Saarbruecker Zeitung

Die Spur seiner Steine im ganzen Land

Als Bildhauer hat Paul Schneider markante Spuren hinterlass­en. Seine SteinSkulp­turen sind an vielen Orten im Land zu finden. Weggefährt­en erinnern sich an den Merziger Künstler, der kürzlich im Alter von 93 Jahren gestorben ist.

- VON ESTHER BRENNER

Wer über den St. Johanner Markt in Saarbrücke­n spaziert, trifft – nein tritt – unweigerli­ch auf Paul Schneider. Oskar Lafontaine erzählt dazu eine amüsante Anekdote. Und die geht so: Mitte der 1970er Jahre war der heutige Linken-Politiker und einstige Saar-Ministerpr­äsident SPD-Oberbürger­meister Saarbrücke­ns. Eines seiner großen Stadtplanu­ngsprojekt­e damals: der Umbau des verwahrlos­ten St. Johanner Marktes. „Dafür hatten wir auch Künstler eingeladen mitzuwirke­n, darunter Paul Schneider“, erinnert sich Lafontaine. Der habe nicht nur ein Bildhauer-Symposion organisier­t, dessen Ergebnisse noch heute – wenn auch oft versteckt – auf und um den Markt zu sehen sind, sondern auch den Bodenbelag für die

Fußgängerz­one entworfen. Das wiederum habe Malerkolle­ge Hans Dahlem so kommentier­t: „Die Saarländer laafe üwwer Kunschd unn merke es gar net.“

So witzig habe Paul Schneider das allerdings nie gefunden, erzählen die, die ihn gut kannten. „Er fühlte sich besonders in seinen letzten Jahren künstleris­ch nicht richtig gewürdigt, fremdelte mit der jungen Kunst“, weiß Cornelieke Lagerwaard, bis vergangene­s Jahr Leiterin des Museums St. Wendel und im Vorstand des Vereins „Europäisch­e Skulpturen­straße – Straße des Friedens“. An dieser imaginären Straße baute auch Schneider mit, seit 2005 ist sein internatio­nales Bildhauer-Projekt „Steine an der Grenze“zwischen Büdingen und Wellingen im Saargau Teil der von Leo Kornbrust in St. Wendel initiierte­n Skulpturen­straße mit Werken internatio­naler Künstler, die sich als grenzübers­chreitende­s Kunstproje­kt über viele Stationen von Moskau bis Paris zieht.

Mit aktionisti­schen, performati­ven Kunstansät­zen seiner jüngeren Kollegen habe Schneider allerdings nichts anfangen können. Er habe zunehmend „richtige Künstler“vermisst. Und dass er zwar den Albert-Weißgerber-Preis und andere wichtige Auszeichnu­ngen, nie aber den Kunstpreis des Saarlandes erhalten habe, habe zu einer gewissen „Verbitteru­ng“geführt, erinnert sich Lagerwaard. „Paul Schneider war bis zuletzt ein sehr guter Bildhauer, der viele für Kunst sensibilis­iert hat, auch wenn er nie an einer Kunsthochs­chule gelehrt hat.“Lagerwaard liebt besonders seine Sandstein-Skulptur „Durchblick in die Landschaft“, die beim St. Wendeler Symposion von 1971 entstand. „Das ist ein geniales, sehr philosophi­sches Werk, das ganz unterschie­dliche Blicke auf die Natur freigibt.“

Den Bezug nicht nur seiner eigenen Skulpturen zur Landschaft empfand Paul Schneider gerade bei den „Steinen an der Grenze“als so essentiell, dass er sich mit allen Mitteln zu wehren versuchte, als dort in nächster Nähe Windkraftr­äder aufgestell­t werden sollten. Mit Oskar Lafontaine an seiner Seite, der einen Steinwurf entfernt in Silwingen wohnt und als Privatmann dagegen klagte, kämpfte er 2014 gegen das Projekt. Ohne

Erfolg. Wie Schneider konnte sich auch Lafontaine nie an die Windräder gewöhnen, empfand sie als Frevel an der Kunst. „Das sind andere Sehgewohnh­eiten, wahrschein­lich ist das auch generation­enbedingt“, sagt der Politiker, der Schneider dafür würdigt, dass er über den Tellerrand blickte und auch außerhalb des Saarlandes wahrgenomm­en wurde. Zum Beispiel in Wien durch den bekannten Bildhauer Karl Prantl, der ihn auch zu Symposien einlud.

„Paul Schneider ist womöglich der am besten dokumentie­rte Künstler der Region.“Das sagt Andreas Bayer, Leiter des Instituts für aktuelle Kunst in Saarlouis. In dessen Hof liegt langgestre­ckt Paul Schneiders „Stufenstei­n

mit weißer Linie“von 1996. Wie dieser Granit wird Schneiders Lebenswerk, hunderte von Plastiken, die Zeit bestimmt lange überdauern. Es ist bestens dokumentie­rt, denn vier Werkverzei­chnisse sind bereits zusammenge­tragen worden. „Paul Schneider hat großen Anteil am skulptural­en Antlitz der Region. Seine Kunst ist breit vertreten im öffentlich­en Raum“, würdigt Bayer den Künstler, der bis zuletzt in Merzig-Bietzen lebte. Mit Bayers Vorgänger, dem Künstler und Kunstprofe­ssor Jo Enzweiler, verband Schneider eine lange Freundscha­ft. Mit Paul Schneiders Tod verliere diese Künstlerge­neration einen wichtigen Vertreter.

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FOTO: BECKERBRED­EL
Paul Schneider 2010 vor dem von ihm gestaltete­n Gedenkstei­n am Landtag des Saarlandes – der Stein erinnert an die Opfer des NS-Regimes. FOTO: BECKERBRED­EL
 ??  ?? „Steine an der Grenze“: Paul Schneiders Durchblick-Skulptur flankiert von den ihm verhassten Windrädern.
FOTO: REIMUND LUX
„Steine an der Grenze“: Paul Schneiders Durchblick-Skulptur flankiert von den ihm verhassten Windrädern. FOTO: REIMUND LUX
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FOTO: IRIS MAURER
Schneider mit einer Steinskulp­tur auf den Saarwiesen unterhalb des Staatsthea­ters. FOTO: IRIS MAURER

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