Experten fordern späteren Renteneintritt
Der Rentenbeitrag droht auf 23,6 Prozent zu steigen, zugleich sinkt das Rentenniveau auf 44,4 Prozent. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft ausgerechnet.
DÜSSELDORF Die Pandemie-Bekämpfung hat die Baustellen der Sozialversicherung in den Hintergrund treten lassen. Doch gerade bei der Rentenversicherung braut sich Unheil zusammen, wie aus dem „Generationen-Check“hervorgeht, den das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) am Montag veröffentlichte. Denn an grundlegenden Entwicklungen hat sich nichts geändert: Die Zahl der Rentner steigt, die der Beitragszahler sinkt. Die Folgen sind gravierend: „Der Beitragssatz wird ohne Reformen von aktuell 18,6 Prozent bis auf 23,6 Prozent im Jahr 2060 klettern“, schreiben die Autoren Jochen Pimpertz und Ruth Maria Schüler. Das belastet Arbeitnehmer und Betriebe.
Schlimmer noch: Der Beitragssprung kommt, ohne dass Senioren profitieren. „Das Rentenniveau wird im gleichen Atemzug von voraussichtlich 49,4 Prozent in diesem Jahr auf 44,4 Prozent sinken.“Das
Rentenniveau gibt das Verhältnis zwischen der Durchschnittsrente (nach 45 Beitragsjahren) und dem Durchschnittslohn an.
Und selbst bei dieser Entwicklung ist der Staat schon massiv gefordert: „Im gleichen Zeitraum steigt die Summe aller Steuerzuschüsse um mehr als das Vierfache“, heißt es weiter. Im Jahr 2019 unterstützte der Bund die Rentenkasse mit 72 Milliarden Euro, im Jahr 2060 werden es voraussichtlich 310 Milliarden Euro sein.
Die Leidtragenden sind junge Arbeitnehmer: „Jüngere Erwerbstätige müssen über ihr Berufsleben hinweg deutlich höhere Beitragslasten schultern als die Mitglieder vorangegangener Generationen. Da sie aber erst in Zukunft eine Rente beziehen, müssen sie sich dann mit einem niedrigeren Sicherungsniveau zufriedengeben als heutige Rentnergenerationen“, mahnen Pimpertz und Schüler.
Zunächst müsse der Nachholfaktor wieder eingesetzt werden. Dieser sorgt eigentlich dafür, dass Rentenkürzungen, die wegen der Rentengarantie ausfallen, in kommenden Jahren mit Rentenerhöhungen verrechnet werden. Doch die große Koalition hat den Faktor gestrichen. Dabei würde er gerade jetzt eine Rolle spielen: Eigentlich müssten zum 1. Juli 2021 die Renten wegen der Corona-Krise und der damit verbundenen Lohnkürzungen sinken. Da dies politisch ausgeschlossen wurde, wird es eine Nullrunde geben. Gäbe es den Nachholfaktor, würden
„Was als vermeintliche Wohltat
angepriesen wird, entpuppt sich schnell
als Kostenfalle für künftige Generationen.“
Hubertus Pellengahr
Chef der Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft (INSM)
Rentenerhöhungen in den nächsten Jahren kleiner ausfallen. So aber tragen Rentner kaum die finanziellen Lasten der Pandemie.
Zweitens sollte der Nachhaltigkeitsfaktor, der in der Formel zur Renten-Berechnung steht, die demografische Entwicklung stärker berücksichtigen. Dieser Faktor spiegelt das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern wider. Steigt die Zahl der Rentner schneller als die der Beitragszahler, dämpft der Faktor den Rentenanstieg. Wenn man den Faktor stärker gewichtet, fallen künftige Rentenerhöhungen geringer aus.
Drittens sollte es eine „fortgesetzte Anhebung der Regelaltersgrenze nach 2031“geben – sprich: das Renteneintrittsalter weiter erhöht werden. Aktuell läuft die Anhebung auf 67 Jahre. Doch auch die Wirtschaftsweisen betonen, dass es dabei nicht bleiben kann, und fordern, das Renteneintrittsalter an das Lebensalter zu koppeln. Dabei soll die steigende Lebenserwartung zu einem Teil auf eine längere Erwerbsphase und zum anderen Teil auf eine längere Rentenphase aufgeteilt werden.
Die IW-Forscher sind zuversichtlich: „Alle drei Maßnahmen zusammen bremsen nicht nur die
Beitragssatzentwicklung deutlich, gleichzeitig könnte auch das Sicherungsniveaus stabilisiert werden.“Konkret würde der Beitragssatz dann bis 2060 „nur“noch um 2,2 Prozentpunkte steigen, das Rentenniveau würde bei mindestens 43 Prozent liegen. Die politischen Debatten aber – insbesondere um eine weitere Anhebung des Rentenalters – haben gerade erst begonnen. INSM-Chef Hubertus Pellengahr warnte vor einem Überbietungswettkampf: „Was als vermeintliche Wohltat angepriesen wird, entpuppt sich schnell als Kostenfalle für künftige Generationen.“