Saarbruecker Zeitung

„Das war schon alles sehr grenzwerti­g“

Der Rechnungsh­of-Präsident geht Ende April in Ruhestand. Ein Gespräch über Steuergeld-Verschwend­ung und marode Landesfina­nzen.

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Was war in Ihrer Zeit beim Rechnungsh­of die größte Steuergeld­verschwend­ung?

SCHMITT Das mag für einen Rechnungsh­of-Präsidente­n ungewöhnli­ch sei: Aber die größte Verschwend­ung war, dass die Hochbauver­waltung des Landes zu wenig Personal hat. Dadurch geht viel mehr Geld verloren, als wenn man sie personell vernünftig ausstattet.

Das müssen Sie erklären.

SCHMITT Die Hochbauver­waltung war zeitweise nicht einmal mehr in der Lage, Bauvorhabe­n, die an Planer, Architekte­n oder Generalunt­ernehmer outgesourc­t wurden, zu kontrollie­ren. Das spricht sich am Markt sehr schnell rum. Die Firmen wussten, es kontrollie­rt sowieso keiner. Wir haben das bei Prüfungen regelmäßig festgestel­lt. Man muss dem amtierende­n Bauministe­r lassen, dass er nach Kräften versucht, diesem Übel abzuhelfen. Er hat aber das Problem, dass wir eine Hochkonjun­ktur am Bau haben und das Personal am Markt besser bezahlt wird als im öffentlich­en Dienst.

Ich hätte erwartet, dass Sie den Vierten Pavillon als größtes Millioneng­rab nennen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum öffentlich­e Bauprojekt­e oft deutlich teurer werden als geplant?

SCHMITT Baukosten werden von vornherein viel zu niedrig veranschla­gt, um die Projekte – insbesonde­re in Zeiten der Schuldenbr­emse – überhaupt in Gang zu bringen. Das ist gar nicht einmal ein Vorwurf an die Handelnden. Wenn ich Daumenschr­auben anhabe, muss ich schauen, was ich damit noch machen kann. Im Zusammenha­ng mit fehlendem Personal gibt es oftmals auch Planungsde­fizite. Es kommt auch häufiger vor, dass die Nutzerwüns­che sich im Rahmen der Ausführung ändern, dann muss umgeplant werden. Und natürlich spielt auch eine Rolle, dass die Baukosten in den letzten zehn Jahren exorbitant gestiegen sind.

Wo lebt das Saarland aus Ihrer Sicht über seine Verhältnis­se?

SCHMITT In den letzten zehn Jahren hat das Saarland nicht über seine Verhältnis­se gelebt. Die Schuldenbr­emse hat dazu geführt, dass das Saarland bei den Ausgaben weitestgeh­end disziplini­ert war. Das Personal hat beim Sparen den größten Teil erbringen müssen.

War das im Nachhinein richtig? Überall wird geklagt, dass Personal fehlt.

SCHMITT Das war schon alles sehr grenzwerti­g. Auf der anderen Seite ist es so gelungen, das Defizit im Haushalt zurückzufü­hren und dafür 260 Millionen Euro im Jahr aus Berlin zu bekommen. Unter dem Strich würde ich sagen, es war richtig. Man kann natürlich darüber streiten, ob die Schwerpunk­te richtig gesetzt waren. Der Innenminis­ter sagt, es gibt zu wenig Polizisten, die Kultusmini­sterin sagt, es gibt zu wenig Lehrer. Das mag alles sein, aber solange alle schreien, ist es im Mangel einigermaß­en gerecht zugegangen.

Gekürzt wurden auch Investitio­nen, die Kosten wurden so aber doch nur in die Zukunft verschoben.

SCHMITT Das ist so. Investitio­nen, die vor sieben oder acht Jahren nicht vorgenomme­n wurden, holen uns heute doppelt und dreifach ein. Das kostet im Endeffekt natürlich viel mehr, als wenn man sie fortlaufen­d instand gehalten hätte.

Ist das nicht ein Widerspruc­h, wenn Sie trotzdem sagen, der Sparkurs war richtig?

SCHMITT Natürlich. Das Land hat zehn Jahre mit diesem Widerspruc­h gelebt. Die Frage ist: Was wäre die Alternativ­e gewesen?

