Liebe rostet nicht – auch nicht die zum Kino
Das Kino der Kindheit und Jugend ist ein magischer Ort und bleibt unvergesslich. Der Filmemacher Thomas Scherer arbeitet jetzt an einer besonderen Liebeserklärung an die saarländischen Kinos.
Das erste Kino, das Kino der Kindheit und der Jugend – man vergisst es nie. Große Leinwand und geliebte Rituale: der klingende Gong vor Vorstellungsbeginn, der zurückfahrende Vorhang, der Eiskonfekt im Mund, die großen Augen, wenn das Vorprogramm beginnt, mit Werbung für kommende Kino-Attraktionen und dem klassischen Satz „Demnächst hier – in diesem Theaaaater!“.
An einer besonderen Liebeserklärung an die Kinos von einst werkelt jetzt der Homburger Filmemacher Thomas Scherer: Sein Projekt „Heimat Kino“wird nostalgisch zurückführen in eine Zeit, als man gerne noch weihevoll von „Filmtheatern“sprach. Der halbstündige Film soll Fiktion und Dokumentation miteinander verbinden, Spielszenen mit Zeitzeugen-Interviews, historische Bilder mit erklärenden Texten. „Es geht um das Kino als Erlebnisort, als Ort des sozialen Miteinanders“, sagt Scherer, „Kino war ja immer schon mehr als eine bloße Leinwand. Es ist ein Treffpunkt, wo man schöne Stunden erlebt – gemeinsam.“
Auch um Schwierigkeiten soll es gehen, um die einstige Bedrohung durch das Fernsehen und den Videorekorder etwa. Auch um die Konkurrenz von Kinos auf dem Land durch Multiplexe in der Stadt. Die aktuelle, schwierige Lage der wegen Corona gerade geschlossenen Kinos bleibt aber bewusst so gut wie außen vor, sagt Scherer: „Vielleicht tut es ja gerade im Augenblick gut, den Fokus auf das Kino zu lenken, ohne dabei in einem Atemzug stets Corona zu nennen.“
Thematisches Zentrum und Haupt-Drehort sind die „Lichtspiele Wadern“– eine Perle der saarländischen Filmtheater-Landschaft und ein besonderes Symbol der Kinoliebe: Denn ein Verein – die Filmfreunde Wadern, die Scherers Film mitproduzieren (Unterstützung gab es auch von der Initiative „Miteinander Reden“der Bundeszentrale für politische Bildung) – haben das Kino, das nach langer Historie zuletzt als „Starlight-Kino“firmierte und 2011 schloss, 2012 wiedererweckt und betreiben es seitdem mit einem ausgewählten Programm. Filmemacher
Scherer kennt dieses Kino bestens, drehte er hier doch das bleihaltige Finale seiner Saarland-Comedy-Serie „Unter Tannen“, die mit einigem Erfolg beim SR gelaufen ist.
In den „Lichtspielen“haben Scherer und sein Team die meiste Zeit der sieben Drehtage im März verbracht, Interviews mit den Waderner Filmfreunden geführt und Spielszenen der Handlung gedreht: Die erzählt von einem „Kino-Enthusiasten namens Klaus“, wie Scherer erklärt, „der einen ganz bestimmten Film sucht, den partout nicht findet, aber auf ein mysteriöses Päckchen stößt, das 1984 an ihn losgeschickt wurde“. Die gesuchten Filmrollen finden sich dort aber nicht, sondern betagte Filmzeitschriften der 60er, 70er und 80er Jahre. „Damit beginnt für ihn – und die Zuschauer – eine Reise durch die saarländische Kinolandschaft.“Welchen Film Klaus sucht, wird man übrigens „nie erfahren“, sagt Scherer. Denn es gehe ja um kein einzelnes Werk, sondern um das Phänomen Kino an sich.
Von dem erzählen auch die Gesprächspartner im Film. Hanns Peter Ebert etwa, Vorsitzender der Filmfreunde Wadern (und Bruder des Hauptdarstellers Klaus Ebert), und Beatrice Schmitt von der Bücherhütte Wadern, für Scherer „die wahrscheinlich größte Kinoliebhaberin des Saarlandes“. Seit den 1960er Jahren hält sie jeden Kinobesuch mit Notizen, Bildern und den Kinokarten in einem Buch fest, „das aus allen Angeln bricht“. Zu Wort kommt auch Theo Dubois, „Nachfahre der Familie Dubois, die zu den Glanzzeiten des Kinos mehrere Kinos im Saarland besessen hat, unter anderem in Wadern und Losheim“. Scherer verspricht „spannende Insider-Geschichten“, etwa über hinter der Leinwand gebunkerte Schnapsvorräte.
Der Film führt auch an Orte ehemaliger Kinos – in Nunkirchen etwa, in Wadrill und Sitzerath. „Ich wusste vorher nicht, dass es im Saarland so viele aufgegebene Kinos gibt“, sagt Scherer. „Viele sind heute umfunktioniert oder stehen einfach leer – aber interessanterweise sind meistens noch die alten Kinoschilder da, die Spuren der alten Filmtheater sind noch zu finden. Vielleicht wollen die Leute, wenn ein Kino zumacht, trotzdem noch daran festhalten.“
Ein anderer Drehort ist zwar kein Kino, hat aber mit Film zu tun – das Video Center Saarwellingen, eines der letzten zwei überlebenden Videotheken des Saarlandes (die andere ist das „Tape-O-Mania“in St. Ingbert). Auch das ein Ort der Nostalgie, einst Konkurrent des Kinos, heute bedroht vom allgegenwärtigen Streaming. Der Laden kann sich bis heute behaupten – vor allem durch den persönlichen Kontakt dort, wie Scherer glaubt. „Die Leute kommen dort vorbei, trinken einen Kaffee, halten ein Schwätzchen – und am Ende holen sie sich noch einen Film mit.“
Den April über wird Scherer noch am Film arbeiten, der Rohschnitt ist fertig; dann hofft er auf eine Premiere ab Mai – natürlich im Kino, bei den Lichtspielen Wadern. Das Kino seiner Kindheit ist allerdings ein anderes: das Eden in Homburg nämlich, wo er 1997 seinen ersten Film schaute (Scherer ist 31) – Disneys „König der Löwen“. 23 Jahre später zeigte er dort dann einen eigenen Film: die Kinoversion seiner „Unter Tannen“-Serie. Das Plakat dazu in dem Schaukasten zu sehen, an dem er sich als Kind die Nase plattgedrückt hatte, um sich die Aushangfotos von Filmen anzusehen, „war ein ganz besonderer Moment für mich“.