Nächste Runde im Unions-Drama um die K-Frage
Laschet oder Söder? Nach nächtlichen Beratungen der Rivalen legt die CSU die Entscheidung allein in CDU-Hände. Die steht damit maximal unter Druck.
BERLIN/MÜNCHEN (dpa) Endlich darf Armin Laschet am Montagmittag über eine geglückte Kanzlerkandidatur sprechen. Die Sache hat nur einen Haken: Es geht nicht um seine, sondern um die von Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Einen fairen Wahlkampf verspricht der CDU-Chef – die Frage ist nur: Gegen wen wird Baerbock am Ende kämpfen, gegen Laschet oder Markus Söder? Die K-Frage, die seit einer Woche einen tiefen Riss quer durch die Union treibt, bleibt zunächst ungelöst.
Nun aber geht Laschet, nach einer quälenden Woche, in die Offensive, kündigt eine Schalte des CDU-Bundesvorstands für Montagabend an (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) – und einen Vorschlag, „wie wir jetzt sehr schnell die nicht geklärte Frage zwischen CDU und CSU auflösen“. Er hoffe, dass man dann „sehr schnell in dieser Woche“zu den erforderlichen Entscheidungen komme.
Kurz darauf richten sich alle Blicke nach München zum CSU-Präsidium. Dort läutet Parteichef Söder die womöglich letzte Runde im Machtkampf ein: Er gibt die Entscheidung über die K-Frage zurück zur CDU.
Die CDU entscheide jetzt „souverän“, sagt Söder und verspricht, mehrfach: „Wir als CSU und auch ich respektieren jede Entscheidung.“Ob aber nach einem Votum, welches Gremium auch immer es fällt, wirklich wieder Ruhe einkehrt, bleibt abzuwarten. Schon am Dienstagnachmittag in der Unionsfraktionssitzung könnte sich erneut viel angestauter Frust unkontrolliert entladen.
Für Laschet, im Januar erst zum CDU-Vorsitzenden gewählt, haben nun die entscheidendsten Stunden seiner Karriere begonnen. Denn auch wenn Söder sich bemüht, mögliche Schäden für die Union aus dem Personaldrama klein zu reden, ist die Union in einer extrem schwierigen Lage, Parteimitglieder bezeichnen sie als „paralysiert“.
Bereits in der Nacht zum Montag waren alle, die auf ein Ende im Machtkampf gehofft hatten, eines Besseren belehrt worden. Laschet und Söder, die die Union fünf Monate vor der Wahl in die tiefste Krise seit Jahren gestürzt haben, gehen nach einem dreieinhalbstündigen Nacht-Gipfel im Bundestagsgebäude ohne eine Lösung auseinander. Keine Einigung. Keiner der beiden ist bereit, zu verzichten.
Und nur Stunden später, während sich die Union sozusagen selbst zerfleischt, müssen CDU und CSU live mitverfolgen, wie bei den Grünen mit bester Laune und in demonstrativer Harmonie Annalena Baerbock zu deren Kanzlerkandidatin gekürt wird. Co-Parteichef Robert Habeck steckt zurück. „In dieser Situation führt der gemeinsame Erfolg dazu, dass einer einen Schritt zurücktreten muss“, sagt Habeck. Krasser könnten die Gegensätze an diesem denkwürdigen Montag nicht sein.
Am Montag reist Söder unverrichteter Dinge zurück nach Bayern. Laschet bleibt in Berlin. Erst trifft er Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Dieser habe versucht, zwischen Laschet und Söder zu vermitteln, heißt es. Aber wie? Es gibt auch an diesem Montag viel mehr Fragen als Antworten. Dann fährt Laschet in die CDU-Zentrale.
Wenig später folgen die Auftritte Laschets in Berlin und Söders in München. Beide Seiten wollen, so scheint es, eine Lösung vor der Fraktionssitzung am Dienstag. Soll eine Abstimmung dort verhindert werden, um die Union nicht vollends in die Spaltung zu treiben?
