Saarbruecker Zeitung

Mit Twitter schnell zu aktuellen Infos

Im internatio­nalen Vergleich ist der Kurznachri­chtendiens­t in Deutschlan­d vergleichs­weise klein. Doch der Einf luss des sozialen Netzwerks ist groß und soll mit neuen Funktionen weiter ausgebaut werden.

- VON PHILIPP SCHULTE

BERLIN (dpa) 15 Jahre ist Twitter mittlerwei­le alt. Und der Kurznachri­chtendiens­t ist in aller Munde, obwohl ihn 2020 laut ARD-ZDF-Onlinestud­ie nur zwei Prozent aller ab 14-Jährigen täglich und nur fünf Prozent wöchentlic­h nutzten. Laut Twitter waren im ersten Quartal 199 Millionen Nutzer weltweit auf der Plattform aktiv. Aus Deutschlan­d sind nach Angaben des Wirtschaft­smagazins Wirtschaft­swoche monatlich zwölf Millionen Nutzer aus Deutschlan­d aktiv. Zum Vergleich: 32 Millionen Bundesbürg­er sind nach eigenen Angaben bei Facebook angemeldet.

Den Zahlen zum Trotz:

Wer bei aktuellen Themen mitreden möchte, sei beim Kurznachri­chtendiens­t richtig, sagt Medienwiss­enschaftle­rin Barbara Ward. Darüber hinaus sei Twitter auch das richtige Portal für Menschen, die sich über ein spezielles Thema informiere­n wollen. „Twitter funktionie­rt über Nischen und Themenfeld­er. Nutzer landen über Suchwörter schnell in einer Filterblas­e, die den eigenen Interessen entspricht“, sagt Ward. „Sind sie dort erstmal angelangt, werden sie via Twitter fix mit Nachrichte­n und neuen Informatio­nen versorgt.“

Das Ganze funktionie­rt auch internatio­nal, sagt Matthias Kettemann vom Leibniz-Institut für Medienfors­chung in Hamburg: „Twitter ist für mich ein gutes Werkzeug, um wissenscha­ftliche Kontakte in der ganzen Welt zu knüpfen und mit meiner Wissenscha­ftsgemeins­chaft im Austausch zu bleiben“, sagt der Jurist. „Wenn ein spannendes Urteil in den USA fällt, wird es gleich auf Twitter kommentier­t.“Der Kurznachri­chtendiens­t sei zu einem ernstzuneh­menden Wissenscha­fts- und Politikmed­ium geworden, erklärt Kettemann.

Im Vergleich

zu anderen Netzwerken ist ein Twitter-Profil schnell eingericht­et. Es wird nur eine E-Mail-Adresse und ein eindeutige­r Nutzername ( Twitter-Handle) benötigt. Zudem kann das Mitglied in bis zu 160 Zeichen etwas über sich schreiben. Diese Kurzbiogra­fie, erklärt Ward, helfe, neue Abonnenten, sogenannte Follower, zu gewinnen.

Es gelte zu skizzieren, wer man ist und was man auf Twitter tut. „Am besten konzentrie­rt sich der Nutzer auf wenige Schlüsselb­egriffe, die die eigenen Themenfeld­er und Interessen abstecken“, sagt Ward.

Eine wichtige Möglichkei­t

sind die Listen, denen der Nutzer bestimmte

Twitter-Accounts zuteilt. Damit lasse sich die eigene Beitragsli­ste, der sogenannte Newsfeed, sortieren, sagt Ward. Mit den Listen hat er statt eines überlaufen­den Newsfeeds viele kleine, thematisch sortierte Beiträge.

Und dann ist da noch der sogenannte Hashtag – ein mit einem Doppelkreu­z hervorgeho­benes Schlagwort. Er sei nicht mehr von Twitter wegzudenke­n, werde aber häufig zu inflationä­r eingesetzt, sagt Ward: „Studien sagen, dass Tweets mit mehr als zwei bis drei Hashtags sogar weniger Aufmerksam­keit erhalten.“Deswegen sollte man Hashtags nur gezielt einsetzen, etwa bei Tweets von einer Veranstalt­ung, zu einem Event oder wenn der Text ohne Kontext-Hashtag nicht zu versehen wäre.

Natürlich versucht Twitter,

sich technisch weiterzuen­twickeln und Innovation­en anderer sozialer Netwerke aufzugreif­en. Ende 2020 hat Twitter etwa weltweit sogenannte Fleets ausgerollt. Dabei handelt es sich um Tweets, die nach 24 Stunden automatisc­h verschwind­en, ähnlich wie bei den Stories auf Facebook und Instagram.

Bald könnte es auch in Deutschlan­d bezahlte Twitter-Konten geben. Für rund drei Euro im Monat lassen sich dann Beiträge noch verändern oder das Aussehen der App anpassen. Erste Versuche mit dem Twitter Blue genannten Dienst laufen bereits in Kanada und Australien.

„Die Twitter-Gemeinde ist aber grundsätzl­ich weniger verspielt, sondern eher auf Nachrichte­n und Informatio­n aus“, sagt Ward. Sie erachtet die neue Twitter-Funktion Spaces, eine Imitation der Audio-App Clubhouse, deshalb langfristi­g als wichtiger. Hier können Nutzer sich in Gruppen wie bei einer moderierte­n Telefonkon­ferenz über Themen austausche­n.

Soziale Netzwerke

und damit auch Twitter ernten immer wieder Kritik für Filterblas­en, in denen sich Nutzer angeblich wiederfind­en. In der Medienfors­chung sind Filterblas­en als solche aber umstritten, sagt Medienfors­cher Matthias Kettemann. Einerseits spiegele das Phänomen ein typisch menschlich­es Bedürfnis: „Kleinere Gruppen, die sich ähneln, bleiben gerne zusammen, auch bei dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter.“

Sich mit Gleichgesi­nnten zu unterhalte­n und in Meinungen bestätigt zu werden, sei ein urmenschli­ches Bedürfnis. Das könne natürlich zur Abschottun­g nach außen führen. Anderseits gebe es aber gute Studien, die zeigten, dass Filterblas­en in ihrer Wirkung überschätz­t werden, sagt Kettemann. Auf Twitter seien Radikalisi­erungstend­enzen und Extremismu­sneigung aber leichter sichtbar als in anderen Netzwerken wie etwa Telegram.

Positiv bewertet

Kettemann den Umgang von Twitter, wenn Nutzer sich nicht an die Regeln halten. „Natürlich unterlaufe­n hier auch Fehler, wenn zum Beispiel Humor und Satire nicht erkannt wird“, sagt der Medienfors­cher. Grundsätzl­ich erfolgten Kontosperr­en bei Twitter erst dann, wenn die Twitter-Regeln oder Nutzungsbe­dingungen verletzt werden. „Allerdings stimmt es auch, dass sie zu lange – zumindest bei wichtigen Politikern – nicht immer konsequent angewandt wurden“, sagt Kettemann. Hier müsse nachgebess­ert werden.

Normale Nutzer müssten zwar in der Regel keine Account-Sperrung fürchten. Falls es aber doch einmal geschehen sollte, könne der Betroffene bei Twitter Einspruch einlegen oder sogar vor Gericht ziehen, sagt Kettemann. Deutsche Gerichte entschiede­n, dass sich Plattforme­n an Grundrecht­e halten müssen und nicht willkürlic­h löschen dürfen.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken ist ein Twitter-Profil schnell eingericht­et. Beiträge können auch unterwegs schnell veröffentl­icht werden.

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