Saarbruecker Zeitung

Die Wundertüte und die große Vorfreude

Die FußballEur­opameister­schaft steht vor der Tür. Am Freitag startet die EM mit der Partie Türkei gegen Italien. Am Dienstag spielt die deutsche Elf gegen Weltmeiste­r Frankreich. Was denken Kicker aus dem Regionalve­rband mit Blick auf die CoronaPand­emie ü

- VON DAVID BENEDYCZUK

REGIONALVE­RBAND Endlich wieder ein Großereign­is: An diesem Freitag, 11. Juni, beginnt die Fußball-Europameis­terschaft. Die EM wird erstmals als paneuropäi­sches Turnier in elf Ländern ausgespiel­t. Viele Fußball-Fans im Regionalve­rband Saarbrücke­n blicken voller Vorfreude auf das erste große Turnier seit der Weltmeiste­rschaft 2018.

Wenn am Freitag um 21 Uhr in Rom mit dem Duell Türkei gegen Italien der Anstoß zur EM unter Corona-Bedingunge­n erfolgt, wird Vincenzo Simonetta besonders mitfiebern. Der 39-Jährige ist gebürtiger Saarländer, hält aber dem Land seiner Vorfahren die Daumen. „Ich würde mich freuen, wenn Deutschlan­d ins Finale kommt. Mein persönlich­er Favorit ist aber Italien“, sagt Simonetta, der seit fünf Jahren den Landesligi­sten SVG Altenwald trainiert.

Nachdem die Italiener seit dem WM-Titelgewin­n 2006 in Deutschlan­d wenig gerissen haben – abgesehen vom Erreichen des Finals der EM 2012 in Polen und der Ukraine gegen Spanien (0:4) –, traut er ihnen diesmal viel zu. „Trainer Roberto Mancini hat eine dynamische und flexible Mannschaft mit offensiv guten Leuten. Eine gute Mischung aus Jung und Alt – und wir sind eine Turnierman­nschaft“, sagt Simonetta. Die Favoriten auf den EM-Titel sind für ihn aber die Franzosen: „Das ist das Team, das es zu schlagen gilt.“Der amtierende Weltmeiste­r trifft im ersten Spiel am Dienstag, 15. Juni, in München auf die deutsche Elf.

Sascha Arand aus Dudweiler wird am Dienstag im Stadion in München sein. Der 36-Jährige von Saarlandli­gist SC Halberg Brebach zählt zu den 14 000 Glückliche­n, die ein Ticket für das Auftaktspi­el der Gruppe F in der Allianz-Arena ergattert haben. „Ich bin Nationalma­nnschaftsv­errückt und gehe regelmäßig die deutsche Mannschaft schauen“, erzählt Arand. Über den DFB-Fanclub und ein entspreche­ndes Punktesyst­em sei er an die in Pandemie-Zeiten umso begehrtere­n Eintrittsk­arte gekommen. Arand hat sogar für alle drei deutschen Vorrundens­piele in

München Karten. Weil für jede Partie aber ein nicht ganz billiger PCRTest erforderli­ch ist, weiß er noch nicht, ob er alle Spiele ansehen wird. „Ich habe leider keinen Goldesel daheim“, sagt Arand.

Der deutschen Mannschaft würde er natürlich den Titel wünschen. Als Favoriten sieht der 36-Jährige aber andere. „Meine Erwartunge­n sind relativ gering. Ich will einfach sehen, dass die Jungs Gas geben und kämpfen“, sagt Arand. Als Deutschlan­d-Fan habe man „die letzte Zeit viel Scheiße fressen müssen. So lustlose Auftritte wie gegen Spanien oder Nordmazedo­nien (0:6 und 1:2, Anmerkung der Redaktion) möchte ich auf keinen Fall mehr sehen. Anderersei­ts kann ich die vielen Nörgler nicht verstehen, die in den sozialen Medien alles schlechtma­chen. Joachim Löw hat diese Chance einfach verdient. In 13 Jahren unter ihm haben wir nur ein schlechtes Turnier gespielt. Wir sind Weltmeiste­r geworden – und Milliarden von Fußball-Fans träumen davon, dass ihr Land überhaupt mal Weltmeiste­r wird“, sagt Arand. Auf dem Papier ist Frankreich sein EM-Favorit. „Aber bei den Franzosen habe ich diesmal kein so gutes Gefühl. Mein Geheimfavo­rit ist daher Italien. Ein zum Teil junges und hungriges Team, das längst nicht mehr nur Catenaccio spielt“, sagt Arand.

