Der Bliesgau – ein Paradies für Ross und Reiter
Legendär sind die Immenhof-Filme. Mit ihnen kam das Islandpferd in den Bliesgau. Hier spielt es eine ganz besondere Rolle.
GERSHEIM/MANDELBACHTAL Es ist eine wunderbare Geschichte, die der alte Claus Becker oft erzählte. Die Kelten, die in unserer Region lebten, und die Wikinger, die im nördlichen Europa umherzogen, hatten eine gemeinsame Pferderasse, vergleichsweise kleine, zähe und leistungswillige Tiere. Die Wikinger zog es irgendwann nach Island, und sie brachten damals die Urväter des Islandpferdes auf die Insel. Weil Islandpferde auf Island seit Jahrhunderten völlig unvermischt gezüchtet werden, hat sich die Rasse eigentlich nicht verändert. Die Islandpferde sind also genauso wie die Pferde, die in keltischer Zeit im Bliesgau zu finden waren. Die Isländer wachen streng über diese Pferderasse. Hat ein Islandpferd die Insel einmal verlassen, darf es nicht mehr zurück. Und fremde Pferde dürfen nicht auf die Insel.
Dass Islandpferde heute im Bliesgau in großer Zahl vorkommen, hat wiederum ebenfalls mit Claus Becker zu tun. Er und seine Frau Ullu waren befreundet mit Ursula Bruns, der Autorin der Immenhof-Filme. Heile Welt auf berauschend schön gefilmten Ponyhöfen. Damals zogen die Islandpferde über den heimischen Fernseher in unser Land. Die Mädchen der Republik schmolzen dahin und wollten alle ein Islandpferd.
Claus und Ullu Becker gründeten den Grenzlandhof in Mandelbachtal. Sie importierten Islandpferde direkt aus deren Heimat. Begannen eine Islandpferdezucht, die auch heute bundesweit Maßstäbe setzt. Wenngleich kaum mehr Pferde von der Insel eingeflogen werden, hat das Islandpferd seinen Platz in der bundesdeutschen Pferdeszene und erst recht im Bliesgau. Nicht nur wegen der Beckers.
Einige Reiterhöfe haben sich hier dem Islandpferd verschrieben. Hunderte von Freizeitreitern, viele erfolgreiche Reitsportler, begründeten den Ruf des Isländers als ausgeglichenes Freizeit-, aber auch als temperamentvolles Turnierpferd. Die immense Zahl von Islandpferden sorgte vor Jahren dafür, dass Mandelbachtal offiziell zur „pferdefreundlichen Gemeinde“wurde.
Claus Becker ist verstorben, seine Witwe Ullu ist nach wie vor auf dem Grenzlandhof eine hoch angesehene Expertin für das Islandpferd. Den Hof allerdings führt die nächste Generation, Dieter und Silvia Becker. Deren Sohn Willi ist mittlerweile ebenfalls auf dem Hof als Bereiter tätig, außerdem hat er gut zu tun als Hufschmied. Der Grenzlandhof ist der Hof mit den meisten Islandpferden im Bliesgau. 380 Pferde stehen auf den endlosen Weiden und in den Offenställen des Hofs. 70 dieser Tiere sind Pensionspferde. Pferde also, die auf dem Hof voll versorgt werden. Ihre Eigentümer brauchen sich eigentlich um nichts zu kümmern als ums Reiten.
Alles andere übernimmt mit einem „Rundum-sorglos-Paket“der Hof. Er bietet überdies mit dem Islandpferde-Reitund Zuchtverein, der seinen Sitz am Hof hat, ein breites Programm vom Wanderritt bis zu internationalen Turnieren. Der Grenzlandhof hat noch Platz für weitere „Einsteller“– das sind Eigentümer von Pensionspferden.
Der Grenzlandhof ist überdies der einzige Reiterhof, der eine Reitschule unterhält. Bis vor Kurzem konnte man auch auf dem Ponsheimer Hof reiten lernen, aber mit der Corona-Krise hat man dort den Reitunterricht komplett eingestellt. Auf dem Grenzlandhof lernen derzeit 130 Menschen den Umgang mit dem Islandpferd. Weitere Schülerinnen und Schüler sind willkommen.
