Rehlinger verteidigt Pläne zur Ansiedlung von SVolt
Die Wirtschaftsministerin ist überzeugt: Der Bau der Batteriezellenfabrik von SVolt in Überherrn ist wichtig für die Zukunft der Saar-Industrie.
Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) erklärt im SZ-Interview, warum die geplante Ansiedlung des Batterieherstellers SVolt aus ihrer Sicht entscheidend für die Zukunft des Landes ist.
Frau Rehlinger, die Saarlouiser Bürger haben für die Erweiterung des Industriegebiets Lisdorfer Berg gestimmt. In Überherrn brachten Ortsund Gemeinderat das Verfahren für die weitere Planung der Batteriezellfabrik der chinesischen Firma SVolt auf den Weg. Wie wichtig sind diese Entscheidungen?
REHLINGER Dabei geht es um die Zukunft des Saarlandes als Industrieland und viele Arbeitsplätze. Die Richtungsentscheidung „Lisdorfer Berg“hat gezeigt, dass es für die Industrie im Saarland eine breite Mehrheit gibt. Beide Abstimmungen sind konkrete Anlässe, an denen sich zeigt, ob Sonntags-Reden und Montags-Handeln bei dem einen oder anderen Politiker übereinstimmen.
Sie spielen auf Überherrn an. Im Ortsrat waren fünf SPD-Räte für den Start des Bebauungsplan-Verfahrens, drei CDUler und eine Grünen-Rätin dagegen. Im Gemeinderat votierte eine rot-grüne Mehrheit von 17 Stimmen dafür, CDU, Linke und ein Ratsmitglied der Grünen, insgesamt 13 Räte, enthielten sich.
REHLINGER Ich bin froh, dass dank SPD und Grünen die Mehrheiten gestanden haben. Sonst hätte diese bundesweit beachtete Ansiedlung bereits jetzt tot sein können. Kein Ratsmitglied hat sich die Entscheidung einfach gemacht, denn alle müssen ihren Nachbarn, Freunden und Familien Rede und Antwort stehen. Aber eben auch denjenigen, die nach einem Job suchen. Deshalb bin ich ein bisschen schockiert über das Verhalten der CDU. Sie hat sich weggeduckt.
Eine Enthaltung in einer so entscheidenden Frage für die Zukunft unseres Landes ist keine Haltung. Wir brauchen Haltung und Mut genau dann, wenn es konkret wird.
Warum sollten die Politiker – vor Ort – für die SVolt-Fabrik eintreten?
REHLINGER SVolt ist die wichtigste unternehmerische Leitinvestition seit Ford. Wir bekommen damit den Fuß in die Tür, damit wir bei der Elektromobilität in der ersten Liga mitspielen, in der wir beim Verbrenner schon lange sind und beim Wasserstoff ebenfalls sein wollen. Die Interessen von Natur und Umwelt und der Anwohner müssen dabei unbedingt berücksichtigt werden – dafür ist das förmliche Verfahren da, das jetzt zum Glück starten kann.
Ein wichtiges Pro-Argument liegt in den 2000 Jobs, die SVolt schaffen will. Und es ist von wenigstens 1000 Stellen bei Zulieferern die Rede. Projektgegner bezweifeln die Zahlen.
REHLINGER Es gibt ja bereits eine Produktionsstätte und Erfahrungen in China, da kann man schon hochrechnen. 2000 Arbeitsplätze zu bekommen, plus die Chance, ein Zukunftsfeld zu erschließen, ist doch kein Kleinkram. Der Hochlauf der Elektromobilität lässt den Markt explodieren. An dieser Erfolgsgeschichte wollen wir teilhaben, auch mit Zulieferbetrieben.
Nicht wenige Bürger in Überherrn machen sich Sorgen. Fragen stehen im Raum, zum Beispiel zu Emissionen, Verkehrsbelastung und Wasserverbrauch.
REHLINGER Es ist richtig, dass diese Fragen gestellt werden. Wenn man belastbare Antworten möchte, muss man aber ins Verfahren reinkommen, wie es die Räte beschlossen haben. Dieses Verfahren ist die formal am besten abgesicherte Möglichkeit der Bürgerbeteiligung. Vor allem, wenn es um Ängste geht, wie viel Verkehr entsteht, wie bestimmte Stoffe gelagert werden müssen, wie das Thema Emissionen behandelt wird. Zu all dem wird es jetzt Gutachten geben. Ich bin sehr dafür, dass man das Verfahren mit großer
Transparenz und maximaler Beteiligung der Bürger vor Ort durchführt – nicht mit dem Ziel, das Projekt zu Fall zu bringen, sondern es bestmöglich zu realisieren.
Wäre es nicht möglich gewesen, das Batteriezellen-Werk beim früheren Kraftwerk Ensdorf anzusiedeln, wie es Hubert Ulrich, der Chef der Saarlouiser Grünen, vorschlug?
REHLINGER Hubert Ulrich hat erstmal das Ford-Werk in Saarlouis schon geistig beerdigt. Ein Schlag ins Gesicht für Tausende Beschäftigte. Wir haben keine andere Fläche, die kurzfristig verfügbar ist und den Anforderungen von SVolt entspricht. In Ensdorf stünden zeitnah nur 15 Hektar zur Verfügung, und da steht noch ein altes Kraftwerk und ein Umspannwerk. Wir haben Ensdorf aber in den Masterplan für künftige Industrieflächen aufgenommen, wie in den letzten 20 Jahren bereits 19 derartige Flächen revitalisiert wurden. Darüber hinaus wird es für die Fläche in Überherrn einen ökologischen Ausgleichsplan geben, durch Aufforsten zum Beispiel.
Was würde ein Scheitern des Batteriezellen-Projekts bedeuten?
REHLINGER Damit wäre das Saarland als Industrieland nicht gefährdet, aber eine Chance, die Strukturwandel-Erfolgsgeschichte fortzusetzen, wäre weg. Es wäre auch ein Signal, dass die Autoindustrie hier nicht mehr willkommen ist. Die Chancen, die man hat, sollte man versuchen zu ergreifen.
Ein Dauerthema beim Strukturwandel ist die Zukunft der Stahlindustrie – weil Fortschritte ausbleiben.
REHLINGER Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte letztes Jahr in Dillingen versprochen, dass er die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzt, um faire europäische Wettbewerbsbedingungen für den Stahl zu erreichen. Und er wollte in dieser Legislaturperiode die Verteilung von Investitionsmilliarden klären. Passiert ist absolut nichts. Herr Altmaier bricht seine Versprechen gegenüber der Stahlindustrie und seiner Heimat, dem Saarland. Für mich ist das nicht hinnehmbar, mein industriepolitisches Rückgrat ist noch immer aus Stahl. Die Untätigkeit führt dazu, dass Abwanderungsgedanken in der deutschen Stahlindustrie stärker werden.
Beim Strukturwandel wird stark auf die Themen Auto und Stahl geschaut. Sind nicht andere Bereiche wie etwa IT für die Zukunft noch wichtiger?
REHLINGER Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen. Denn Strukturwandel bedeutet, die Branchen, die man hat, weiterzuentwickeln, aber auch die Wirtschaft im Saarland breiter aufzustellen. Deshalb müssen wir über die Zukunft der Auto- und Stahlindustrie reden, aber genauso intensiv über Themen wie IT und IT-Sicherheit, in denen wir super innovativ sind.
„Die CDU hat sich
weggeduckt.“
Anke Rehlinger (SPD)
Wirtschaftsministerin des Saarlandes