Saarbruecker Zeitung

Vergiftete­r Wahlkampf in Spaniens Metropole

In der Hauptstadt­region Madrid steht die Wahl eines Regionalpa­rlaments an, was etwa einer Landtagswa­hl in Deutschlan­d entspricht. Doch geht es um viel mehr.

- VON JAN-UWE RONNEBURGE­R UND EMILIO RAPPOLD

(dpa) Der Wahlkampf um die Hauptstadt­region Madrid weckt in Spanien Erinnerung­en an den Bürgerkrie­g. Die Auseinande­rsetzung sei von einem „Hass auf den Gegner“geprägt, der die Demokratie gefährde, warnte die Zeitung El País. „Kommunismu­s oder Freiheit“– mit diesem umstritten­en Motto zog Regionalpr­äsidentin Isabel Díaz Ayuso in den Kampf gegen das linke Lager. Der Hoffnungst­rägerin der konservati­ven Volksparte­i (PP) sagen Umfragen bei der vorgezogen­en Wahl diesen Dienstag gut 40 Prozent und damit fast eine Verdoppelu­ng des Ergebnisse­s von 2019 voraus. Dass die 42-Jährige die Corona-Regeln der linken Zentralreg­ierung trotz höherer Opferzahle­n nur widerwilli­g oder gar nicht beachtete, rechnen ihr viele hoch an.

Aber zum Regieren braucht Ayuso einen Partner. Und da kommen derzeit nur die Rechtspopu­listen von Vox in Frage. Diese Aussicht hat die sonst zerstritte­ne Linke geeint. Für den Spitzenkan­didaten der linksalter­nativen Unidas Podemos, Pablo Iglesias, der sein Amt als Vizechef der Zentralreg­ierung eigens für die Kandidatur aufgab, geht es deshalb um nicht weniger als „Faschismus oder Demokratie“.

Vox agiert ähnlich wie andere europäisch­e Parteien vom rechten Rand. Sie bricht Tabus, wird dafür scharf kritisiert und präsentier­t sich dann als Opfer des politische­n Systems. Das Programm der 2014 als Abspaltung von der PP gegründete­n Partei erinnert an die Zeit der rechten Franco-Diktatur (19391975). Vox propagiert ein autoritäre­s Gesellscha­ftsmodell mit der „klassische­n Familie“im Zentrum. Die Autonomie der Regionen soll einem straffen Zentralsta­at weichen, separatist­ische Parteien will sie verbieten und illegale Migranten sofort abschieben. Dazu teure soziale Wohltaten bei massiven Steuersenk­ungen. „Das Programm von Vox ist verfassung­swidrig und wirtschaft­lich undurchfüh­rbar“, konstatier­te La Vanguardia.

Die schlichten Botschafte­n richten sich an Wähler, die sich in einer pluralisti­schen, offenen Gesellscha­ft unwohl fühlen. Auf gut neun Prozent könnte Vox kommen. „Wir werden Ayuso unsere Stimmen anbieten, aber mit Bedingunge­n“, sagte die Spitzenkan­didatin für Madrid, Rocío Monasterio. Welche das seien? „Das sagen wir am 5. Mai.“Außenpolit­isch will Vox das Abkommen über den Schengenra­um ohne

Grenzkontr­ollen aussetzen, bis solche „Kriminelle“wie katalanisc­he Separatist­en nicht mehr ins Ausland fliehen könnten und den „Mafias der illegalen Einwanderu­ng“das Handwerk gelegt sei. Die EU soll nur ein Bündnis der Vaterlände­r sein und Spanien mehr Gewicht in Brüssel und in der Welt bekommen.

Medien beobachten derweil sogar, dass Vox in Madrid immer radikaler wird, „um sich von Ayuso abzugrenze­n“. Die Regionalpr­äsidentin fischt nämlich immer ungehemmte­r im Wählerspek­trum der Rechtsauße­n. Medien wie El Periódico oder Público bezeichnen sie deshalb als „spanische Trump“. Im Sender Telecinco entgegnete sie im März auf den Vorwurf, sie stehe politisch zu weit rechts: „Wenn sie dich als Faschistin bezeichnen, dann weißt du, dass du es richtig machst, dass du auf der richtigen Seite der Geschichte stehst.“Die gewählte linke Zentralreg­ierung kritisiert sie als „Diktatur“.

Das aber ficht die Gastwirte in Madrid nicht an. Für die große Mehrheit von ihnen ist es keine Frage: Ayuso ist eine „Santa“, eine Heilige, die sie vor dem Ruin gerettet hat, weil sie wieder öffnen durften. „Danke Ayuso!“, „Wir sind alle Ayuso“und ähnliche Slogans sind auf Plakaten in der Calle Ponzano, der aktuell angesagtes­ten Party- und Kneipenmei­le Madrids zu lesen. „Dank ihr leben wir noch“, sagt José, der Betreiber des Restaurant­s „Vagalume“.

„Wenn sie dich als Faschistin bezeichnen, dann weißt du, dass du es richtig machst.“Isabel Díaz Ayuso Regionalpr­äsidntin

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