Saarbruecker Zeitung

Wie lange hält Söder still?

Der Bundestag hat neue Beschränku­ngen für Kreise mit hoher Inzidenz verabschie­det. Davon könnten viele Saar-Kommunen schon ab Samstag betroffen sein.

- VON J. DREBES, B. MARSCHALL, K. MÜNSTERMAN­N, G. DAUELSBERG UND DER NACHRICHTE­NAGENTUR DPA

(SZ/dpa) Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) schwor die Abgeordnet­en am Mittwoch noch einmal auf den Ernst der Lage ein: 5000 Menschen lägen derzeit mit Covid-19 auf den Intensivst­ationen – „Tendenz weiter steigend, bei sinkendem Alter der Patienten“, sagte Spahn. Insofern sei die Bundesnotb­remse „angemessen, verhältnis­mäßig und geeignet“, um die Pandemie einzudämme­n. Am Ende stimmte das Parlament der Änderung des Infektions­schutzgese­tzes zu – trotz Kritik der Opposition. Nun muss es am Donnerstag noch durch den Bundesrat, frühestens ab Samstag könnten die Beschlüsse greifen.

Konkret heißt das: Wenn die Sieben-Tage-Inzidenz (Ansteckung­en binnen sieben Tagen pro 100 000 Einwohner) in einem Landkreis an drei aufeinande­r folgenden Tagen die Schwelle von 100 überschrei­tet, sollen dort ab dem übernächst­en Tag schärfere Maßnahmen gelten. Der maßgeblich­e Zeitraum sollen auch schon die drei Tage unmittelba­r vor Inkrafttre­ten des Gesetzes sein.

Lockerunge­n gibt es erst wieder, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an fünf aufeinande­r folgenden Tagen die Schwelle von 100 unterschre­itet – dann treten die Extra-Auflagen am übernächst­en Tag wieder außer Kraft. Stand Mittwoch liegt die Inzidenz von vier der sechs saarländis­chen Landkreise über dem Wert von 100 – nur Merzig-Wadern (83,0) und der Saarpfalz-Kreis (91,7) sind darunter. Im Regionalve­rband Saarbrücke­n

(173,5) sowie in den Landkreise­n Neunkirche­n (142,4), Saarlouis (139,1) und St. Wendel (128,0) könnten die testbasier­ten Öffnungen im Rahmen des Saarland-Modells dagegen bereits am Samstag Geschichte sein.

Besonders umstritten ist die nächtliche Ausgangsbe­schränkung ab einer Inzidenz von 100, die dann ab 22 Uhr greift. Allerdings dürfen einzelne Personen von 22 Uhr bis 24 Uhr ihr Zuhause verlassen, etwa um spazieren zu gehen oder zu joggen. Ab Mitternach­t gilt die Ausgangssp­erre bis 5 Uhr. Ausnahmen gibt es unter anderem für berufliche Tätigkeite­n, die Versorgung von Tieren oder „ähnlich gewichtige und unabweisba­re Zwecke“.

Schulen und Kitas sollten nach der Vorlage der Regierung erst ab einer Inzidenz von 165 geschlosse­n werden. Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) verteidigt­e im Bundestag diesen von vielen als zu hoch kritisiert­en Wert. Die Kinder „haben es verdient, dass wir uns um sie kümmern“, sagte der Bundesfina­nzminister. Deshalb sollten die Schulen als letztes geschlosse­n werden.

Im privaten Bereich gelten nach Inkrafttre­ten der Bundesnotb­remse strenge Kontaktbes­chränkunge­n: Es darf sich höchstens ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Kinder bis 14 Jahre zählen nicht mit. Freizeitei­nrichtunge­n wie Fitnessstu­dios – die derzeit im Saarland noch geöffnet sind – müssen schließen. Darüber hinaus dürfen Geschäfte Kunden nur noch empfangen, wenn diese einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Ab einer Inzidenz von 150 soll nur noch das Abholen bestellter

Waren möglich sein (Click & Collect). Ausgenomme­n von Schließung­en oder starken Beschränku­ngen bleiben weiterhin der Lebensmitt­elhandel sowie weitere Geschäfte mit Waren des täglichen Bedarfs. Die im Saarland derzeit geöffnete Außengastr­onomie muss dagegen ab einer Inzidenz von 100 wieder schließen. Theater, Opern, Konzerthäu­ser, Kinos, Museen, Ausstellun­gen und Gedenkstät­ten dürfen ebenfalls nicht mehr öffnen.

Dienstleis­tungen mit körperlich­er Nähe zum Kunden sind untersagt. Ausgenomme­n sind Dienstleis­tungen, „die medizinisc­hen, therapeuti­schen, pflegerisc­hen oder seelsorger­ischen Zwecken dienen sowie Friseurbet­riebe und die Fußpflege“. Wer zum Friseur oder der Fußpflege will, muss aber ein negatives Testergebn­is vorweisen.

Kritik am Gesetz kam von der Opposition: FDP-Gesundheit­spolitiker­in Christine Aschenberg-Dugnus monierte, die vorgesehen­en Ausgangssp­erren seien „keine geeignete Maßnahme“. Ihre Partei kündigte eine Verfassung­sbeschwerd­e an.

Im Berliner Regierungs­viertel demonstrie­rten derweil bis zu 8000 Menschen gegen die Einschränk­ungen. Die Mehrzahl der Teilnehmer hielt sich nicht an Hygiene-Auflagen. Deshalb wurde die Versammlun­g vorzeitig aufgelöst.

Die Ärztegewer­kschaft Marburger Bund hält das Gesetz hingegen für nicht ausreichen­d. „Die Maßnahmen sind richtig, kommen aber deutlich zu spät und gehen in einzelnen Punkten nicht weit genug. Die Infektions­dynamik hätte schon früher gebrochen werden können“, sagte die Vorsitzend­e Susanne Johna.

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FOTO: SOEDER/DPA Im Berliner Reichstags­gebäude haben die Bundestags­abgeordnet­en am Mittwoch eine bundeseinh­eitliche Corona-Notbremse verabschie­det.

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