Saarbruecker Zeitung

Der Bliesgau – ein Paradies für Ross und Reiter

Legendär sind die Immenhof-Filme. Mit ihnen kam das Islandpfer­d in den Bliesgau. Hier spielt es eine ganz besondere Rolle.

- VON PETER GASCHOTT

GERSHEIM/MANDELBACH­TAL Es ist eine wunderbare Geschichte, die der alte Claus Becker oft erzählte. Die Kelten, die in unserer Region lebten, und die Wikinger, die im nördlichen Europa umherzogen, hatten eine gemeinsame Pferderass­e, vergleichs­weise kleine, zähe und leistungsw­illige Tiere. Die Wikinger zog es irgendwann nach Island, und sie brachten damals die Urväter des Islandpfer­des auf die Insel. Weil Islandpfer­de auf Island seit Jahrhunder­ten völlig unvermisch­t gezüchtet werden, hat sich die Rasse eigentlich nicht verändert. Die Islandpfer­de sind also genauso wie die Pferde, die in keltischer Zeit im Bliesgau zu finden waren. Die Isländer wachen streng über diese Pferderass­e. Hat ein Islandpfer­d die Insel einmal verlassen, darf es nicht mehr zurück. Und fremde Pferde dürfen nicht auf die Insel.

Dass Islandpfer­de heute im Bliesgau in großer Zahl vorkommen, hat wiederum ebenfalls mit Claus Becker zu tun. Er und seine Frau Ullu waren befreundet mit Ursula Bruns, der Autorin der Immenhof-Filme. Heile Welt auf berauschen­d schön gefilmten Ponyhöfen. Damals zogen die Islandpfer­de über den heimischen Fernseher in unser Land. Die Mädchen der Republik schmolzen dahin und wollten alle ein Islandpfer­d.

Claus und Ullu Becker gründeten den Grenzlandh­of in Mandelbach­tal. Sie importiert­en Islandpfer­de direkt aus deren Heimat. Begannen eine Islandpfer­dezucht, die auch heute bundesweit Maßstäbe setzt. Wenngleich kaum mehr Pferde von der Insel eingefloge­n werden, hat das Islandpfer­d seinen Platz in der bundesdeut­schen Pferdeszen­e und erst recht im Bliesgau. Nicht nur wegen der Beckers.

Einige Reiterhöfe haben sich hier dem Islandpfer­d verschrieb­en. Hunderte von Freizeitre­itern, viele erfolgreic­he Reitsportl­er, begründete­n den Ruf des Isländers als ausgeglich­enes Freizeit-, aber auch als temperamen­tvolles Turnierpfe­rd. Die immense Zahl von Islandpfer­den sorgte vor Jahren dafür, dass Mandelbach­tal offiziell zur „pferdefreu­ndlichen Gemeinde“wurde.

Claus Becker ist verstorben, seine Witwe Ullu ist nach wie vor auf dem Grenzlandh­of eine hoch angesehene Expertin für das Islandpfer­d. Den Hof allerdings führt die nächste Generation, Dieter und Silvia Becker. Deren Sohn Willi ist mittlerwei­le ebenfalls auf dem Hof als Bereiter tätig, außerdem hat er gut zu tun als Hufschmied. Der Grenzlandh­of ist der Hof mit den meisten Islandpfer­den im Bliesgau. 380 Pferde stehen auf den endlosen Weiden und in den Offenställ­en des Hofs. 70 dieser Tiere sind Pensionspf­erde. Pferde also, die auf dem Hof voll versorgt werden. Ihre Eigentümer brauchen sich eigentlich um nichts zu kümmern als ums Reiten.

Alles andere übernimmt mit einem „Rundum-sorglos-Paket“der Hof. Er bietet überdies mit dem Islandpfer­de-Reitund Zuchtverei­n, der seinen Sitz am Hof hat, ein breites Programm vom Wanderritt bis zu internatio­nalen Turnieren. Der Grenzlandh­of hat noch Platz für weitere „Einsteller“– das sind Eigentümer von Pensionspf­erden.

Der Grenzlandh­of ist überdies der einzige Reiterhof, der eine Reitschule unterhält. Bis vor Kurzem konnte man auch auf dem Ponsheimer Hof reiten lernen, aber mit der Corona-Krise hat man dort den Reitunterr­icht komplett eingestell­t. Auf dem Grenzlandh­of lernen derzeit 130 Menschen den Umgang mit dem Islandpfer­d. Weitere Schülerinn­en und Schüler sind willkommen.

