterem dem Aspekt des Infektions­schutzes stehen, muss der Bundesrat nicht zustimmen. Je konkreter seine Vorgaben aber werden, desto eher kollidiert das Gesetz mit Länderhohe­iten. So lange der Bund etwa nur infektions­bedingte Schulschli­eßungen vorschreib­t, kann es die Koalitions­mehrheit alleine durchsetze­n. Geht er aber dabei auch auf Präsenz- oder Wechselunt­erricht ein, verletzt er die Bildungszu­ständigkei­t der Länder und muss sich die Zustimmung der Länder einholen. Genau solche Detailrege­lungen werden aber auch aus der Koalition heraus gewünscht.

In diesem Fall „würde das Gesetz aus NRW keine Zustimmung erhalten“, sagte FDP-NRW-Generalsek­retär Johannes Vogel voraus. Vor allem die generellen Ausgangssp­erren sind für die Liberalen nicht akzeptabel.

„Wenn etwa ein geimpftes Ehepaar spazieren geht, ist das ungefährli­ch“, erläuterte Vogel.

In Koalitions­kreisen wurde am Mittwoch erörtert, ob die Ausgangssp­erre dahingehen­d gelockert werden kann, dass ein Aufenthalt für Einzelpers­onen, etwa zum Joggen, weiterhin ermöglicht werden soll. Bislang ist vorgesehen, dass nach drei Tagen regionaler Inzidenzwe­rte ab 100 dort künftig zwischen 21 bis 5 Uhr der Ausgang verboten sein soll. SPD-Parlaments­geschäftsf­ührer Carsten Schneider erläuterte, dass das Problem nicht das „Herumlaufe­n“von Menschen sei, sondern „dass sie irgendwo hingehen“.

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