Tatsächlich steht die CSU fest zu Söder, während die Lage bei der CDU, vorsichtig gesagt, heterogen ist: Die Parteiführung hatte sich vergangene Woche zwar zu Laschet bekannt – aber eben, wie zwischen den Rivalen vereinbart, nicht per formalem Beschluss. Dass Söder dies nicht ausreichte, damit brachte er viele CDU-Granden gegen sich auf.
Doch an der CDU-Parteibasis zeigt sich eben bundesweit vielerorts ein anderes Bild. Viele Unions-Anhänger hätten gern den Umfrage-Liebling Söder als Kandidaten. Auch die Mehrheit der Landesverbände der Jungen Union (JU) plädiert in einer Schalte am Sonntagabend für Söder.
Laschet stand am Montagabend vor seinem entscheidenden Kampf: Konnte er den CDU-Vorstand weiter mehrheitlich hinter sich versammeln und zugleich auch die Zweifler an seiner eigenen Basis von sich überzeugen? Wie stimmten all diejenigen Vertreter im Zweifel ab, die zwar persönlich für Laschet sind, deren Verbände aber eine klare Präferenz für Söder haben?
Laschet ließ am Abend keinen Zweifel an seinen Ambitionen aufkommen. „Ich bin bereit, für uns die Kandidatur zu übernehmen“, sagte er nach Teilnehmerangaben in der digitalen Vorstandssitzung. Und: „Wir sind heute in der Verantwortung, ein Zeichen zu setzen, wo der Wahlkampf hingeht.“Dass Söder die Entscheidung zurück in die Hand der CDU gelegt habe, sei ein „ein sehr wichtiges Signal“, sagte der CDU-Chef.
Laschet hätte darauf setzen können, dass der Vorstand ihn nicht gleich wieder beschädigen will. Bei den Söderianern in der CDU hätte ein solches Vorgehen aber wieder für Empörung sorgen können. Von Abgeordneten hieß es, Laschet nehme die CDU in Geiselhaft, wenn er sie geradezu zwinge, für ihn und nicht für Söder zu stimmen.
Obwohl ihn Laschet eingeladen hatte, wollte Söder nicht an der CDU-Schalte teilnehmen. Er unterstrich damit, dass der Ball nun einzig und allein bei Laschet liege. Söder wollte zwar weiter Kanzlerkandidat werden. Mit seinem Schachzug, die Verantwortung nun allein der CDU in die Hände zu geben, hatte er sich aber auch die wohl bestmögliche, gesichtswahrende Exit-Option geschaffen. Er musste nicht einfach so von sich aus einknicken, sondern hätte sich dann schlicht und einfach dem Votum der großen Schwesterpartei gefügt. Und könnte dann, wenn die Bundestagswahl schief geht, nach dem Motto argumentieren: Ich hätte gewollt – aber ihr habt mich nicht lassen.
Laschet stand dagegen maximal unter Druck – vor der Entscheidung über die K-Frage selbst, aber auch, sollte er der Kanzlerkandidat werden. Letztlich musste die Abstimmung zur K-Frage in der CDU damit auch als Vertrauensfrage der Partei über ihren eigenen Chef angesehen werden.
Wie der Machtkampf am Ende auch ausgeht: Die Union steht nach dieser Krisen-Woche vor einem Scherbenhaufen sondergleichen. Von Einheit ist fünf Monate vor der Wahl keine Spur mehr. Die Gräben sind so tief wie seit der Flüchtlingsfrage nicht mehr, die Verletzungen schwer. Wie soll da die Wiedereroberung des Kanzleramts gelingen?
Und das, seit Montag steht es nun fest, unter anderem gegen eine Grünen-Kanzlerkandidatin, die mit ihrer Partei aktuell das genaue Gegenteil von all dem präsentiert, was die Union mit ihren beiden machthungrigen Parteivorsitzenden zuletzt aufgeführt hat? Die Lage ist für die Union riskanter denn je.