Saarbruecker Zeitung

Coinbase wagt den Sprung aufs Parkett

Die größte US-Börse für Digitalwäh­rungen geht nun selbst an die Börse. Doch langfristi­g birgt das Geschäftsm­odell des Unternehme­ns Risiken.

- VON HANNES BREUSTEDT

(dpa) Der Zeitpunkt könnte kaum günstiger sein: Inmitten der aktuellen Bitcoin-Rekordjagd geht mit Coinbase ein Schwergewi­cht der Krypto-Branche an die Börse. Jetzt kann die größte US-Handelspla­ttform für digitale Währungen selbst als Aktie gekauft werden. Die Finanzmärk­te fieberten seit Wochen auf das Debüt hin. Für die boomende, aber lange als abenteuerl­iche Randersche­inung der Finanzwelt abgetane Nische der Cyberdevis­en ist es ein Meilenstei­n auf dem Weg in den Wall-Street-Mainstream.

Die Premiere an der New Yorker Tech-Börse Nasdaq dürfte gewaltige Dimensione­n erreichen: Analysten trauten Coinbase vorab eine Bewertung von mehr als 100 Milliarden Dollar zu. Damit wäre der Krypto-Handelspla­tz mehr wert als jeder traditione­lle Börsenbetr­eiber weltweit. Zum Vergleich: Die Nasdaq, an der Coinbase seine Aktien listen lässt, hat derzeit einen Börsenwert von 26 Milliarden Dollar. Die Nasdaq setzte am Dienstag einen Referenzpr­eis von 250 Dollar für die Coinbase-Aktien an.

„Die Krypto-Ökonomie beginnt gerade erst“, versprach Coinbase-Mitgründer und Vorstandsc­hef Brian Armstrong Anlegern vor dem Börsengang. Tatsächlic­h befindet sich sein Unternehme­n auf der größten Erfolgswel­le seit der Gründung im Jahr 2012. Allein im ersten Quartal dürfte der Nettogewin­n zwischen 730 Millionen und 800 Millionen Dollar gelegen haben, wie Coinbase kürzlich mitteilte. Das wäre mehr als doppelt so viel wie im gesamten vergangene­n Jahr.

Beim Umsatz rechnet Coinbase für die drei Monate bis Ende März mit 1,8 Milliarden Dollar, auch dieser Wert würde das Gesamterge­bnis von 1,3 Milliarden aus dem Vorjahr deutlich übertreffe­n. Die Nutzerzahl­en stiegen während der jüngsten Krypto-Rally kräftig und lagen zuletzt bei 56 Millionen. Mit dem Quartalsbe­richt gelang es Coinbase, vor dem Börsengang ein beeindruck­endes Ausrufezei­chen zu setzen. Aber wie steht es um die langfristi­gen Erfolgsaus­sichten?

Coinbase-Chef Armstrong macht keinen Hehl daraus, dass der aktuelle Höhenflug keine zuverlässi­gen Aussagen über die Zukunft zulässt. Die Profitabil­ität des Unternehme­ns steht und fällt mit den Kursen und Handelsvol­umen von Krypto-Währungen wie Bitcoin, da es in erster Linie an Gebühren verdient. So gesehen gebe es eine „immanente Unberechen­barkeit“, wie Coinbase selbst einräumt. In der Vergangenh­eit war das Geschäft extremen Schwankung­en unterworfe­n.

Während des Krypto-Crashes im Jahr 2018 etwa, als der Bitcoin-Preis um über 70 Prozent abstürzte und der anderer Cyber-Währungen wie Ethereum noch stärker, brach auch das Geschäft von Coinbase ein. Auch das Folgejahr 2019, als die meisten Krypto-Anlagen vor sich hindümpelt­en, war für Coinbase wenig lukrativ und wurde mit einem Minus von 30,4 Millionen Dollar abgeschlos­sen. 2020 setzte dann die große Rally ein, und die Transaktio­nserlöse stiegen um 137 Prozent.

Armstrong ist sich der Risiken bewusst: „Wir könnten Geld verlieren“, warnt er Investoren. Ziel des Unternehme­ns sei es derzeit, in etwa an der Gewinnschw­elle zu operieren. Coinbase habe sich jedoch immer schon langfristi­g orientiert. Experten sehen jedoch nicht nur die heftigen Schwankung­en bei Krypto-Kursen und Handelsvol­umen mit Bedenken. Anleger müssen sich auch über regulatori­sche Risiken im Klaren sein. Jesse Powell, der Chef des Coinbase-Rivalen Kraken, warnte kürzlich vor einem „Durchgreif­en“von Regierunge­n gegen digitale Währungen. Überrasche­nd käme dies in der Tat nicht – Bitcoins geraten immer wieder durch illegale Verwendung­en in die Kritik und gelten nicht nur in den USA schon lange als aufsichtsr­echtliche Baustelle.

Coinbase hat allerdings noch andere Probleme, die im aktuellen Hype leicht untergehen. So steht das Unternehme­n, das als seine Mission „ein offenes Finanzsyst­em für die Welt zu schaffen“beschreibt und als seine Vision „mehr wirtschaft­liche Freiheit für jede Person und Firma“, immer wieder wegen seines Kundenserv­ices in der Kritik. In Foren auf der Diskussion­splattform Reddit etwa klagten etliche Kunden, dass ihre Accounts ohne erklärten Grund eingefrore­n worden seien. Zudem gibt es Berichte über gekaperte Nutzerkont­en.

„Die Krypto-Ökonomie beginnt gerade erst.“

Brian Armstrong

Coinbase-Mitgründer und Vorstandsc­hef

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FOTO: DREW/AP Das Logo der Coinbase-App auf einem Handy. Das Schwergewi­cht der Krypto-Branche wird seit Mittwoch an der Tech-Börse Nesdaq gehandelt.

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