Hashtag „#Geile Stadt braucht geile Aktion“
Manchmal braucht es im besten Sinn Verrückte, um die Welt etwas schöner zu machen. Wolfram Jung ist so einer. Der just aus München heimgekehrte Fernsehmann hat sich eine charmante und für ihn sehr arbeitsreiche Aktion für „sein“Nauwieser Viertel ausgedach
kurz „#gsbga“. Der 41-jährige Journalist, Musiker und Fernsehautor schenkt seiner Heimat diese Aktion. Einfach so. Weil er die Stadt liebt und etwas tun will gegen die Tristesse in Pandemie-Zeiten. „Wir brauchen etwas, das Spaß macht und ein bisschen ablenkt.“
Wolfram Jung ist ein Zurückgekehrter, ein Sehnsuchts-Saarländer. „Saarbrücken ist viel liebenswerter als München“, sagt er. Immerhin zehn Jahre hat er unter anderem in der schnieken Bayern-Metropole verbracht. Und hat da eine ziemliche, kann man schon so sagen, Medien-Karriere hingelegt. Er war beim legendären Satire-Magazin „Quer“des Bayerischen Rundfunks, hat unter anderem mit dem Kabarettisten Max Utthof und dem Welterklärer Harald Lesch zusammengearbeitet. „Ich habe über Eminem-Konzerte in Detroit berichtet und bin mit meiner Kamera im Heli über New York geflogen.“
Das ganz große, weite Leben also. Aber jetzt? „Jetzt bin ich seit einem Jahr wieder in Saarbrücken. Weil ich München nie geliebt habe, Saarbrücken schon.“
Anfang 2020 zog der heute 41-Jährige zurück in seine alte Heimat, arbeitet hier wieder für den SR, wo seine Karriere als Gründungsmitglied von „Unser Ding“begann und wo er auch sicher manchem noch aus der Talk-Reihe „Reden mit. . .“in der Sparte 4 in Erinnerung ist.
Aber kaum war er zurück in der alten Heimat, die er übrigens auch deshalb liebt „weil ich gerne gut esse“, ging es auch schon los mit dem Corona-Desaster. Und das bekam er auch noch ziemlich ungebremst mit. Die
Hälfte der Familie, ebenso sein Lebensgefährte, arbeiten im Gesundheitswesen. Da saß die Pandemie mit am Esstisch sozusagen. „Ich hatte ein scheiß Jahr“, sagt Wolfram Jung ganz unverblümt.
Aber er ist keiner, der so schnell die gute Laune verlieren will. „Ich hatte die Wahl, entweder ich versinke in Depression oder ich gehe raus, um was zu tun“, sagt er. Arbeit hatte er mehr als genug. Existenziell im finanziellen Sinn waren seine Sorgen nicht. Aber er fand, er und der Rest der Welt brauchen „etwas Aufheiterung“.
Da traf es sich gut, dass der Medienmann
auch Musiker ist. Wer früher zum Beispiel öfter mal bei Konzerten im Juz Försterstraße war, wird sich noch an die Hip-Hoper Marflow MC erinnern und wahrscheinlich auch an die alte Pelzjacke von Wolfram Jungs Oma, mit der er da immer auf der Bühne stand und schwitzte. „Darauf werde ich bis heute angesprochen“, sagt Wolfram Jung und lacht.
Der Wieder-Saarbrücker setzte sich also hin und schrieb einen Song, eine poppige Liebeserklärung an seine Heimat mit dem Refrain: „Ich bin da, wo ich hingehör’, endlich wieder daheim. Endlich vollkommen überzeugt, so soll es sein. . .“. Zu dem Song gibt es – klar, der Mann ist Fernseh-Profi – einen stimmungsvollen Film vom Nauwieser Viertel.
Dieser Song begleitet nun die groß angelegte Kampagne „Geile Stadt braucht geile Aktion“. Unter dem Hashtag „#gsbga“wird es eine Spendenaktion, ein Crowdfunding, auf Startnext geben fürs Nauwieser Viertel. Für seine Wirtinnen und Wirte, für seine Künstlerinnen und Künstler. Viele haben schon mitgemacht, etliche werden noch dazu kommen.
Jazz-Sängerin Nika Jonsson oder der Gitarrist Thomas Blug sind dabei. Zippo Zimmermann von Savoy Truffle, „Freaky Jörn“, Etienne und
David von Lumbematz, Reggaerocker Oku, Dietmar Blume vom Theater im Viertel und Liedermacher Manuel Sattler: Die Liste ist schon lang und wird wohl noch länger werden. Sie alle singen und spielen mit beim Song oder lassen sich filmen vor ihrem Lieblingsort und werden die Aktion auf all ihren Social-Media-Kanälen
verbreiten.
Aber auch Nicht-Künstler, einfach alle, die das Nauwieser Viertel, seine Kneipen und seine Kultur lieben, sollen mitmachen. „Die Leute sollen sich vor ihren Lieblingsorten fotografieren und die Bilder posten.“Unter den Einsendern der originellsten Fotos werden 500 CDs mit dem Viertel-Lied (nebst Instrumental-Version zum Selbersingen) verteilt. Gesponsert wird deren Produktion von einem auch bei Viertelbewohnern sehr beliebten Supermarkt.
Ansonsten finanziert sich die Aktion bisher komplett aus ehrenamtlicher Begeisterung. Alle Beteiligten, alle Musikerinnen und Musiker, sind aus Spaß an der Freude dabei. Und Wolfram Jung, der berufsbedingt technisch gut ausgestattet ist, hat sämtliche Filme, alle Aufnahmen in Selbstausbeutung gemacht. „Ich will definitiv keinen Cent verdienen. Ich habe das Gefühl, das versaut sonst das Karma der ganzen Aktion“, sagt er entschieden.
Aber viele andere sollen profitieren. Im günstigsten Fall geht die Aktion durch die Decke und es kommt viel Geld fürs Viertel rein, für künftige Aktionen dort. Und vor allem: viel Werbung und gute Stimmung für alle, die da leben und arbeiten. „Und wenn ich mich mit der Aktion auf die Schnauze lege, hat jeder Laden wenigstens ein schönes Foto und ein schönes Video für seine Internet-Seite“, sagt Jung. Wer mal gesehen hat, wie der legendäre Pepe Angelini vom Restaurant „da Pepe“augenrollend wie ein Pirat mit dem Messer quer im Mund posiert – „Scharf darf auch“–, weiß, was er meint.