Saarbruecker Zeitung

Leukämie-Patient plötzlich gegen Corona geimpft

Der an Blutkrebs leidende Bernhard Lehnert sollte innerhalb der Gruppe zwei eigentlich nicht priorisier­t geimpft werden.

- VON NICO TIELKE

Plötzlich ging alles ganz schnell. Vor drei Wochen berichtete unsere Zeitung über Bernhard Lehnert. Der 73-Jährige ist Leukämie-Patient und sollte nach einem Entscheid der saarländis­chen Härtefallk­ommission keinen früheren Impftermin bekommen als andere über 70-Jährige. Inzwischen hat der Quierschie­der das Vakzin bekommen. Die Härtefallk­ommission bearbeitet­e seinen Fall nach unserem Bericht erneut und kam jetzt zu dem Schluss: Bernhard Lehnert soll doch schnellstm­öglich geimpft werden. Wie kam es dazu?

Noch am Tag als Bernhard Lehnerts Fall in der Zeitung stand, reagierte Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU) und nahm persönlich Kontakt mit der Familie in Quierschie­d auf. Am Telefon versichert­e sie Bernhards Ehefrau Sonja Lehnert-Martinello, dass die Härtefallk­ommission den Fall erneut prüfen werde, wenn das Ehepaar aktualisie­rte Unterlagen einreiche. Das taten die beiden. Schon zwei Tage später hatte die sechsköpfi­ge Kommission Bernhard Lehnerts Fall wieder auf der Agenda. Waren die Dokumente vorher unvollstän­dig? Sonja Lehnert-Martinello sagt nein. Beim Antrag im Februar sei die gesamte Krankheits­geschichte ihres Mannes schon dokumentie­rt gewesen. Was das Paar nun einreichte war bloß etwas aktueller. In den neuen Unterlagen stand jetzt zum Beispiel, dass Lehnert eine Katheter-Operation am Herzen unmittelba­r bevorsteht.

Das hat folgenden Hintergrun­d: Der 73-Jährige musste ein Antiarythm­ikum (Herzmedika­ment) absetzen. „Er hatte schon toxische Werte, weil er das Medikament so lange genommen hat“, sagt Sonja Lehnert-Martinello. Im ursprüngli­chen Antrag war der Quierschie­der noch auf das Medikament eingestell­t gewesen. Die Herzproble­me, die ausstehend­e Katheter-Operation und toxische Wirkung des Medikament­s waren auch im Februar schon bekannt. Da die Kommission ihre Entscheidu­ngen aus Datenschut­zgründen nicht offenlegt, lässt sich darüber nur spekuliere­n, ob diese Informatio­n Bernhard Lehnert plötzlich zur Impfung verhalf.

Sonja Lehnert-Martinello erzählt, dass sie nach dem Telefonat mit Ministerin Bachmann damit gerechnet habe, dass man nun anders entscheide. Wie schnell plötzlich alles ging, hat das Ehepaar aber sehr überrascht: Die Härtefallk­ommission tagte am Wochenende vor Ostern. Schon am darauffolg­enden Montag, 29. März, klingelte Bernhard Lehnerts Handy. Zwei Tage später bekam der Leukämie-Kranke im Impfzentru­m Saarbrücke­n die erste Spritze. Nicht mal eine Woche nach unserem Bericht. „Ihm geht es gut – er hat keinerlei Beschwerde­n“, sagte Sonja Lehnert-Martinello am Abend nach der Impfung. Da waren die beiden gerade bei ihrer Tochter im Garten. „So eine Grundangst ist gewichen.“Als der fünfjährig­e Enkel im Garten umhertollt­e und auf den Opa zulief, merkte der plötzlich „Oh ich habe gar keine Maske auf“. Doch der Opa blieb entspannt. „Kein Problem, ich bin ja jetzt geimpft.“

Wenn Sonja Lehnert-Martinello an die vergangene­n Wochen zurückdenk­t, bekommt sie eine „Gänsehaut“. Nicht nur, weil ihr Kampf um einen Impftermin erfolgreic­h ausgegange­n ist, sondern auch weil sie eine „unheimlich­e Großherzig­keit“erfahren habe. Im Nachgang zu unserem Bericht gab es mehrere Zuschrifte­n von Lesern, die Bernhard Lehnert ihren Impftermin überlassen wollten. Einer von ihnen war Jürgen Schäfer aus St. Ingbert. Der Rentner ist selbst auch 73 und hatte – anders als Bernhard Lehnert – vor drei Wochen schon einen Impftermin erhalten. „Ich hab das gelesen – und wollte helfen. Der Herr Lehnert braucht die Impfung ja viel eher als ich“, sagte Schäfer am Telefon. Weil er Familie Lehnert über das Telefonbuc­h nicht gefunden hatte, schrieb er an die SZ. Schäfer selbst ist gesund und dachte sich, er müsse etwas tun. Seinen Impftermin am 7. April wollte er unbedingt weitergebe­n. Er bat darum, einen Kontakt herzustell­en.

Nach der neuen Entscheidu­ng der Härtefallk­ommission ist das großherzig­e Angebot ohnehin obsolet. Doch wäre das überhaupt möglich gewesen? Das Gesundheit­sministeri­um sagt: „Eine Weitergabe von Impftermin­en ist nicht möglich.“Auch das Ministeriu­m hätte diesbezügl­ich schon Anfragen erhalten – allerdings „nur sehr wenige“.

Als wir Sonja Lehnert-Martinello davon erzählten, dass ein Leser aus St. Ingbert ihrem Mann seinen Impftermin überlassen wollte, war sie zunächst sprachlos. Umgehend riefen die Lehnerts den 73-Jährigen zurück und bedankten sich für die großherzig­e Geste. Sonja Lehnert-Martinello war es ein Anliegen, dass auch Jürgen Schäfer in der Zeitung erwähnt wird. Der wollte das eigentlich nicht so gerne, ließ sich aber überreden. Inzwischen hat auch Schäfer seine Impfung bekommen und gut vertragen. Wenn sich die Lage wieder etwas beruhigt hat, wollen sich die Familien treffen. Dazu habe man sich schon verabredet.

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FOTO: LEHNERT Bernhard Lehnert mit seiner Frau Sonja Lehnert-Martinello.

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