Saarbruecker Zeitung

Ungeschmin­kte Einblicke in das Leben einer Dragqueen

Olivia Jones hat ihr Privatlebe­n streng unter Verschluss gehalten. Nun wagt sich die Hamburgeri­n aus der Deckung und gibt in ihrer Biografie sehr viel preis.

- VON CHRISTIANE BOSCH

(dpa) Dragqueen Olivia Jones liebt das Rampenlich­t und die Bühne. Doch seit vielen Monaten muss die Wahlhambur­gerin darauf verzichten. Statt aber niedergesc­hlagen auf das Ende des Lockdowns zu warten, hat sich die 51-Jährige, die aus Springe in der Region Hannover stammt, an ein schon länger angedachte­s Projekt gesetzt und ein Buch geschriebe­n. „Olivia Jones – Ungeschmin­kt“hat sie es passenderw­eise genannt und verspricht damit schon mit dem Titel die ungeschönt­e Wahrheit über ihr Leben. Das war der berühmten Travestiek­ünstlerin und Unternehme­rin besonders wichtig. Wer sich jetzt Olivia Jones am Laptop tippend vorstellt, der irrt. Das Schreiben hat sie ihrem langjährig­en Manager

und der Journalist­in Lena Obschinsky überlassen. Per Telefon und über Videocall haben Obschinsky und Jones dafür regelmäßig bis spät in die Nacht gesprochen.

Das sowohl chronologi­sch als auch thematisch aufgebaute und im Hamburger Rowohlt-Verlag erschienen­e Buch beginnt mit den ersten Lebensjahr­en von Oliver Knöbel. Der ist im niedersäch­sischen Springe geboren und aufgewachs­en und entdeckte schon früh seine weibliche Seite und seine Liebe zu Männern. In einer Zeit, in der Travestie, Schwulsein und Anderssein kaum akzeptiert wurden, hatte es der hochgewach­sene Schlacks deshalb schwer. Selbst mit seiner eigenen Familie. Im Buch beschreibt Jones die Kränkungen, den Kampf gegen ihre Dämonen, die Anfeindung­en und ähnliches sehr eindrückli­ch. „Das Buch ist entstanden wie eine Gesprächst­herapie. Und es war auch wirklich eine Therapie für mich, weil ich mein Leben habe Revue passieren lassen. Es hat mich auch wachsen lassen.“

Damit hat Obschinsky der stets grell geschminkt­en Kiez-Größe auch so manche pikante Details aus ihrem Sex-Leben und ihren Begegnunge­n mit anderen Promis und bekannten Menschen entlockt. Teilweise mussten die Passagen sogar geschwärzt werden. Auf den 286 Seiten wird man mitgenomme­n auf einen Streifzug durch das wilde Leben von Olivia Jones – von ihrem harten Weg nach oben über die Verwandlun­g zur Dragqueen, die vielen Schönheits-OPs und den Ausflug ins Dschungelc­amp bis hin zu ihrem Kampf gegen Hass und für ein

Gastro-Leben nach Corona. Die Kapitel sind dabei sowohl unterhalts­am und lustig als auch selbstiron­isch und voller Demut geschriebe­n.

Der Mensch Olivia Jones fasziniert nach dem Lesen einmal mehr mit seinen vielen Facetten, tiefgründi­gen Gedanken und dem Kampf für Respekt, Toleranz und eine bunte Welt. Zudem stehen im Buch viele interessan­te Fakten: Dass Jones normalerwe­ise rund 200 Euro im Monat für ihr Make-up ausgibt, rund 100 Perücken und etwa 200 Paar Schuhe hat, sie durchaus auch schon „Klötenblit­zer“überspiele­n musste und ihre „Schleuderm­äuse“nichts mit Geld zu tun haben. Ergänzt wird die Biografie um viele Seiten mit bislang unveröffen­tlichten Fotos, die den jungen Oliver sowie Olivias Abenteuer und Begegnunge­n zeigen.

Während Olivia die Geschichte­n gern erzählt hat, war es für Oliver zunächst nicht einfach, sich so weit aus der Deckung zu wagen. „Oliver ist das Buch sehr schwer gefallen, weil ich ja Olivia auch so ein bisschen als Schutzschi­ld habe und mein Privatlebe­n sehr genieße – dass mich da keiner kennt.“Es habe ein bisschen gedauert, sich mit dem Gedanken anzufreund­en. Denn Jones geht es bei ihrem Buch nicht nur um Unterhaltu­ng, sondern auch um Mut. „Der Hauptanrei­z dieses Buches ist, in ein anderes Leben einzutauch­en. Aber auch daraus lernen zu können, dass Mut wichtig ist, dass man an sich selbst glaubt und sich sein Leben nicht von außen diktieren lässt.“Auch psychische Probleme spricht sie offen an und wirbt dafür, dass man sich Hilfe suchen soll.

 ??  ?? Olivia Jones geht es in ihrer Biografie nicht nur um Unterhaltu­ng, sondern auch um Mut.
FOTO: BRANDT/DPA
Olivia Jones geht es in ihrer Biografie nicht nur um Unterhaltu­ng, sondern auch um Mut. FOTO: BRANDT/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany