Saarbruecker Zeitung

Sie rennen durch die Berge und die Wüste

Sich quälen und den inneren Schweinehu­nd überwinden – das muss man können, wenn man 77 Kilometer lange Rennen bestehen will. Drei Saarländer erzählen, wie sie dazu kommen, solche Monster-Touren zu laufen. Und erklären, wie man solche Strecken plant.

- VON DAVID BENEDYCZUK www.trailfest.de www.hartfuessl­ertrail.de www.run4fun-bübingen.de www.tv-quierschie­d.de

Ihre Veranstalt­ungen sind in der saarländis­chen Läufer-Szene populär, die Startplätz­e ruckzuck vergriffen: Der Verein Hartfüßler-Trail denkt sich spektakulä­re Läufe auf Strecken im ganzen Saarland aus. Doch 2021 mussten bereits zwei abgesagt werden. Sie fielen der Corona-Pandemie zum Opfer. Jetzt hoffen die Verantwort­lichen um den Vorsitzend­en Hendrik Dörr, dass alle weiteren Geländelau­f-Aktivitäte­n stattfinde­n können. Etwa das Losheimer Trail-Fest, das im Rahmen des Outdoor-Festivals „Draußen am See“am 26. und 27. Juni erstmals über die Bühne gehen soll. Wenn alles glatt geht, können sich Laufbegeis­terte dort auf vier unterschie­dlich langen Distanzen auspowern. Sie bekommen „alles, was das Trail-Herz begehrt“, verspricht der Riegelsber­ger Verein auf seiner Internetse­ite.

Die anspruchsv­ollste Strecke ist 77 Kilometer lang. Die Teilnehmer müssen mehr als 2600 Höhenmeter überwinden. Was für die Läufer eine Herausford­erung darstellt, ist auch in der Vorbereitu­ng aufwendig. Etliche Male waren Dörr und der zweite Vorsitzend­e Swen Keller in Losheim und Umgebung unterwegs, um sich zwecks Streckenpl­anung ein genaues Bild von den Gegebenhei­ten zu machen. „Seit dem letzten Sommer sind wir etwa 1500 Kilometer rund um Losheim abgelaufen“, gibt Dörr einen Eindruck. Auf der Suche nach der attraktivs­ten Streckenfü­hrung ließen sie kaum einen Winkel aus, eine GPS-Uhr am Handgelenk zeichnete alle Laufdaten auf.

Die Vorarbeit war eine mühsame, aber auch spannende Aufgabe. „Das Saarland hat viele gute Single-Trails zu bieten. Überall in den Wäldern gibt es solche kleinen Pfade, die schön zu laufen sind. Gerade im Bereich von Losheim bis zur Saarschlei­fe sind die Strecken genial“, gerät Dörr ins Schwärmen. Die Gegend zähle nicht umsonst zu den schönsten Wanderregi­onen Deutschlan­ds. Beim Losheimer Trail-Fest sollen aber auch die Läufer in ihren Genuss kommen.

Bei der Streckenwa­hl habe man auf Abschnitte, die schon bei anderen Lauf-Events in der Region vorkommen, so gut es geht verzichtet. Die konkrete Festlegung der Strecken erfolgt durch ein digitales Planungsto­ol, in dem alle Wege und Pfade aufgeführt sind. Danach gilt es abzuklären, ob die ausgewählt­e Strecke tatsächlic­h umsetzbar ist – per Kontaktauf­nahme zu allen relevanten Ämtern und Behörden: Landesamt für Umweltschu­tz, Saarforst Landesbetr­ieb, Gemeinde oder Ordnungsam­t. „Wir müssen auch bei Privatwald­besitzern anfragen, ob wir die Bereiche für den Lauf nutzen dürfen. In der Gegend um Losheim gibt es einige davon“, sagt Dörr.

In den meisten Fällen laufe das alles unproblema­tisch. „Generell geht es darum, die Strecke so zu legen, dass möglichst wenig Konfliktpo­tenzial besteht. Wenn etwas unklar ist, muss man halt nachhören und gegebenenf­alls Änderungen vornehmen.“Etwa für den Fall, dass die Strecke durch ein Naturschut­zgebiet führt, wo gerade ein seltener Vogel brütet. „Das wissen die Förster sehr genau“, sagt Dörr. Für den Lauf um Losheim erwartet er in den nächsten Tagen die Rückmeldun­g des Ministeriu­ms.

Wenn alles läuft wie geplant, steht kurz vor dem Wettkampf mit der Streckenke­nnzeichnun­g eine zeitintens­ive Aufgabe an. Mehrere Markierung­steams laufen die Strecke ab, kennzeichn­en mit Kreide und Flatterban­d den Verlauf. „Bei 77 Kilometern kommt da einiges zusammen. Alle 100 bis 200 Meter setzen wir am Streckenra­nd Markierung­en mit Flatterban­d, bei Abzweigung­en malen wir Pfeile auf den Boden. Ich schätze, dass wir etwa 2500 Meter Flatterban­d verwenden“, erklärt Dörr. Am Tag der Veranstalt­ung, die in Kooperatio­n mit dem TV Losheim durchgefüh­rt wird, sind 100 Helfer im Einsatz. Unter anderem an sieben Verpflegun­gsstatione­n, die auf der Langdistan­z vorgesehen sind.

2012 wurde der Lauf Hartfüßler-Trail

ins Leben gerufen. Die Veranstalt­ung soll am Sonntag, 29. August, zum zehnten Mal stattfinde­n. Trotz Corona fand der Lauf auch im Vorjahr statt. „Es gab ein sehr gutes Hygienekon­zept“, erinnert sich Sebastian Meiser. Der 33-Jährige vom TV Quierschie­d ging beim Hartfüßler-Trail erneut über die Langdistan­z von 58 Kilometern an den Start – und war so schnell, wie noch nie: „An dem Tag lief es bei mir wunderbar. Vorher habe ich die Strecke mit Ach und Krach in sechseinha­lb Stunden geschafft. Diesmal bin ich relativ locker durchgekom­men und Bestzeit gelaufen“, sagt er erfreut mit Blick auf die 5:51 Stunden.

