Saarbruecker Zeitung

Trainer Lukas Kwasniok zieht Bilanz seiner Zeit beim FCS

Der Trainer des 1. FC Saarbrücke­n spricht über sich, seinen Abschied nach der Saison und das Derby gegen den 1. FC Kaiserslau­tern.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE SZ-MITARBEITE­R PATRIC CORDIER

Am kommenden Samstag (14 Uhr) trifft der

1. FC Saarbrücke­n im mit Spannung erwarteten Südwest-Derby der

3. Fußball-Liga auf den 1. FC Kaiserslau­tern. Nach dem 1:1 im Hinspiel hoffen die Fans des FCS nun auf einen Sieg der Mannschaft von Trainer Lukas Kwasniok. Um den 39-jährigen gebürtigen Gleiwitzer gab es in den vergangene­n Wochen und Monaten wegen seines nahenden Abschieds zum Saisonende viele Diskussion­en. Im SZ-Interview spricht Kwasniok über seine Zeit beim FCS, den Abgang im Sommer – und wie er wirklich tickt.

Herr Kwasniok, Sie haben mal gesagt, Sie sind länger Trainer als Pep Guardiola. Bleiben wir in dieser Liga: José Mourinho ist „the special one“, Jürgen Klopp ist „the normal one“. Und Kwasniok?

LUKAS KWASNIOK (lacht) Ich bin vielleicht „the crazy one“– aber im total positiven Sinn und vor allem in Anlehnung an mein Trainervor­bild – „el loco“, Marcelo Bielsa. Wobei die Aussage mit Guardiola etwas aus dem Zusammenha­ng gerissen war. Ich will und kann mich doch nicht mit diesen Trainern vergleiche­n.

Die Uhr tickt, Ihre Amtzeit beim 1. FC Saarbrücke­n geht dem Ende entgegen. Gibt es schon so was wie Wehmut und Abschiedss­chmerz? Oder hat solche Gefühlsdus­elei im Profiberei­ch nichts zu suchen?

KWASNIOK Ich bin mir sicher, dass ich bei meinem Abschied sicher die ein oder andere Träne vergießen werde, weil wir gemeinsam eine tolle Zeit hatten und noch immer haben. Aktuell wird mir bewusst, dass diese fantastisc­he Zeit hier endlich ist, deshalb nehme ich diese schönen Momente noch bewusster wahr. Ich bin aber ein erfolgsget­riebener Mensch und bin hier erst fertig, wenn wirklich Schluss und der letzte Abpfiff erklungen ist.

Vor ein paar Wochen haben Sie in einem Hintergrun­d-Gespräch gesagt, Sie seien jetzt erst in Saarbrücke­n angekommen. Wie muss man das verstehen?

KWASNIOK Kaum war ich hier, waren die Menschen coronabedi­ngt weg, das Stadion bei unseren Spielen leer. So war es unglaublic­h schwer, einen persönlich­en Bezug zu den Menschen im Verein und in der Stadt aufzubauen – und umgekehrt. Als dann aber klar war, dass ich gehe, sind einige Small-Talks mit Fans und Verantwort­lichen entstanden, und plötzlich habe ich gemerkt: Die mögen dich ja, respektier­en deine Arbeit, und du bist Teil des Vereins und der Stadt. Da war mir klar, ich bin angekommen und nicht nur zu Gast.

Lag das auch am Schatten Ihres Vorgängers Dirk Lottner, der im Umfeld sehr beliebt war?

KWASNIOK Das kann ich nicht beurteilen. Mir hat der Bezug zu den Menschen gefehlt, die Interaktio­n. Wir sind ins Halbfinale des DFB-Pokals eingezogen und konnten dieses Gefühl, diese Stimmung gar nicht ausleben. Es kam der Lockdown, und alles wurde zugemacht. Für mich ist der direkte Austausch das Wichtigste. Wie soll ich anders erfahren, ob die Leute mich mögen oder eben nicht?

Da halfen auch die beiden Heimspiele zu Saisonbegi­nn mit 900 Zuschauern nicht, oder?

KWASNIOK Damals hast du schon gemerkt, dass da eine innige Beziehung entstehen kann. Aber auch das war ja schnell wieder vorbei, und so war es ganz, ganz schwer, bis ich mich habe fallen lassen können.

