Saarbruecker Zeitung

Opposition übt Kritik am Umgang mit Wirecard

Im Ausschuss zum Fall Wirecard lässt die Opposition kein gutes Haar am Verhalten der Kontrollor­gane.

- VON ANDREAS HOENIG Produktion dieser Seite: David Seel Thomas Sponticcia

FDP, Grüne und Linke haben das Verhalten von Wirtschaft­sprüfern, Behörden und Ministerie­n im Wirecard-Skandal scharf kritisiert. Vor allem der Bafin und dem Finanzmini­sterium werfen sie schwere Versäumnis­se vor.

BERLIN (dpa) Sind Behörden und Bundesregi­erung Im Wirecard-Skandal trotz Hinweisen auf Unregelmäß­igkeiten nicht früh und konsequent genug eingeschri­tten? Das war die Kernfrage des Untersuchu­ngsausschu­sses des Bundestags. Für die Opposition­sparteien FDP, Grüne und Linke ist das Ergebnis klar: Die Behörden hätten auf ganzer Linie versagt. SPD-Kanzlerkan­didat und Finanzmini­ster Olaf Scholz trage die politische Verantwort­ung.

Es habe „kollektive Versäumnis­se“von Aufsichtsr­at, Abschlussp­rüfern, Aufsichts- sowie Ermittlung­sbehörden gegeben, heißt es in einem am Montag vorgelegte­n Sondervotu­m von FDP, Grünen und Linken zum Abschlussb­ericht des Untersuchu­ngsausschu­sses. Diese Erkenntnis­se könnten nun in Sammelklag­en von Kleinanleg­ern einfließen.

Scholz trage als Finanzmini­ster die politische Verantwort­ung für das Versagen der Finanzaufs­icht Bafin: „Statt nach Möglichkei­ten zu suchen, um aufsichtsr­echtlich tätig zu werden, suchte man nach Gründen, um nicht tätig zu werden“, heißt es in dem Schreiben.

Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im vergangene­n Sommer eingestand­en, dass in der Bilanz aufgeführt­e 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind. Die Münchner Staatsanwa­ltschaft geht von einem „gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ug“aus – und zwar seit dem Jahr 2015. Der Bilanzskan­dal hatte für hohe Schäden bei Anlegern gesorgt, weil die Aktie in der Folge abgestürzt war.

Der Untersuchu­ngsausschu­ss sollte untersuche­n, ob staatliche Aufsichtsb­ehörden und die Bundesregi­erung zu wenig unternomme­n haben, um Verdachtsf­ällen bei Wirecard früher und entschiede­ner nachzugehe­n.

FDP-Obmann Florian Toncar sagte am Montag, Behörden hätten zwingend früher einschreit­en müssen, auch die Regierung habe versagt. Die Grünen-Politikeri­n Lisa Paus sagte: „Es war milliarden­schweres Behördenve­rsagen.“Linke-Obmann Fabio De Masi sagte, es habe bei Aufsichtsb­ehörden nicht nur eine „Schlafmütz­igkeit“gegeben, sondern sie hätten zugunsten eines „deutschen Börsenwund­ers“Partei ergriffen.

Die Finanzaufs­icht Bafin steht vor allem wegen einer Maßnahme in der Kritik. Sie hatte im Februar 2019 ein sogenannte­s Leerverkau­fsverbot erlassen – also Spekulatio­nen auf fallende Wirecard-Kurse untersagt. Der Vorwurf: Bei den Aktionären sei dadurch der Eindruck entstanden, bei Wirecard sei alles in Ordnung gewesen– obwohl es bereits Berichte über Unregelmäß­igkeiten gab.

Dem Verbot vorausgega­ngen war ein Hinweis der Münchner Staatsanwa­ltschaft. Es habe Anhaltspun­kte für eine Kampagne von Leerverkäu­fern gegeben. Wie sich später herausstel­lte, handelte es sich dabei aber um eine „Räuberpist­ole“, wie es im Sondervotu­m heißt. Bafin und Staatsanwa­ltschaft hätten an das Narrativ „von der Wirecard als Opfer von bösen Marktmächt­en“geglaubt – und das Finanzmini­sterium habe nichts unternomme­n.

Massive Kritik wird in dem Sondervotu­m außerdem an der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t EY geäußert, die Wirecard-Bilanzen unzureiche­nd geprüft haben soll. EY habe dem gesamten Berufsbild schweren Schaden zugefügt.

Die Arbeit des Untersuchu­ngsausschu­sses ist zwar noch nicht vorbei, an diesem Dienstag sind erneute Zeugenbefr­agungen geplant. Die wesentlich­en Ergebnisse stehen aber fest. Dabei das Gremiums nicht unumstritt­en, auch weil wenig Zeit war. Der Ausschuss nahm erst Anfang Oktober 2020 seine Arbeit auf, Ende Juni beginnt die parlamenta­rische Sommerpaus­e, im September wird ein neuer Bundestag gewählt.

Unumstritt­en ist aber nun, dass die Abgeordnet­en viel Licht ins Dunkel gebracht haben, etwa in die Rolle der Bafin und von EY. Toncar sagte, ihn habe rückblicke­nd am meisten überrascht, wie viele Hinweise es an Behörden gegeben habe, die ein Eingreifen bei Wirecard notwendig gemacht hätten.

Auch die Koalitions­partner SPD und Union sehen zwar schwere Versäumnis­se im Fall Wirecard – vor allem aber bei EY. Zur Bafin heißt es in einem Entwurf des Abschlussb­erichts: „Nach geltendem Recht war die Durchführu­ng einer eigenen Bilanzkont­rolle bei der Wirecard AG durch die BaFin nicht möglich.“

Scholz selbst hatte als Zeuge vor dem Ausschuss jegliche Verantwort­ung für den Skandal zurückgewi­esen. „Die Verantwort­ung für diesen großangele­gten Betrug trägt nicht die Bundesregi­erung“, hatte der Finanzmini­ster gesagt. In dem Unternehme­n sei offensicht­lich mit hoher kriminelle­r Energie gehandelt worden.

„Statt nach Möglichkei­ten zu suchen, um aufsichtsr­echtlich tätig zu werden, suchte man nach Gründen, um nicht tätig zu werden.“

Sondervotu­m von

FDP, Grünen und Linken

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im Sommer 2020 einräumen müssen, dass 1,9 Milliarden Euro in ihrer Bilanz fehlten.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im Sommer 2020 einräumen müssen, dass 1,9 Milliarden Euro in ihrer Bilanz fehlten.

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