Kleines Luxemburg kommt auf Netflix mit Krimi-Serie groß raus
Netflix hat zum ersten Mal eine Luxemburger Serie eingekauft: In „Capitani“geht es um Sex, Drogen, ein totes Mädchen und einen knurrigen Kommissar. Sieben Dinge, die man über die international stark wahrgenommene Krimiserie der Nachbarn wissen sollte.
LUXEMBURG Wer hier in diesem Dorf nicht von Anfang an schweigt, der lügt zum Ausgleich umso dreister: Die zwölf Folgen der Krimiserie „Capitani“drehen sich um ein kleines Dorf im Norden Luxemburgs, in dem eine Jugendliche ermordet wurde. Ausgerechnet ein ortsfremder Polizist aus dem Süden will den verzwickten Fall im Ösling lösen. Die Produktion rangierte zwischenzeitlich unter den meistgesehenen Serien auf Netflix.
Worum geht es in „Capitani“
Kriminalkommissar Luc Capitani (Luc Schiltz) ist an seinem freien Tag im Dorf Manscheid unterwegs, als dort die 15-jährige Jenny Engel tot im Wald gefunden wird. Capitani, aus dem Süden des Landes, übernimmt den Fall. Unterstützt wird er von zwei jungen Polizisten aus dem Dorf – der engagierten Elsa Ley (Sophie Mousel) und dem gutgläubigen Joe Mores ( Joe Dennenwald).
Im Zuge der Ermittlungen muss sich das Trio mit Drogenhandel an der hiesigen Schule, Einschüchterungsversuchen des Bürgermeisters und einer mysteriösen Hütte im Wald, in dem das Militär umherstreift, beschäftigen. Und: Es soll in dem malerischen Dorf aber nicht bei einer Leiche bleiben.
Ist „Capitani“eine Art „Twin Peaks“auf Luxemburgisch
Jein. Parallelen finden sich zwar – es geht um Brüche in der scheinbar heilen bürgerlichen Fassade, einen ortsfremden, etwas speziellen Ermittler, Drogen, Sex und einen toten Teenager. Aber im Gegensatz zu „Twin Peaks“gibt es keine fantastisch-gruselige Atmosphäre.
Was macht die Serie besonders
Sie ist die erste Luxemburger Serie, die auf einer international erreichbaren Streamingplattform läuft und dann direkt beim Schwergewicht Netflix. Besetzt ist sie bis in die kleinste Nebenrolle mit Schauspielerinnen und Schauspielern aus dem Großherzogtum. Neben bekannten Namen spielen auch junge Talente. Gedreht wurde komplett in Luxemburg und auf Luxemburgisch, Netflix synchronisierte in mehrere Sprachen oder stellt Untertitel bereit. Auch die Macher, die Autoren, Produzenten und der Regisseur Christophe Wagner („Eng nei Zäit“), sind in Luxemburg verwurzelt.
Woran schwächelt „Capitani“
Bei dem natürlich löblichen Versuch, ein möglichst dichtes Beziehungsgeflecht der Bewohner von Manscheid zu flechten, jeder Figur einen Hintergrund zu geben und mehrere Spannungsbögen durch verschiedene Plots zu bauen, verhebt sich die Serie stellenweise. Gerade die ersten drei Episoden, in denen alle Figuren eingeführt werden, wirken überfrachtet. Auch werden Klischees bedient: Etwa der knurrige Kriminalkommissar, der tollpatschige Dorfpolizist oder der Autist, der natürlich Basecap trägt und am liebsten mit dem Lichtschalter spielt.
Wie viele moderne Krimiserien mit Regionalbezug wirkt sie durch die Ballung menschlicher Probleme und Laster unglaubwürdig und überfrachtet. So werden auch interessante Nebenplots, etwa um den Stress mit der Gemeindefusion, angerissen, um im Sande zu verlaufen. Und merkwürdig mutet an, dass die Serie die Mehrsprachigkeit des Landes beinahe komplett ausblendet – hier sprechen alle Luxemburgisch, niemand Deutsch, Französisch, Portugiesisch oder gar Italienisch. Immerhin: Die Darstellerinnen und Darsteller, oft gut oder sehr gut besetzt, helfen darüber hinweg.
Wie ist die Serie angekommen
„Capitani“wurde in Luxemburg schnell zum Quotenhit. Die Serie wurde dort im Herbst 2019 beim Koproduzenten RTL Lëtzebuerg erstausgestrahlt und brach die Quotenrekorde der fiktionalen Inhalte des Senders. Die Serie lief auf Luxemburgisch mit französischen und englischen Untertiteln und verleitete 147 500 Zuschauer zum Einschalten – das sind 29 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahre.
Mehr als 50 000 Nicht-Luxemburger, 22 Prozent der ausländischen Bevölkerung im Land, schauten auch zu. In einer Umfrage mit rund 1700 Teilnehmern gaben 95 Prozent der Befragten an, die Serie zu schauen, weil sie in Luxemburg spielt, 90 Prozent sprachen sich für eine Fortsetzung aus.
Lohnt sich das Zuschauen
Für Saarländer, die sich für Luxemburg interessieren, dort arbeiten (wollen) oder Luxemburgisch lernen (wollen), auf jeden Fall. An der Kulturszene Interessierte lernen viele bekannte Luxemburger Schauspielerinnen und Schauspieler kennen, mit denen es garantiert in folgenden Produktionen aus dem Großherzogtum – sei es Film, Fernsehen oder Theater – ein Wiedersehen gibt.
Mit 25 Minuten pro Folge ist die Serie kurzweilig und binge-watching-tauglich. Hartgesottene Krimifans hingegen laufen Gefahr, sich zu langweilen, ihnen könnte es an Action mangeln. Letztlich ist „Capitani“ein überspitztes Panoptikum einer stark verwobenen Mikrogesellschaft, deren Mitglieder sich verraten und decken, belügen und beschützen. Puristen und Realisten dürfte das zu starker Tobak sein.
29 % der Luxemburger Bevölkerung über 16 Jahre schaute die Serie „Capitani“2019.
RTL
Wie geht es weiter
Seit März läuft der Dreh der zweiten Staffel, diesmal soll sich der neue Fall vor allem in der Hauptstadt abspielen und seinen Ermittler Capitani ins Drogen- und Prostitutionsmilieu schicken. Ein Sendetermin wurde grob für das nächste Frühjahr angegeben.