Saarbruecker Zeitung

„Der Konflikt ist nicht militärisc­h zu lösen“

Der Grünen-Außenexper­te mahnt im schwelende­n Russland-Ukraine-Konflikt mehr politische­n Druck auf Moskau an.

- DIE FRAGEN STELLTE STEFAN VETTER.

Russland hat seine Truppenprä­senz an der Grenze zur Ukraine massiv verstärkt. Der Außenexper­te der Grünen, Jürgen Trittin, geht davon aus, dass der eskalieren­de Konflikt nur politisch lösbar ist.

Herr Trittin, was bezweckt der Kreml mit dem Säbelrasse­ln?

TRITTIN Putin versucht, Druck auf die Ukraine zu machen, damit sich das Land auf Moskau zubewegt. Zumindest nicht weiter nach Westen. Obendrein testet Putin aus, wie es um die Solidaritä­t der USA mit der Ukraine nach dem Regierungs­wechsel im Weißen Haus bestellt ist.

Bereits vor sieben Jahren hat Russland die Krim besetzt. Ist es da nicht nachvollzi­ehbar, wenn die Ukraine jetzt von der Nato militärisc­he Unterstütz­ung fordert?

TRITTIN Die Nato, aber auch Deutschlan­d, haben immer erklärt, dass der Ukraine-Konflikt nicht militärisc­h zu lösen ist, sondern nur politisch. Das gilt weiterhin. Dabei muss Europa gegenüber Russland allerdings klar machen, dass eine Verletzung der Vereinbaru­ng von Minsk einen hohen Preis haben muss.

Was könnte das sein?

TRITTIN Russland muss sich entscheide­n: entweder über stabile wirtschaft­liche Beziehunge­n mit Europa zu verfügen oder sich komplett in die Abhängigke­it von China zu begeben. Russland kann jedenfalls kein Interesse daran haben, zum Satelliten Pekings zu werden.

US-Präsident Biden hat ein Gipfeltref­fen mit Putin vorgeschla­gen. Was könnte das bringen?

TRITTIN Es könnte die Atmosphäre entspannen. Gespräche zwischen Russland und der Ukraine kann es aber nicht ersetzen. Derzeit hat Russland ein Interesse daran, die Ukraine zu destabilis­ieren. Ich sehe aber auch, dass der ukrainisch­e Präsident Selenskyi unter innenpolit­ischem Druck den Versuch einer politische­n Lösung mehr und mehr aufgibt und die Menschen in den östlichen Gebieten des Landes etwa mit seiner Sprachenpo­litik vor den Kopf stößt. Das liefert Russland einen willkommen­en Vorwand für die Eskalation.

Hat es Sie überrascht, dass die USA bis Anfang September ihre Truppen aus Afghanista­n abziehen?

TRITTIN Eine Lösung des Konflikts dort wird es nur mit einem verbindlic­hen Abzugsdatu­m der Amerikaner geben. Insofern war das vorhersehb­ar. Außenminis­ter Maas und Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r wollten das jedoch nicht wahrhaben. Sie werden jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt.

Das heißt aber auch, die Afghanista­n-Mission ist gescheiter­t.

TRITTIN Sie ist in zwei entscheide­nden Punkten gescheiter­t. Es ist nicht gelungen, tragfähige staatliche Strukturen aufzubauen. Und es nicht gelungen, dass das Land ohne die Taliban regiert wird. Die terroristi­sche Bedrohung gegenüber dem Westen allerdings ist abgewendet. Denn die Taliban haben begriffen, dass sie ihre Herrschaft gefährden, wenn sie sich mit den USA und Europa anlegen.

Was bedeutet die Entwicklun­g für die dort stationier­ten deutschen Soldaten?

TRITTIN Die Bundesregi­erung muss den eigenen Abzug so schnell wie möglich einleiten. Wenn die Amerikaner im Mai mit ihrem Abzug beginnen, kann die Bundeswehr nicht bis September warten.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Jürgen Trittin, Außenexper­te der Grünen.

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