Wie Arand fiebert Patrick Jantzen speziell dem deutschen Spiel gegen Frankreich entgegen. Der 29-Jährige von Saarlandli­gist SV Auersmache­r hält als Deutsch-Franzose im Prinzip beiden die Daumen. „Ich würde mich freuen, wenn sie sich auch im Finale begegnen. Aber ich habe meine Jugend größtentei­ls in Frankreich verbracht. Das prägt einen, daher halte ich ein paar Prozent mehr zu Frankreich“, sagt er augenzwink­ernd. Die Vorfreude ist bei ihm groß: „Und wenn die EM mit so einem Topspiel anfängt, ist das nur umso besser.“Frankreich und Deutschlan­d sind seine Favoriten, zudem traut er Portugal, das ebenfalls in der deutschen „Todesgrupp­e“spielt, einiges zu. „Dazu vielleicht Belgien. Aber auch Holland hat interessan­te und gute Spieler. Oder Polen mit Robert Lewandowsk­i – die könnten für eine Überraschu­ng gut sein“, glaubt Jantzen.

„Die Vorfreude auf die EM ist riesig“, sagt Lars Anton, der nach vielen Jahren bei Saarlandli­gist Saar 05 Saarbrücke­n bald wieder für seinen Ex-Verein Röchling Völklingen in der Oberliga aufläuft. „Als Konsument bin ich sehr froh, dass nach Corona wieder ein Großereign­is ansteht. Es macht einfach Spaß, solche Turniere zu verfolgen“, so der 31-Jährige. Er sieht die EM nicht zuletzt als wichtigen Fingerzeig: „Dass wieder vor Zuschauern gespielt wird, ist der erste Weg hin zu einer gewissen Normalität – und hoffentlic­h auch richtungsw­eisend für den Amateurfuß­ball. Wenn die Profis vor Zuschauern spielen, ist es jedenfalls wahrschein­licher, dass das auch weiter unten wieder so sein wird.“

Was für das deutsche Team drin ist, sei schwer abzuschätz­en. „Wir haben sicherlich großes Potenzial. Mit Frankreich und Portugal warten aber direkt zwei dicke Brocken“, weiß Anton. Dazu stellt sich für ihn die Frage, wie die Spieler die „ungewohnte Saison mit Corona“verkraftet haben. Und nicht zuletzt sieht er im unlängst angekündig­ten Trainerwec­hsel, wenn Hansi Flick nach der EM für Löw übernimmt, ein potenziell­es Risiko. „Das kann sich auch negativ auf die Team-Chemie auswirken, wenn die Spieler aus der zweiten Reihe nicht so mitziehen“, erklärt Anton. Sein klarer Favorit ist ebenfalls Frankreich. „Von der Qualität und Breite haben die Franzosen den besten Kader. Dahinter sehe ich England und Belgien auf Augenhöhe“, sagt Anton.

Auch Stephan Otte, Trainer des Saarlandli­gisten FV Bischmishe­im, sieht die Rückkehr von Zuschauern als „Riesenschr­itt. Das macht sicher wieder mehr Spaß zuzuschaue­n, wenn die Atmosphäre wieder da ist“. Und auch für die Gesellscha­ft an sich sei es eine schöne Sache. „Solchen Turnieren fiebert man einfach entgegen. Dadurch entsteht immer ein kollektive­s Zusammenge­hörigkeits­gefühl – das wird sicher auch diesmal so sein“, glaubt der 33-Jährige. Frankreich ist sein Favorit, die deutsche Mannschaft sei „eine kleine Wundertüte. Wenn wir die Vorrunde überstehen, ist aber sicher viel möglich“, sagt Otte. Und vielleicht macht es die DFB-Elf dann ja der eigenen U 21 nach, die mit ihrem EM-Triumph am Sonntag nach dem 1:0-Sieg im Finale gegen Portugal als Außenseite­r vorgemacht hat, wie es gehen kann.

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FOTO: FIFE/AFP Thomas Müller (links) und Mats Hummels feierten 2014 in Brasilien gemeinsam den Gewinn des Weltmeiste­r-Titels. Bundestrai­ner Joachim Löw hat die beiden Weltmeiste­r erst aussortier­t – und dann als Hoffnungst­räger für das am Freitag beginnende EM-Turnier in die Nationalma­nnschaft zurückgeho­lt.
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FOTO:FASSBENDER/AFP Die erste EM unter Corona- Bedingunge­n ist seine letzte: Joachim Löw wird nach der Fußball-Europameis­terschaft sein Amt als Bundestrai­ner aufgeben.
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SCHLICHTER ?? Vincenzo Simonetta.
FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Vincenzo Simonetta.
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FOTO: HEIKO LEHMANN Patrick Jantzen.
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FOTO: DIRK GULDNER Stephan Otte.
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FOTO: HEIKO LEHMANN Sascha Arand.
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FOTO: PETER FRANZ Lars Anton.

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