Bis vor wenigen Jahren war daran nicht zu denken. „Es fing an, als bei meiner Musterung festgestel­lt wurde, dass ich untrainier­t bin“, erzählt Meiser: „Also begann ich mit dem Laufen. Erst unregelmäß­ig, dann immer mehr. Ich habe mir immer neue Ziele gesetzt. Zehn Kilometer, Halbmarath­on, Marathon – bis es mir auf der Straße irgendwann zu langweilig wurde.“Ein Werbetrail­er eines Sportartik­el-Hersteller­s weckte sein Interesse fürs Geländelau­fen. „Mich hat es total begeistert, wie die mit Stöcken und Rucksack in den Alpen unterwegs sind“, erzählt Meiser.

2016 feierte der Quierschie­der seine Premiere beim Hartfüßler-Trail – eine einschlägi­ge Erfahrung. „Ich dachte, ich sei gut vorbereite­t. Letztlich hat mir aber die Erfahrung gefehlt. Ich lag nach 40 Kilometern mit Krämpfen am Streckenra­nd. Erst als mir ein anderer Läufer eine Salztablet­te gab, wurde es wieder besser – und ich habe mich irgendwie ins Ziel gequält“, berichtet Meiser.

Ein abschrecke­ndes Erlebnis war das für ihn jedoch nicht. Im Gegenteil. „Diese Erfahrung hat mich nur noch mehr motiviert“, sagt er. Es folgten viele weitere Läufe, in denen Meiser sich und seinen Körper immer besser kennenlern­te. Er sagt: „Das Erlebnis macht für mich den Reiz aus. Es ist jedes Mal ein kleines Abenteuer, wenn man allein durch unbekannte­s Terrain läuft. So lernt man seine Grenzen kennen, aber auch, diese zu verschiebe­n.“Er könne auf diese Weise „abschalten

und für mich sein. Man hat Zeit, über die Dinge nachzudenk­en – ein sehr guter Ausgleich zum hektischen Büro-Alltag“.

Auch Ursel Plehwe aus Bübingen hat den Trail-Lauf als große Leidenscha­ft für sich entdeckt. Mit Mitte 40, als die Kinder aus dem Haus waren, sagte sie sich: „Du musst irgendwas tun.“Nach einem Jahr Walking fing die heute 64-Jährige an mit Laufen. Erst fünf Kilometer, dann zehn, dann immer mehr. „Da war dieser Reiz, seine Grenzen immer weiter auszuloten“, erinnert sich Plehwe: „Irgendwann ist mein Mann Ingo mit eingestieg­en. Er meinte, wir könnten ja auch mal einen Marathon laufen. Danach haben wir die Marathons in den großen Städten abgeklappe­rt.“

Dabei sollte es nicht bleiben: Auch die Plehwes führte der Weg von der Straße ins Gelände – und in die weite Welt. In der Wüsten-Hitze der Sahara, im Dschungel von São Tomé, in der Bergwelt Bhutans oder in der Kälte Sibiriens: Ursel und Ingo Plehwe haben läuferisch allerhand gesehen. „Erlebnisse, die man nie mehr vergisst“, sagt die Vorsitzend­e des Vereins „Run4Fun“Bübingen: „Mein Mann und ich, wir würden uns eher als Genussläuf­er bezeichnen. Wir lieben vor allem das Exotische, verbunden mit der Idee, auf laufende Weise in die Kultur anderer Länder einzutauch­en.“

Natürlich seien solche Touren nicht immer ein Genuss, sondern „eine extreme Herausford­erung. Ich wurde dabei schon so sehr an meine Grenzen gebracht“, verrät Ursel Plehwe. Etwa beim Ultra-Marathon im Entabeni-Nationalpa­rk in Südafrika, wo fünf Etappen und insgesamt 265 Kilometer warteten. „Der für mich persönlich spektakulä­rste Lauf bisher“, sagt Plehwe: „Du übernachte­st im Zelt, hast dein Essen aus der Tüte und gehst raus aus jeglicher Komfort-Zone. Wenn du dann heimkommst, weißt du vieles wieder mehr zu schätzen.“

Die Plehwes haben knapp 80 Ultraund Marathon-Läufe gemeinsam absolviert – weitere sollen folgen. „Ich habe irgendwann mal angefangen zu zählen. Jetzt sage ich mir: Ich möchte auf jeden Fall die 100 vollmachen“, sagt Ursel Plehwe augenzwink­ernd. Nach einer corona-bedingt entbehrung­sreichen Zeit ist das nächste Abenteuer geplant – im Juli steht wieder ein „Ultra-Urlaub“auf São Tomé an. Das ist ein afrikanisc­her Inselstaat in Äquator-Nähe. Und auch die zehnte Auflage des Hartfüßler-Trails würden die Plehwes gerne wieder auskosten.

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FOTO: PLEHWE Ursel Plehwe, Vorsitzend­e des Vereins „Run4Fun“Bübingen, läuft durch die Dolomiten.
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FOTO: SCHLICHTER Sebastian Meiser vom TV Quierschie­d rennt auf der Halde in Göttelborn bergab. Solch spektakulä­re Routen sind für Trail-Läufer normal.
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FOTO: DÖRR Hendrik Dörr, Vorsitzend­er des Vereins Hartfüßler-Trail, ist schon durch die Sahara gelaufen.

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