So sehr zermürbt Corona die Saarländer
Forscher der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes zeigen mit der Studie „Covid Saar“, wie sehr Corona die Saarländer angreift: Die Ergebnisse sind besorgniserregend.
Die Saarländer sind Corona-müde. Mehr als drei Viertel wollen endlich wieder unbeschwert leben können. Das zeigt eine neue Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) namens „Covid Saar“.
Ein Team von Wissenschaftlern um Marketing-Professorin Tatjana König arbeitet seit Monaten daran. Jetzt liegen die ersten Zwischenergebnisse vor. Die Saarländer gehen demnach ohne große Hoffnungen in die Zukunft. Mehr als drei Viertel gehen davon aus, dass die Pandemie ihr Leben langfristig beeinflussen wird. „Unsere Studie begann im Sommersemester 2020 unter den Studenten der HTW. Wie sehr Corona sich auf das Lebensgefühl der Studenten auswirkte, habe ich schnell gespürt“, erinnert sich König. „Auch wenn Menschen nicht am Virus erkrankten, erkrankten viele durch die Umstände, die es noch immer aufzwingt“, sagt König.
König und ihr Team aus Wissenschaftlern, das Studenten des Masterstudiengangs Marketing-Science unterstützen, wollen wissen, wo, wie und mit welcher Konsequenz das Virus auf die Saarländer wirkt. Gemeinsam erarbeiten sie einen Katalog an Fragen. Ihre erste Befragungswelle starten die Forscher im Frühjahr 2020. Erste Schwierigkeit: Wie die
Menschen erreichen, die auf Abstand bleiben müssen? „Wir richteten ein Online-Befragungstool mit unseren Fragen ein, das sowohl am PC als auch am Smartphone als App nutzbar ist“, erklärt König. Es klappt, über Mundpropaganda und Hinweise in den Sozialen Medien werden viele auf die Befragung aufmerksam. Jetzt zum Ende der zweiten Befragungswelle sind es 1200 Saarländer, die auf die Fragen der Forscher geantwortet haben, allesamt im Alter von 18 bis 73 Jahren.
„In der ersten Pandemie-Phase bis zum Sommer 2020 konnten wir bei den Befragten nur einen leichten Rückgang der Lebenszufriedenheit feststellen“, sagt König. Es zeigte sich, dass Frauen stärker leiden als Männer. Und Eltern mehr als Kinderlose. „Zu der Zeit nahm die Belastung von Frauen im Haushalt zu“, erklärt König. „Und Familien waren wegen fehlender Kita-Betreuung und der Umstellung auf Heimunterricht zusätzlich gefordert.“Innerhalb kürzester Zeit hätten viele Saarländer ihr Leben komplett umstellen müssen.
Die zweite Erhebung der Wissenschaftler ab Herbst 2020 bis in den Winter zeigt keine Besserung des Empfindens. Im Gegenteil. Mehr als die Hälfte der Saarländer fühlt sich wegen der Pandemie schlechter. Bei 60 Prozent der Befragten ist die Lebenszufriedenheit spürbar gesunken. Viele leiden unter Stressfaktoren, die ihre Lebenszufriedenheit negativ beeinflussen. Jungen Saarländern im Alter von unter 30 Jahren macht die Einsamkeit zu schaffen. Viele fühlen sich abgeschottet und isoliert von ihren Mitmenschen.
König und ihr Team rechneten zwar damit, dass auch bei den sogenannten systemrelevanten Personen im Saarland das Stresslevel steigen würde. Dass die Menschen aber auch immer stärker unter Einsamkeit leiden, hatten wir nicht auf dem Schirm, erklärt König: „Viele Saarländer stehen unter Dauerstress. Ausgleichsmöglichkeiten wie Reisen und gemeinsamer Sport sind weggefallen. Freizeit haben sie wenig bis keine.“
Während ein kleiner Teil der Menschen mit Wut und Frustration auf Corona reagiere, akzeptiere immer noch ein großer Teil die Einschränkungen des täglichen Lebens. „Wir sehen, dass gerade Berufstätige mit Kindern im Saarland zwar stark belastet sind, aber auch enorm viel leisten. Menschen in den mittleren Altersgruppen haben aber mehr Lebenserfahrung als die Jüngeren – gerade im Umgang mit Krisen. Die Enttäuschung über ein Tief ist daher bei ihnen oftmals geringer ausgeprägt als bei jüngeren Saarländern“, erklärt König. „Bei weiblichen Befragten unter 30 Jahren haben wir eine stärkere emotionale Belastung als in anderen Gruppen gemessen.“
Auch ihr Leben hat die Pandemie umgekrempelt. Ihre Kurse hält die Professorin jetzt online. Wie gut das, was sie lehrt ankommt, ist für König über die Distanz schwerer einschätzbar: „Bei der Online-Lehre fehlt einfach der direkte Kontakt zu den Studenten.“
Auch die Wissenschaftler stellt ihre Studie fortwährend vor neue Herausforderungen.
„In die dritte Befragungswelle im Mai wollen wir zum Beispiel Fragen zum Saarland-Modell integrieren: Sind die Saarländer froh über die Test-Strategie oder wäre ihnen ein harter Lockdown lieber gewesen?“Aber auch weitreichendere Fragen interessieren die Wissenschaftler: Ist die Widerstandsfähigkeit der Menschen im Saarland mit der Krise gewachsen? Und wie werden die Menschen die wiedergewonnene Freiheit nutzen?
Schon jetzt ist klar: Fast 80 Prozent der Saarländer gehen davon aus, dass die Pandemie ihr Leben langfristig beeinflussen wird. Und die Hälfte der Befragten sieht einen langfristigen Effekt der Pandemie für ihre Lebenszufriedenheit. Noch ist die Pandemie nicht überstanden. „Ich glaube, es hilft, das wertzuschätzen, was man hat. Was gut läuft. Wir alle haben bereits vieles in der Krise gemeistert und vieles aufgebaut“, sagt König. „Das verdient Anerkennung.“
„Wir alle haben bereits vieles in der Krise gemeistert.“
Tatjana König Marketing-Professorin
an der HTW