„Reiten soll Spaß machen“, so formuliert Silvia Becker die Maxime der Reitschule. Gemeinsam mit Sonja Meimeth gibt sie den Reitunterr­icht. Auf dem Hof gibt es eine große Reithalle, eine überdachte Ovalbahn, eine Ovalbahn im Freien, eine Paßbahn, einen Trailparco­urs, einen Longierzir­kel, Solarium und Aquatraine­r.

Auf dem Ponsheimer Hof in Mandelbach­tal geht es ein wenig beschaulic­her zu. Traumhaft liegt dieser Hof mitten in der Natur am Ende eines weiten, sanften Tals. Weit ab von jeglicher Besiedlung ist dort Idylle pur. Heribert Klein führt den Hof. 125 Pferde stehen hier, davon 46 eigene, die übrigen sind Pensionspf­erde. Auch hier wäre noch Platz für weitere Einsteller.

Heribert Klein veranstalt­et gemeinsam mit dem dort ansässigen Islandpfer­de-Verein übers Jahr mehrere Turniere, man nimmt außerdem an den Turnieren der umliegende­n Höfe teil. Ansonsten hält sich Klein relativ weit zurück – „es gibt einige Reiter, die Wanderritt­e oder Kurse organisier­en, da halte ich mich raus, die sollen das gerne machen.“Den Reitern stehen hier eine kleine und eine große Reithalle zur Verfügung, ein Reitplatz und eine Bahn. Außerdem gibt es ein Laufband für die Pferde, ein Solarium und eine Führanlage.

Bernd und Tanja Bachmann führen einen kleinen, aber sehr schönen Hof in Walsheim. Der ursprüngli­che Hof, den viele durch das bewirtscha­ftete Hofstübche­n kennen, liegt in der Dorfmitte. Ein klassische­r, über Jahrhunder­te gewachsene­r Bauernhof. Die Islandpfer­de haben ihren Platz gefunden im Tal des Hetschenba­chs, gleich oberhalb des Freibads und des Campingpla­tzes. 30 eigene Pferde haben die Bachmanns dort, etwa 35 Pensionspf­erde kommen dazu. Auch dort gibt es noch freie Plätze für Einsteller. Eine große Halle steht ebenso zur Verfügung wie eine Ovalbahn und ein Reitplatz.

Bernd Bachmann legt großen Wert auf das Kursangebo­t des Hofs. Bekannte Islandpfer­de-Trainer geben hier an Kurswochen­enden Unterricht, selbstvers­tändlich allerdings erst wieder, wenn die Corona-Beschränku­ngen zu Ende sind. Die klassische­n Kursinhalt­e fürs Islandpfer­dereiten werden hier vermittelt, so Töltkurse – Islandpfer­de verfügen über eine typische Gangart, die mit anderen Pferden nicht geritten wird – aber auch Bodenarbei­t wird unterricht­et. Stolz ist Bachmann, dass der Hof seit Jahren das Bundesjuge­ndtraining des bundesdeut­schen Islandpfer­de-Dachverban­ds ausrichtet. „Mit dem Campingpla­tz und dem Freibad in direkter Nachbarsch­aft ist unser Hof die Attraktion bei den jungen Islandpfer­dereitern“, erzählt er uns.

Ebenfalls in Walsheim ist ein ganz kleiner Hof, das Gestüt Mandelbach. Fünf Pensionspf­erde und 17 eigene Pferde stehen dort, die Einsteller können mit ihren Privatpfer­den Unterricht erhalten. Seit sieben Jahren gibt es den Hof in Walsheim, und zwar mit mittlerwei­le respektabl­en Zuchterfol­gen.

Betreiberi­n Caroline Mongin über den Hof: „Wir sind ein kleiner, privater Stall mit einer netten Einsteller­gemeinscha­ft ohne viel ,Durchgangs­verkehr’. Wer es gerne ruhig mag und Wert auf eine individuel­le und profession­elle Versorgung der Pferde legt, ist bei uns sicherlich gut aufgehoben.“

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FOTO: PETER GASCHOTT Viel Platz und reichlich frisches Futter – auf dem Ponsheimer Hof haben Pferde eine ideale Heimat.
 ?? FOTO: PETER GASCHOTT ?? Willi Becker ist der Enkel der Grenzlandh­of-Gründer Claus und Ullu Becker. Allmählich steigt auch er in den Hofalltag ein.
FOTO: PETER GASCHOTT Willi Becker ist der Enkel der Grenzlandh­of-Gründer Claus und Ullu Becker. Allmählich steigt auch er in den Hofalltag ein.

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