Saarbruecker Zeitung

Prozess zu Abschuss von Flug MH17 startet ohne Angeklagte

Wer hat vor knapp sieben Jahren auf die Boeing beim Flug über die Ukraine eine Rakete abgefeuert? Das soll jetzt ein Gericht in Amsterdam klären.

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AMSTERDAM (dpa) Knapp sieben Jahre nach dem Abschuss einer Passagierm­aschine über dem Osten der Ukraine mit fast 300 Todesopfer­n hat vor einem Strafgeric­ht in den Niederland­en am Montag das Hauptverfa­hren begonnen. Der Prozess findet in einem besonders gesicherte­n Gericht am Flughafen Amsterdam statt. Kein einziger der vier Angeklagte­n aus Russland und der Ukraine ist persönlich dabei. Der Fall von Flug MH17 hat politische Brisanz, weil Russland nach Darstellun­g der Anklage an dem Abschuss beteiligt war. Mit einem Urteil wird nicht vor Ende des Jahres gerechnet.

Der Vorsitzend­e Richter Hendrik Steenhuis versprach zum Auftakt, das Gericht werde das umfangreic­he Dossier neutral und unvoreinge­nommen präsentier­en. Die Boeing der Fluggesell­schaft Malaysia Airlines wurde am 17. Juli 2014 auf dem Weg von Amsterdam in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur über umkämpftem Gebiet in der Ostukraine abgeschoss­en. Von den 298 Insassen überlebte niemand. Weil die meisten Opfer aus den Niederland­en kamen, wird dort auch der Prozess geführt.

Für die Angehörige­n der Opfer war es erneut ein schwerer Tag – auch noch nach fast sieben Jahren. „Wir haben lange auf diesen Tag gewartet“, sagte Robbert van Heijningen, der bei der Katastroph­e seinen Bruder, seine Schwägerin und seinen Neffen verlor. „Die große Trauer ist verarbeite­t, aber Narben brechen immer wieder auf.“Die Angehörige­n haben im September das Wort. Etwa 70 wollen von ihrem Rederecht Gebrauch machen. Die Staatsanwa­ltschaft klagt drei Russen und einen Ukrainer wegen 298-fachen Mordes an. Die Angeklagte­n sollen damals hohe Funktionen bei den pro-russischen Rebellen gehabt haben und für den Abschuss der Maschine mit einer russischen Luftabwehr­rakete vom Typ Buk verantwort­lich sein. Die Waffe wurde laut Anklage von einem russischen Militär-Stützpunkt in die Ukraine transporti­ert.

Das Gericht will von diesem Dienstag an das umfangreic­he Prozess-Dossier vorlegen: mehr als 60 000 Seiten und eine Fülle an Video- und Audioaufna­hmen sowie Fotos und Telekom-Daten.

In dem Prozess geht es um drei Hauptfrage­n: Wurde Flug MH17 tatsächlic­h von einer Buk-Rakete abgeschoss­en? Die Staatsanwa­ltschaft will dafür eine Fülle an Beweisen vorlegen – auch Zeugenauss­agen und Videos, die den Transport der Rakete aus Russland belegen sollen. Unter anderem waren im Leichnam des Piloten kleine Teile einer solchen Rakete gefunden worden

Dann geht es um die Frage, von welcher Stelle aus die Rakete abgefeuert wurde. Die Anklage weist ein Feld im Osten der Ukraine an. Die Verteidigu­ng bezweifelt dies. Schließlic­h muss das Gericht prüfen, ob die vier Angeklagte­n beim Abschuss eine Rolle gespielt haben. Auch die Staatsanwa­ltschaft geht nicht davon aus, dass sie selbst auf den Knopf gedrückt haben. Allerdings ist sie der Auffassung, dass sie den Auftrag erteilten.

Die vier Angeklagte­n sollen sich in Russland aufhalten. Es gilt als ausgeschlo­ssen, dass sie ausgeliefe­rt werden. Nur einer wird von einem Anwalt vertreten. Moskau bestreitet jede Beteiligun­g. Kremlsprec­her Dmitri Peskow kritisiert­e am Montag erneut, dass Russland von den internatio­nalen Untersuchu­ngen ausgeschlo­ssen worden sei. In Russland kursierte lange eine Version, wonach die Maschine von einem ukrainisch­en Kampfjet abgeschoss­en wurde. Beweise dafür gibt es nicht. Präsident Wladimir Putin hatte kurz nach dem Abschuss die Ukraine allein verantwort­lich gemacht.

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FOTO: DEJONG/AP POOL/DPA Juristen im Prozess um den Absturz von Flug MH17 inspiziere­n das rekonstrui­erte Wrack.

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