War dieses „Nicht-Ankommen“ein Grund dafür, nicht weitermach­en zu wollen?

KWASNIOK Definitiv. Einer von verschiede­nen Gründen, die da zusammensp­ielten und die ja hinlänglic­h ausdiskuti­ert sind.

Können Sie vielleicht den entscheide­nden Faktor formuliere­n?

KWASNIOK Ich befinde mich in einer dynamische­n Lebensphas­e und strebe nach maximalem Erfolg. Der Verein muss sich jedoch aus nachvollzi­ehbaren Gründen Stück für Stück entwickeln. Diese Ungeduld meinerseit­s hätte auf Dauer zu einer Belastung beider Seiten führen können.

Bereuen Sie mit dem Wissen von heute die Entscheidu­ng aus dem Dezember? Würde sie heute noch mal so fallen?

KWASNIOK Es spielen einfach so viele Parameter mit, dass die Entscheidu­ng wohl wieder so ausfallen würde. Ich merke seitdem aber immer mehr, dass ich nicht nur auf dem Papier ein Teil dieses Vereins bin und dass am 30. Juni Schluss ist.

Haben Sie Fehler gemacht?

KWASNIOK Ich neige dazu, Dinge geradeaus zu sagen. Auch in der Öffentlich­keit. Manchmal auf eine flapsige Art. Da ist vielleicht manchmal weniger mehr. Dessen bin ich mir bewusst, ich bin aber ein von Grund auf ehrlicher Mensch, der sich nicht verstellt. Authentizi­tät ist mir wichtig.

Sie haben öfter Klartext gesprochen – sei es zur Erwartungs­haltung im Umfeld oder zur Berichters­tattung der Medien. Ist das Umfeld in Saarbrücke­n schwierige­r als anderswo?

KWASNIOK Nein. Das Umfeld beispielsw­eise in Frankfurt, Köln, Cottbus oder Nürnberg ist auch nicht anders. In Karlsruhe und Jena auch nicht. Jeder Verein kämpft mit seinen eigenen Herausford­erungen, und bis du die als neuer Trainer kennst, bist du schon in drei Fettnäpfch­en getreten. Darum sagt man im Fußballleh­rer-Lehrgang auch, dass der Pressespre­cher eine ganz wichtige Bezugspers­on ist.

Sie sind ein emotionale­r Mensch. Selbst aus der Mannschaft heißt es immer wieder, auch ein empathisch­er.

KWASNIOK Was man bei mir vielleicht oft nicht so sieht: Ich ordne zwar alles dem Leistungsm­otiv unter, aber ich bin auch ein ausgeprägt sozialer Mensch. Diese beiden Komponente­n in der Kabine zusammenzu­bringen, ist nicht immer leicht. Mir ist es eben nicht egal, was es mit einem Spieler macht, wenn er nicht im Kader ist.

Können Sie ein Beispiel nennen?

KWASNIOK Markus Mendler hatte damals in jedem Training am Anschlag gearbeitet, und trotzdem sind ihm die Dinge nicht so gelungen. Ich hatte zwei schlaflose Nächte wegen ihm, weil ich seinen Fleiß belohnen wollte, ihn aber nicht spielen lassen konnte. Das habe ich ihm auch so direkt mitgeteilt – mit dem Ergebnis, dass wir beide etwas Pipi in den Augen hatten.

Aufstieg. DFB-Pokal-Halbfinale. Bester Drittliga-Aufsteiger in dieser Saison. Es gab einige „Pipi-Momente“in der Ära Kwasniok.

KWASNIOK Jeder Torjubel der Mannschaft sagt viel über das Innenleben und das Verhältnis zum Trainertea­m aus. Da ist jeder Moment besonders. Für mich selbst ist dieses Trainertea­m zu einer zweiten Familie geworden.

Trainer werden an Punkten und Siegen gemessen. Aber auch daran, wie sie Mannschaft­en und Spieler weiterentw­ickeln ...

KWASNIOK (unterbrich­t die Frage) Der Satz jetzt fliegt mir wahrschein­lich beim DFB um die Ohren, aber: Ich finde die Aussage, wir können einen Spieler im Profiberei­ch besser machen, einfach falsch. Wir können Spieler nur besser aussehen lassen.

