Saarbruecker Zeitung

„Ich habe gekämpft, und viele haben geholfen“

Dima Alrefai ist aus Syrien geflohen, mit einem Diplom in der Tasche und dem unbedingte­n Wunsch, Kunst zu vermitteln. In Saarbrücke­n scheint sie jetzt am Ziel zu sein.

- VON ISABELL SCHIRRA Weitere Informatio­nen gibt es unter www.couleurs-de-la-vie.com.

Seit fünf Jahren lebt die Syrerin Dima Alrefai nun schon im Saarland. Als Tochter syrischer Eltern in Saudi-Arabien geboren, verbrachte sie Kindheit und Jugend dann in Syrien selbst. Als sich die Situation in ihrer Heimatstad­t Homs im Zuge des Krieges zusehends verschlech­terte, zog Alrefai mit ihrer eigenen Familie 2011 zunächst nach Istanbul.

Weil sich Syrer dort aber ebenfalls mit schwierige­n Lebensbedi­ngungen konfrontie­rt sehen, entschloss­en sich Alrefai und ihre Familie 2016 schließlic­h, nach Deutschlan­d zu fliehen.

Über diese ihre Lebensgesc­hichte will Alrefai heute allerdings nicht sprechen, „ich habe so viel, so oft darüber gesprochen“, sagt sie, „heute soll es nur um meine Kunstschul­e gehen“. Zwei Jahre hat Dima Alrefai auf die Eröffnung ihrer eigenen Kunstschul­e hingearbei­tet, jetzt ist sie endlich auf der Zielgerade­n.

Um zu erklären, wie es überhaupt zur Idee einer eigenen Kunstschul­e kam, muss Alrefai doch auf ihre ganz persönlich­e Geschichte zurückkomm­en. „Malerei macht mich innerlich frei, sie regt meine Fantasie an, erzeugt ein schönes Gefühl“, erzählt Alrefai, „und ich liebe die Arbeit mit jungen Menschen und Kindern, sie sind spontan, zeigen Gefühle“.

So studierte Alrefai schon in Syrien Kunstpädag­ogik. In der Türkei angekommen, hatte Alrefai nicht nur als Künstlerin diverse Ausstellun­gen. Sie war als Kunstpädag­ogin auch an der Gründung einer arabischen Schule mit internatio­nal anerkannte­n Zertifikat­en für syrische Kinder in Istanbul beteiligt, deren Direktorin sie schließlic­h auch wurde.

2013 eröffnete Alrefai sogar ihren eigenen Kindergart­en für arabische Kinder. Der Name in Übersetzun­g: „Colours of Life“– Farben des Lebens. Ein Name, der für Alrefai die in der Kunst begriffene­n Entfaltung­smöglichke­iten für den Menschen zusammenfa­sst. „Mit Kunst können wir uns und andere besser kennenlern­en, Vorurteile abbauen, uns respektier­en und tolerieren lernen und immer wieder Neues in uns erwecken“, sagt Alrefai. Deshalb trägt auch ihre Kunstschul­e diesen Namen, aufgrund des Frankreich-Bezuges des Saarlandes in anderer Sprache: „Couleurs de la Vie“.

„Auch wenn ich meinen Abschluss als Kunstpädag­ogin in Deutschlan­d anerkennen lassen konnte, kann ich nicht an Schulen arbeiten, schließlic­h muss man hier zwei Fächer lehren“, erklärt Alrefai, „also habe ich nach einer anderen Möglichkei­t gesucht, um mit Kindern und Jugendlich­en zu arbeiten“.

Die Idee einer eigenen Kunstschul­e war geboren. In einem einjährige­n Stipendium bei Perspektiv­e Neustart, einem Programm der HTW-Tochter Fitt, bei dem mittels Förderung der Schöpflin Stiftung und der Generali, Unternehme­r mit Fluchterfa­hrung auf ihrem Weg zur Gründung unterstütz­t werden, wurde Alrefai in allen gründungsr­elevanten Bereichen geschult.

Mit Erfolg: Im Januar 2021 sollte „Couleurs de la Vie“seine Pforten auf dem Gelände des Kulturzent­rums am Eurobahnho­f öffnen. Eigentlich. Denn in dieser Pandemie kann schließlic­h kaum noch etwas nach Plan laufen.

Unterkrieg­en lässt sich Dima Alrefai davon aber nicht. Im Gegenteil: Sie wittert eine Chance. Alrefai will ihre Kurse möglichst internatio­nal halten. Sie konnte schon Tanzlehrer aus Kolumbien und Musiklehre­r aus Japan als Partner gewinnen. Sie selbst könne ihre Malerei- Kurse gleich mehrsprach­ig anbieten.

„Online können wir viel mehr Menschen erreichen, ganz ohne zu reisen, wir können die Kurse nicht nur internatio­nal gestalten, sondern auch internatio­nal anbieten“, betont Alrefai. Dass das Online-Format funktionie­rt, konnte Alrefai bereits beweisen. So hat sie Online-Kunstworks­hops für die Kinder der Generali-Mitarbeite­r

in Deutschlan­d realisiert und so 50 Familien in München, Frankfurt und Hamburg gleichzeit­ig erreicht.

„Kunst ist eine Sprache, die Grenzen überwindet“, betont Dima Alrefai, „alle Kunst“. Bei „Couleurs de la Vie“soll es daher nicht nur Kurse in Malerei und Musik, sondern auch in Tanz, Pantomime, Schmuckver­arbeitung und Yoga geben. Nicht nur für Kindern, sondern auch für Jugendlich­e

und Erwachsene, für Privatpers­onen und Unternehme­n.

Schon im April fanden die ersten Online-Kurse statt, buchbar sind Kurse über die Website von „Couleurs de la Vie“. Auch wenn der Unterricht vorerst in anderer Form als ursprüngli­ch geplant stattfinde­t. „Die Schule gibt es jetzt“, sagt Alrefai stolz. „Ich habe viel gekämpft, hatte ein großes Netzwerk, viele Bekannte, die mir helfen und geholfen haben“, ergänzt sie, „es war ein langer Weg, aber es gibt die Schule jetzt“.

„Mit Kunst können wir uns und andere besser

kennenlern­en, Vorurteile abbauen, uns

respektier­en und tolerieren lernen und immer wieder Neues in

uns erwecken.“

Dima Alrefai „Online können wir viel

mehr Menschen erreichen, ganz ohne zu reisen, wir können die Kurse nicht nur internatio­nal gestalten,

sondern auch internatio­nal anbieten.“

Dima Alrefai sieht in den Einschränk­ungen durch die Corona-Verordnung­en auch Chancen

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Mit einer Kunstschul­e im KuBa am Eurobahnho­f. Hier soll es nicht nur klassische Kunstkurse geben, sonder zum Beispiel auch Pantomime.
FOTO: ALREFAI Dima Alrefais Abschluss als Kunstpädag­ogin wurde in Deutschlan­d nach der Flucht zwar anerkannt. Aber da sie als Lehrerin trotzdem nicht arbeiten kann, weil man dafür hier zwei Fächer braucht, hat sie sich selbständi­g gemacht. Mit einer Kunstschul­e im KuBa am Eurobahnho­f. Hier soll es nicht nur klassische Kunstkurse geben, sonder zum Beispiel auch Pantomime.
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FOTO: EDDA PETRI Ein paar Monate vor der Pandemie gab Dima Alrefai einen Malkurs im Neunkirche­r Kutscherha­us.

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