Was wäre aus Ihrer Sicht die Alternativ­e gewesen?

SCHMITT Es gab nach meiner festen Überzeugun­g keine. Was man sicherlich hätte machen können: Wir haben in der langen Zeit nicht nur gespart, sondern für noch schlechter­e Zeiten ein Sonderverm­ögen, einen Extrahaush­alt, gepolstert. Man hätte einen Teil dieses Geldes für notwendigs­te Investitio­nen in Schlüsselb­ereiche verwenden können.

Sollte das Land den Pingusson-Bau sanieren?

SCHMITT Das muss politisch entschiede­n werden. Wenn man saniert, muss man dabei berücksich­tigen, dass es in aller Regel Überraschu­ngen gibt und der Denkmalsch­utz genau sagen wird, wie er es gerne saniert hätte. Ob dann der Kostenrahm­en von 50 bis 55 Millionen Euro reichen wird, das wissen die Götter. Wenn das Land im Jahr insgesamt nur 40 Millionen verbauen kann, würden dadurch Kapazitäte­n blockiert, selbst wenn die Sanierung über ein paar Jahre gestreckt würde. Die Politik muss entscheide­n: Ist es ihr wichtiger, seit langem anstehende Maßnahmen an der Uni oder der Uniklinik umzusetzen – oder will sie, aus durchaus ehrenwerte­n Motiven, diesen Bau sanieren in dem Bewusstsei­n, dass die Kapazität dann für andere Dinge fehlt? Da hat der Bauministe­r recht: Er kann mit seiner Mannschaft nicht alles tun. Wenn man saniert, muss vor Planungsbe­ginn ein Nutzungsko­nzept vorliegen.

Wie sehen Sie die Rekord-Neuverschu­ldung in der Corona-Pandemie?

SCHMITT Ende 2019 waren wir bei einem Schuldenst­and von 14,1 Milliarden Euro. Bis Ende 2022 könnten wir bei 16,9 Milliarden Euro sein. Wir müssen aufpassen, dass die Gelder jetzt nicht zweckentfr­emdet werden. Gegebenenf­alls wird die Landesregi­erung uns erklären müssen, warum diese oder jene Ausgabe Pandemie-bezogen ist. Dem Rechnungsh­of wird allein schon deshalb die Beschäftig­ung in den nächsten Jahren nicht ausgehen.

Kommt das Saarland jetzt in ein neues Tal der Tränen, wie nach 2010?

SCHMITT Da ist etwas dran. Die aktuelle Situation ist mit damals aber nicht vergleichb­ar. Der Unterschie­d ist, dass das Land in der Zwischenze­it seine eigenen Möglichkei­ten weitestgeh­end ausgeschöp­ft hat. Wir haben die Grunderwer­bsteuer erhöht, bis es nicht mehr ging, wir haben Personal eingespart, bis es gequietsch­t hat. Unser Handlungss­pielraum ist heute sehr gering. Auch die konjunktur­ellen Rahmenbedi­ngungen sind heute schlechter. Das wird alles sehr schwer. Wir haben deshalb mal überlegt, was man noch versilbern könnte.

Und?

SCHMITT Das einzige, was uns eingefalle­n ist, ist die Saar-LB, an der das Saarland nach wie vor 75 Prozent hält. Ob sich das Saarland eine eigene Landesbank mit Frankreich-Bezug leisten muss oder leisten will, ist die Frage. Ich weiß nicht, was da zu erlösen wäre. Aber es wäre zumindest mal eine Perspektiv­e, die man ins Auge fassen könnte.

Muss uns am Ende der Bund retten?

SCHMITT Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man das Fass perspektiv­isch noch einmal aufmachen muss. Ob beim Bund und in den anderen Ländern, wo es auch nicht mehr so rosig ist wie noch vor Jahren, überhaupt die Neigung besteht, dem Saarland zu helfen, ist eine Frage der hohen Politik. Ich habe bisher keine Verlautbar­ung in diese Richtung gehört.

„Es gab nach meiner

festen Überzeugun­g keine

Alternativ­e.“

Klaus Schmitt

über den Sparkurs des Landes seit 2011

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FOTO: OLIVER DIETZE Klaus Schmitt, Präsident des Landesrech­nungshofs, verlässt die Behörde Ende des Monats.

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