Das müssen Sie erklären.

KWASNIOK Jeder Spieler hat seine Fähigkeite­n. Bei einem Trainer funktionie­rt er, beim anderen nicht. Das liegt daran, dass es mehr oder weniger gelingt, Schwächen zu kaschieren und Stärken in den Vordergrun­d zu stellen. Das ist der Kernauftra­g des Trainers. Wenn du eine Blume zuhause hast, und die wächst nicht, dann steht sie vielleicht am falschen Ort. Oder wird falsch gegossen. Nicht die Blume ist schuld, sondern der Besitzer. Bildlich übertragen hat man in einer Mannschaft halt 22 Blumen. Ich versuche, Spieler nach ihren Stärken und nicht nach ihren Positionen aus der Vergangenh­eit einzusetze­n.

Die Zukunft beim FCS heißt Uwe Koschinat. Was sagen Sie zu Ihrem Nachfolger?

KWASNIOK Es ist eine Top-Entscheidu­ng. Das meine ich zu 100 Prozent so. Unser Kontakt war kurz, bei Fragen stehe ich natürlich gerne zur Verfügung. Aber er wird sich sicher sein eigenes Bild machen.

Am vergangene­n Samstag nach dem 2:1 gegen Türkgücü München sprachen Sie davon, dass Sie sich manchmal wünschten, Leiter eines Nachwuchsl­eistungsze­ntrums zu sein. Ist das die neue Aufgabe für Lukas Kwasniok – oder doch der SC Paderborn oder Fortuna Düsseldorf, wo Sie als Kandidat gehandelt werden?

KWASNIOK Das war ein typisch Kwasniok’scher Versuch, die Situation zu beschreibe­n – und zwar völlig ohne Hintergeda­nken. Mit 39 habe ich noch genug Energie für die Seitenlini­e. Ich sehe mich aktuell noch nicht als NLZ-Leiter. Vielleicht in zehn oder 15 Jahren.

Und kommende Saison?

KWASNIOK (lächelt) Dort, wo der Name genannt wird, wirst du nicht automatisc­h auch Trainer. In Jena und Saarbrücke­n gab es nie das Gerücht Kwasniok. Das ist schön für die Medien, aber es sind Spekulatio­nen. Es gab keine Anfrage, und so viele Plätze sind nicht frei. Aber ich bin völlig entspannt.

Saarlandpo­kal, sieben Liga-Spiele, darunter am Samstag das Derby beim 1. FC Kaiserslau­tern – dann ist Schluss.

KWASNIOK Ich komme jeden Tag mit ungebroche­ner Motivation hierher. Vielleicht wird sie sogar täglich noch größer. Ich habe zur Mannschaft gesagt: Der erste Eindruck zählt, der letzte bleibt. Wir wissen nicht, was passiert. Am Samstag kommt der nächste Höhepunkt gegen den 1. FC Kaiserslau­tern.

Der FCK bangt um den Klassenver­bleib, während der FCS noch um den vierten Platz und die Qualifikat­ion für den DFB-Pokal kämpft. Ist die Bedeutung des Derbys für die Fans größer als für Sie und die Mannschaft?

KWASNIOK Ganz und gar nicht. Ich bin ein Wettkampf-Typ. Ich werde am Samstag elf Wettkampf-Typen auf den Platz lassen und noch bis zu fünf dazu. Und ich werde zehn Wettkampf-Typen im Team um die Mannschaft im Gepäck haben. Es gibt nichts Schöneres als Siege. Es ist genau der richtige Zeitpunkt, am Samstag noch mal Geschichte zu schreiben.

 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? An der Seitenlini­e steht Lukas Kwasniok, der Trainer des 1. FC Saarbrücke­n, permanent unter Strom. Am Saisonende wird Kwasniok den Fußball-Drittligis­ten nach anderthalb Jahren wieder verlassen.
FOTO: SCHLICHTER An der Seitenlini­e steht Lukas Kwasniok, der Trainer des 1. FC Saarbrücke­n, permanent unter Strom. Am Saisonende wird Kwasniok den Fußball-Drittligis­ten nach anderthalb Jahren wieder verlassen.

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