Opposition übt Kritik am Umgang mit Wirecard
Im Ausschuss zum Fall Wirecard lässt die Opposition kein gutes Haar am Verhalten der Kontrollorgane.
FDP, Grüne und Linke haben das Verhalten von Wirtschaftsprüfern, Behörden und Ministerien im Wirecard-Skandal scharf kritisiert. Vor allem der Bafin und dem Finanzministerium werfen sie schwere Versäumnisse vor.
BERLIN (dpa) Sind Behörden und Bundesregierung Im Wirecard-Skandal trotz Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten nicht früh und konsequent genug eingeschritten? Das war die Kernfrage des Untersuchungsausschusses des Bundestags. Für die Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke ist das Ergebnis klar: Die Behörden hätten auf ganzer Linie versagt. SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz trage die politische Verantwortung.
Es habe „kollektive Versäumnisse“von Aufsichtsrat, Abschlussprüfern, Aufsichts- sowie Ermittlungsbehörden gegeben, heißt es in einem am Montag vorgelegten Sondervotum von FDP, Grünen und Linken zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Diese Erkenntnisse könnten nun in Sammelklagen von Kleinanlegern einfließen.
Scholz trage als Finanzminister die politische Verantwortung für das Versagen der Finanzaufsicht Bafin: „Statt nach Möglichkeiten zu suchen, um aufsichtsrechtlich tätig zu werden, suchte man nach Gründen, um nicht tätig zu werden“, heißt es in dem Schreiben.
Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im vergangenen Sommer eingestanden, dass in der Bilanz aufgeführte 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht von einem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“aus – und zwar seit dem Jahr 2015. Der Bilanzskandal hatte für hohe Schäden bei Anlegern gesorgt, weil die Aktie in der Folge abgestürzt war.
Der Untersuchungsausschuss sollte untersuchen, ob staatliche Aufsichtsbehörden und die Bundesregierung zu wenig unternommen haben, um Verdachtsfällen bei Wirecard früher und entschiedener nachzugehen.
FDP-Obmann Florian Toncar sagte am Montag, Behörden hätten zwingend früher einschreiten müssen, auch die Regierung habe versagt. Die Grünen-Politikerin Lisa Paus sagte: „Es war milliardenschweres Behördenversagen.“Linke-Obmann Fabio De Masi sagte, es habe bei Aufsichtsbehörden nicht nur eine „Schlafmützigkeit“gegeben, sondern sie hätten zugunsten eines „deutschen Börsenwunders“Partei ergriffen.
Die Finanzaufsicht Bafin steht vor allem wegen einer Maßnahme in der Kritik. Sie hatte im Februar 2019 ein sogenanntes Leerverkaufsverbot erlassen – also Spekulationen auf fallende Wirecard-Kurse untersagt. Der Vorwurf: Bei den Aktionären sei dadurch der Eindruck entstanden, bei Wirecard sei alles in Ordnung gewesen– obwohl es bereits Berichte über Unregelmäßigkeiten gab.
Dem Verbot vorausgegangen war ein Hinweis der Münchner Staatsanwaltschaft. Es habe Anhaltspunkte für eine Kampagne von Leerverkäufern gegeben. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei aber um eine „Räuberpistole“, wie es im Sondervotum heißt. Bafin und Staatsanwaltschaft hätten an das Narrativ „von der Wirecard als Opfer von bösen Marktmächten“geglaubt – und das Finanzministerium habe nichts unternommen.
Massive Kritik wird in dem Sondervotum außerdem an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY geäußert, die Wirecard-Bilanzen unzureichend geprüft haben soll. EY habe dem gesamten Berufsbild schweren Schaden zugefügt.
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses ist zwar noch nicht vorbei, an diesem Dienstag sind erneute Zeugenbefragungen geplant. Die wesentlichen Ergebnisse stehen aber fest. Dabei das Gremiums nicht unumstritten, auch weil wenig Zeit war. Der Ausschuss nahm erst Anfang Oktober 2020 seine Arbeit auf, Ende Juni beginnt die parlamentarische Sommerpause, im September wird ein neuer Bundestag gewählt.
Unumstritten ist aber nun, dass die Abgeordneten viel Licht ins Dunkel gebracht haben, etwa in die Rolle der Bafin und von EY. Toncar sagte, ihn habe rückblickend am meisten überrascht, wie viele Hinweise es an Behörden gegeben habe, die ein Eingreifen bei Wirecard notwendig gemacht hätten.
Auch die Koalitionspartner SPD und Union sehen zwar schwere Versäumnisse im Fall Wirecard – vor allem aber bei EY. Zur Bafin heißt es in einem Entwurf des Abschlussberichts: „Nach geltendem Recht war die Durchführung einer eigenen Bilanzkontrolle bei der Wirecard AG durch die BaFin nicht möglich.“
Scholz selbst hatte als Zeuge vor dem Ausschuss jegliche Verantwortung für den Skandal zurückgewiesen. „Die Verantwortung für diesen großangelegten Betrug trägt nicht die Bundesregierung“, hatte der Finanzminister gesagt. In dem Unternehmen sei offensichtlich mit hoher krimineller Energie gehandelt worden.
„Statt nach Möglichkeiten zu suchen, um aufsichtsrechtlich tätig zu werden, suchte man nach Gründen, um nicht tätig zu werden.“
Sondervotum von
FDP, Grünen und Linken