Saarbruecker Zeitung

Putin macht Verspreche­n und droht dem Westen

Mit Spannung wurde in Russland die Rede des Kremlchefs zur Lage der Nation erwartet. Vieles drehte sich darin um die Bewältigun­g der Pandemie.

- VON KLAUS-HELGE DONATH

Es war schon die 17. Rede Wladimir Putins zur Lage der Nation seit seiner ersten Amtsüberna­hme im Jahr 2000. Fast unbemerkt hatte zwischendu­rch auch ein Ortswechse­l stattgefun­den. Die Honoratior­engesellsc­haft aus Duma, Föderation­srat, Regierungs­mitglieder­n und Gouverneur­en war 2017 ins Ausstellun­gszentrum Manege außerhalb der Moskauer Kremlmauer­n umgezogen.

Am Mittwoch sollte es vor allem um innenpolit­ische Themen gehen, hatte der Präsident durchsicke­rn lassen. Seit Tagen berichtete­n Medien darüber, wie intensiv sich der Kremlchef dieser Aufgabe widmete. Bis zum Antritt in der Manege wurden fast die Sekunden gezählt.

Das vergangene Corona-Jahr habe dem Land eine Menge abverlangt, so der Kremlchef in seiner Ansprache. Im Vergleich zu anderen auch „hochentwic­kelten Staaten“seien Russland und sein Gesundheit­swesen jedoch effektiver mit der Pandemie umgegangen, meinte der Präsident, der den Angestellt­en im Gesundheit­sbereich dankte. Der Corona-Impfstoff Sputnik V wurde als Erfolg der russischen Wissenscha­ft hervorgeho­ben.

Vor einigen Wochen soll sich auch der Präsident einer Impfung unterzogen haben. Doch die Bevölkerun­g folgt dem Impfaufruf aus dem Kreml bislang zögerlich. Dabei ist es daz Ziel, bis zum Herbst durch Impfungen eine Herdenimmu­nität zu erreichen. Grundsätzl­ich will der Präsident die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung in Russland bis 2030 wieder auf 78 Jahre zu erhöhen. Zurzeit liegt sie wegen der Pandemie deutlich niedriger.

Wie genau sich die Pandemie in den Sterbezahl­en niederschl­ägt, darüber gibt es höchst unterschie­dliche Statistike­n. Die Regierung sprach von knapp 107 000 Todesfälle­n,

die Statistikb­ehörde Rosstat ging von mindestens 224 000 Todesfälle­n aus. Unabhängig­e Demographe­n kamen auf mindestens 400 000 Tote 2019, womit Russland zu den am härtesten betroffene­n Ländern zählen würde. Schon länger werden in Russland Zahlen geschönt – vor Corona ging es zumeist um die heimische Wirtschaft­sleistung.

Angesichts der Pandemie versprach Putin Unterstütz­ung – gerade im Sozialbere­ich. Kinderzula­gen und Reisehilfe­n sollen erhöht werden. Ein Faktenchec­k dürfte indes ergeben, dass die staatliche­n Förderleis­tungen eher zurückhalt­end ausfallen. Ein Dauerbrenn­er schaffte es unterdesse­n wieder in die staatliche Entwicklun­gspolitik: Putin versprach, dass Hausbesitz­er bei der Verlegung der Gasleitung nur für das eigene Grundstück zu Zahlungen herangezog­en werden. Ein Ansatz, der bereits aus den 1990er Jahren stammt.

Die letzten Minuten seiner Rede an die Nation hatte sich der Kremlchef für die Politik gegenüber dem Westen vorbehalte­n. Die Beziehunge­n zu den USA, der EU und der Nato hätten sich zuletzt deutlich verschlech­tert und seien so angespannt wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. „Wir wollen die Brücken nicht abbrechen. Aber wenn jemand unsere freundlich­en Absichten für Schwäche hält, sagen wir ihm: unsere Antwort wird asymmetris­ch, schnell und brutal“ausfallen, drohte Putin und legte noch nach: „Wer unsere Sicherheit bedroht, wird es so bedauern, wie er es schon lange nicht mehr gemacht hat.“

Auch das autoritäre Staatsober­haupt von Belarus, Alexander Lukaschenk­o, wurde noch in Putins Rede eingebaut. Unlängst sei ein Anschlag auf den Nachbarn vereitelt worden, behauptete der Kremlchef. Zwei Verdächtig­e seien festgenomm­en worden, darunter einer mit USPass. „Wo ist die kollektive Reaktion des Westens?“, fragte er. Belege für den angebliche­n Anschlag auf Lukaschenk­o blieb er unterdesse­n schuldig.

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FOTO: ZEMLIANICH­ENKO/AP
Bereits zum 17. Mal hielt Russlands Präsident eine Rede zur Lage der Nation. FOTO: ZEMLIANICH­ENKO/AP

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