„Reiten soll Spaß machen“, so formuliert Silvia Becker die Maxime der Reitschule. Gemeinsam mit Sonja Meimeth gibt sie den Reitunterricht. Auf dem Hof gibt es eine große Reithalle, eine überdachte Ovalbahn, eine Ovalbahn im Freien, eine Paßbahn, einen Trailparcours, einen Longierzirkel, Solarium und Aquatrainer.
Auf dem Ponsheimer Hof in Mandelbachtal geht es ein wenig beschaulicher zu. Traumhaft liegt dieser Hof mitten in der Natur am Ende eines weiten, sanften Tals. Weit ab von jeglicher Besiedlung ist dort Idylle pur. Heribert Klein führt den Hof. 125 Pferde stehen hier, davon 46 eigene, die übrigen sind Pensionspferde. Auch hier wäre noch Platz für weitere Einsteller.
Heribert Klein veranstaltet gemeinsam mit dem dort ansässigen Islandpferde-Verein übers Jahr mehrere Turniere, man nimmt außerdem an den Turnieren der umliegenden Höfe teil. Ansonsten hält sich Klein relativ weit zurück – „es gibt einige Reiter, die Wanderritte oder Kurse organisieren, da halte ich mich raus, die sollen das gerne machen.“Den Reitern stehen hier eine kleine und eine große Reithalle zur Verfügung, ein Reitplatz und eine Bahn. Außerdem gibt es ein Laufband für die Pferde, ein Solarium und eine Führanlage.
Bernd und Tanja Bachmann führen einen kleinen, aber sehr schönen Hof in Walsheim. Der ursprüngliche Hof, den viele durch das bewirtschaftete Hofstübchen kennen, liegt in der Dorfmitte. Ein klassischer, über Jahrhunderte gewachsener Bauernhof. Die Islandpferde haben ihren Platz gefunden im Tal des Hetschenbachs, gleich oberhalb des Freibads und des Campingplatzes. 30 eigene Pferde haben die Bachmanns dort, etwa 35 Pensionspferde kommen dazu. Auch dort gibt es noch freie Plätze für Einsteller. Eine große Halle steht ebenso zur Verfügung wie eine Ovalbahn und ein Reitplatz.
Bernd Bachmann legt großen Wert auf das Kursangebot des Hofs. Bekannte Islandpferde-Trainer geben hier an Kurswochenenden Unterricht, selbstverständlich allerdings erst wieder, wenn die Corona-Beschränkungen zu Ende sind. Die klassischen Kursinhalte fürs Islandpferdereiten werden hier vermittelt, so Töltkurse – Islandpferde verfügen über eine typische Gangart, die mit anderen Pferden nicht geritten wird – aber auch Bodenarbeit wird unterrichtet. Stolz ist Bachmann, dass der Hof seit Jahren das Bundesjugendtraining des bundesdeutschen Islandpferde-Dachverbands ausrichtet. „Mit dem Campingplatz und dem Freibad in direkter Nachbarschaft ist unser Hof die Attraktion bei den jungen Islandpferdereitern“, erzählt er uns.
Ebenfalls in Walsheim ist ein ganz kleiner Hof, das Gestüt Mandelbach. Fünf Pensionspferde und 17 eigene Pferde stehen dort, die Einsteller können mit ihren Privatpferden Unterricht erhalten. Seit sieben Jahren gibt es den Hof in Walsheim, und zwar mit mittlerweile respektablen Zuchterfolgen.
Betreiberin Caroline Mongin über den Hof: „Wir sind ein kleiner, privater Stall mit einer netten Einstellergemeinschaft ohne viel ,Durchgangsverkehr’. Wer es gerne ruhig mag und Wert auf eine individuelle und professionelle Versorgung der Pferde legt, ist bei uns sicherlich gut aufgehoben.“