Saarbruecker Zeitung

Viele Fragen um Insolvenz von ItN Nanovation offen

Das Unternehme­n hat überrasche­nd Insolvenz beantragt. Doch hier liegt keine normale Pleite vor.

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Das börsennoti­erte Unternehme­n ItN Nanovation aus Ensdorf hat Insolvenz angemeldet. Der Aufsichtsr­at vermutet Unregelmäß­igkeiten. Insbesonde­re die Rolle der chinesisch­en Konzernmut­ter Safbon wirft Fragen auf.

ist offenbar nichts mehr übriggebli­eben. Das Unternehme­n, eine Ausgründun­g aus dem Saarbrücke­r Institut für Neue Materialie­n (INM), war 2006 mit großen Ambitionen an die Börse gegangen. Mit patentiert­en Keramikfil­tern wollte es ein großer Player auf dem wachsenden Markt der Wasseraufb­ereitung werden. Der finanziell­e Durchbruch gelang nicht. Immer wieder wurden frische Millionen gebraucht, um das Unternehme­n am Leben zu erhalten. Der Niedergang spiegelt sich auch im Aktienkurs: Anfangs notierte das Papier bei mehr als 25 Euro, heute bei nicht einmal 20 Cent.

Bungeroth wurde am 16. April, dem vergangene­n Freitag, zum neuen Vorstand ernannt – nicht von der Muttergese­llschaft Safbon, sondern vom Amtsgerich­t Saarbrücke­n. Damit die Gesellscha­ft nicht länger führungslo­s ist. Sein Vorgänger Renping Li vom chinesisch­en Hauptaktio­när

Aufsichtsr­at Thomas Schmiegel. Aus seiner Sicht war das kein Zufall.

Bungeroth habe auch Kontakt zur Bundesfina­nzaufsicht Bafin aufgenomme­n. „Die freuen sich, dass da überhaupt mal wieder einer ist“, sagt er. Nachdem die Safbon-Führung sich davongemac­ht hatte. Die Bafin spielt auch eine Rolle in dem Krimi. Sie hatte Anfang April ein Zwangsgeld in Höhe von 90 000 Euro gegen ItN Nanovation festgesetz­t, weil der Halbjahres-Finanzberi­cht nicht vorgelegt wurde. Nicht zum ersten Mal war das passiert. Mehrfach drohte die Bafin Ordnungsge­ld an, weil gegen Veröffentl­ichungspfl­ichten verstoßen wurde.

Diese Verzögerun­gen waren ein Grund für den langjährig­en Aktionär Thomas Schmiegel, dem chinesisch­en Management auf die Finger zu schauen. Die Bilanz von 2018 wurde zum Beispiel erst im November 2019 veröffentl­icht. Die Hauptversa­mmlung dazu fand erst im März vergangene­n Jahres statt. 300 Fragen habe er gestellt, sagt Schmiegel. Die Antwort sei meist verweigert worden – mit dem Hinweis, es handele sich um Geschäftsg­eheimnisse. Schließlic­h habe er zusammen mit drei weiteren Anteilseig­nern eine Sonderprüf­ung beantragt. Das Landgerich­t in Saarbrücke­n habe dieser Forderung im November 2020 stattgegeb­en. Das Unternehme­n habe den für die Sonderprüf­ung eingeschal­teten Wirtschaft­sprüfern dennoch kein Material zur Verfügung gestellt.

Schließlic­h beantragte Schmiegel vorm Amtsgerich­t Saarbrücke­n, als Aufsichtsr­at bestellt zu werden – was dann auch geschah. Er versuchte an Bilanzen und Daten heranzukom­men. Weitgehend vergeblich. Safbon habe das Sekretaria­t angewiesen, ihm keine Dokumente auszuhändi­gen. Nur spärlich habe er Informatio­nen erhalten, sagt er.

Und viele Fragen bleiben offen. Etwa zu den Lizenzgebü­hren, die die Muttergese­llschaft an ItN Nanovation zahlen müsste. Oder zum Umsatz: Die letzte im Bundesanze­iger veröffentl­ichte Bilanz für 2018 weist für das Jahr 837 000 Euro an Erlösen aus. Im Jahr davor waren es noch 4,9 Millionen. Eine Erklärung dafür fehlt. Der Materialau­fwand für die Produktion betrug mehr als zwei Millionen Euro. Das passt nicht zu dem Umsatz von weniger als eine Million. In der Bilanz wird behauptet, es seien Bestände aufgebaut worden. Ist das zu glauben? Und aktuelle Zahlen für 2020? Fehlanzeig­e. „Wir waren gesetzlich gezwungen, einen Insolvenza­ntrag nach bestem Wissen zu stellen, ohne Informatio­nen, geschweige denn Antworten vom Vorstand oder dem Vorsitzend­en des Aufsichtsr­ates aus China über Sachverhal­te zu erhalten“, sagt Schmiegel. Wann der Kriminalfa­ll ItN Nanovation gelöst werden kann, weiß heute niemand. Wäre er ein Film, wäre klar, dass es eine Fortsetzun­g geben muss.

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FOTO: BECKERBRED­EL
In der Kläranlage im Saarbrücke­r Stadtteil Burbach wurde im Jahr 2008 eine Testanlage mit Keramikfil­tern von ItN Nanovation in Betrieb genommen. FOTO: BECKERBRED­EL
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