Kritik an Saar-Ministerin nach Äußerung zu Grundrechten
Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) eckt mit ihrer Äußerung an, Geimpfte und Genesene von den Einschränkungen der Grundrechte teilweise zu befreien, sei ein Dank der Regierung. Umstritten ist das auch in ihrer eigenen Partei.
(ter) Die Fraktionen im Saar-Landtag haben sich am Montag über eine Äußerung der saarländischen Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) empört gezeigt. Die hatte im Interview mit dem Saarländischen Rundfunk die Lockerungen für Geimpfte und vollständige Genesene, die seit Montag gelten, als „Dankeschön“der Landesregierung bezeichnet. SPD, Linke und AfD kritisieren Bachmann für diese Wortwahl. Grundrechte seien „unveräußerlich“und kein Dank der Regierung. Selbst die CDU widersprach der Ministerin deutlich.
„Die Menschen entbehren ja auch vieles. Deshalb sagen wir Dankeschön. Und für dieses Dankeschön geben wir ein Stück Grundrecht zurück. Geimpfte und Genese haben am Montag ein Stück Freiheit in ihren Grundrechten mehr.“Das sagte Saar-Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) am Freitag in einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunk. Wird ihr diese Äußerung zum Verhängnis? Zumindest war am Montag die Empörung bei den Fraktionen im saarländischen Landtag groß.
Am Freitag hatte die Saar-Landesregierung in einer außerordentlichen Ministerratssitzung Erleichterungen für vollständig Geimpfte sowie Genesene beschlossen. Für diese Personengruppen entfällt ab diesem Montag die Testpflicht zum Beispiel beim Friseurbesuch oder beim Betreten von Geschäften außerhalb des täglichen Bedarfs – sofern sie keine typischen Covid-Symptome haben. Auch für Bewohner in Pflegeheimen wird die Testpflicht gelockert (wir berichteten). Darauf angesprochen, äußerte Bachmann den Satz, der nun vielen sauer aufstößt. Zwar haben laut Robert-Koch-Institut bis einschließlich Sonntag 309 836 Saarländer
(31,4 Prozent) ihre erste Impfung erhalten – womit das Saarland bundesweit an der Spitze ist –, und 87 188 Saarländer (8,8 Prozent) sind vollständig geimpft. Der Großteil der Bevölkerung hat bislang aber noch kein Impf-Angebot bekommen – und kommt somit noch nicht in den Genuss dieses „Dankeschöns“.
Eine „völlig verunglückte Wortwahl“, sagte Ulrich Commerçon, SPD-Fraktionschef im Landtag. „Eine Regierung gewährt nicht als Dankeschön Grundrechte.“Die jüngste Äußerung sei nicht der „erste Fehler“von Bachmann. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) müsse seine Personalwahl abwägen – „auch wenn es sich innerhalb einer Koalition nicht gehört, Vorschriften zu machen“.
Das Dankeschön müsse er „aufs Schärfste zurückweisen“, betonte Linken-Politiker Jochen Flackus. „Das ist kein Umgang mit den Bürgern. Es geht nicht um Geschenke, die verteilt werden.“Bachmann scheine nicht zu begreifen, dass der Umgang mit den Gruppen – Geimpfte, Genesene und Getestete – eine „sehr sensible Debatte ist“. Wie man schafft, dass keine Ungerechtigkeiten entstünden. Flackus bittet Ministerpräsident Hans, die „Kommunikations-Wirrungen, die immer wieder aus dem Gesundheitsministerium kommen, zu richten. Es reicht so langsam mit den Pannen.“
„Entsetzt“ist auch die AfD-Fraktion und wirft Bachmann vor, „gönnerhaft“zu sein. Fraktionschef Josef Dörr bezweifelt, dass ein Dankeschön „bei jemandem, der erkrankt war“, gut ankomme. Geimpfte hätten seiner Ansicht nach bislang „nur Glück gehabt, dass sie sich haben impfen lassen dürfen“. Die Äußerung Bachmanns sei am Ende „eine Ungeschicklichkeit mindestens“, so Fraktionsvize Rudolf Müller. Und auch von der AfD gab es den Appell an den Regierungschef dafür zu sorgen, „dass seine Truppe arbeitsfähig bleibt und gute Arbeit schafft“.
Selbst die CDU-Fraktion scheint mit der Wortwahl ihrer Parteikollegin nicht ganz glücklich. Stefan Thielen, parlamentarischer Geschäftsführer, erklärte zunächst noch zurückhaltender, dass „wir natürlich dankbar sind für alle, die sich an die Einschränkungen gehalten haben“. Dankbar für alle, „die diesen Weg mitgegangen sind“. Die Einschränkungen der Grundrechte würden nach und nach zurückgenommen. Ziel sei, möglichst schnell für möglichst alle diese Einschränkungen zurückzunehmen. Letztlich gab er allerdings zu: „Das ist eine Selbstverständlichkeit für uns, wenn es die Infektionslage es zulässt – und kein Dankeschön“.
Die Saar-Jusos werfen der Gesundheitsministerin „klaffende Wissenslücken und ein fragwürdiges Rechtsverständnis“vor. „Wir alle haben in der Pandemie verstanden, dass Grundrechte aufgrund der Pandemie und zwecks Gesundheitsschutz aller, eingeschränkt werden können, sofern die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist“, sagte Landesvorsitzende Kira Braun. „Nun so zu tun, als sei die uneingeschränkte Wahrnehmung aller Grund- und Freiheitsrechte durch Geimpfte und Genese ein ‚Dankeschön’ der Regierung, ist höchst problematisch und entspricht nicht unserer Verfassung. Grundrechte sind kein Geschenk, sondern gesetzlich garantiert. Das sollte die Gesundheitsministerin Bachmann auch wissen.“
Es ist nicht die erste Schlappe für die Gesundheitsministerin. Vergangene Woche korrigierte sie ihre umstrittene Entscheidung aus der Vorwoche und veröffentlicht nach massiver Kritik in sozialen Medien wieder täglich Corona-Zahlen. Ende März wurde sie kritisiert, als sie verkündet hatte, eine Sonderlieferung mit Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer „primär in saarländischen Unternehmen mit vielen Grenzgängern und Pendlern“verimpfen zu lassen. Ministerpräsident Hans kassierte diesen Vorschlag kurz darauf. Im Februar hatte die Ministerin im
Plenum Ärzten eine fehlende Impfbereitschaft unterstellt. Zuvor waren 100 Impf-Termine geplatzt. Es stellte sich jedoch heraus, dass ihr Haus für Pannen bei der Impftermin-Vergabe verantwortlich war. Offenbar hatten einige Saarländer gleich mehrere Einladungen zur Impfung erhalten. Die Saar-Linken hatten daraufhin den Rücktritt der Ministerin gefordert. Auch das sogenannte Windhund-Verfahren Ende Dezember hatte für viel Kritik gesorgt. Nachdem das Ministerium die ersten 17 000 Impftermine über das umstrittene Prinzip vergeben hatte, stoppte Ministerpräsident Hans das Verfahren und führte am 11. Januar 2021 eine Liste ein, auf die sich jeder eintragen konnte, der in Prioritätsgruppe 1 war.
„Eine Regierung gewährt nicht als Dankeschön Grundrechte.“
Ulrich Commerçon SPD-Fraktionschef im saarländischen Landtag