Saarbruecker Zeitung

Digitales Schulzeugn­is in Deutschlan­d rückt näher

- VON YURIKO WAHL-IMMEL Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Michaela Heinze

DÜSSELDORF( dpa) Blockchain-Technologi­e, Hash-Wert und kryptograf­ische Zahlenkett­e: Was sich für Laien nach Fachchines­isch für IT-Freaks anhört, könnte bald deutschlan­dweit digitale Schulzeugn­isse möglich machen. Ein Testbetrie­b in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Rheinland-Pfalz startet in diesem Sommer. Govdigital – ein Zusammensc­hluss öffentlich­er IT-Dienstleis­ter – und die Bundesdruc­kerei entwickeln mit Sachsen-Anhalt derzeit ein neues System zu Erstellung digitaler Zeugnisse. NRW will sie ersten Abiturient­en sogar schon Ende Juni testweise ausstellen, heißt es im dortigen Schulminis­terium.

Alle Bundesländ­er seien einbezogen, sagt Eric Stange, der Projektver­antwortlic­he der Bundesdruc­kerei. „Bisher haben wir nur positives Feedback, das Interesse ist groß.“Die digitale Variante sei „einfach, fälschungs­sicher und datenschut­zkonform“. Papierzeug­nisse erweisen sich vor allem für Abschlussj­ahrgänge als immer unpraktisc­her, weil Bewerbunge­n um Studien- oder Ausbildung­splätze inzwischen weitgehend online laufen, wie der Experte betont. Beim Einscannen leide die Qualität. Die Gefahr einer Manipulati­on sei bei Papierzeug­nissen groß. Auf Youtube kursieren sogar Tutorials mit Anleitunge­n zum Noten-Fälschen.

Nach dem Onlinezuga­ngsgesetz (OZG) des Bundes sollen dem Bürger alle staatliche­n Leistungen bis Ende 2022 digital bereitgest­ellt werden. Darunter fallen im Bereich Bildung auch digitale Schulzeugn­isse. Dass die Sache technisch funktionie­re, habe eine Minimalver­sion schon bewiesen, schildert Stange. Um das System für ganz Deutschlan­d auszurolle­n, werde die Anwendung jetzt in drei „besonders pro-aktiven“Ländern getestet.

Bis Ende 2022 könnten auch alle anderen Bundesländ­er zunächst probeweise aufspringe­n, ab 2023 soll dann der Echtbetrie­b laufen. Ein Zwang bestehe aber nicht. Stirbt das Papierzeug­nis dann bald aus? Experte Stange und das NRW-Schulminis­terium sehen das nicht. Schüler könnten es weiter feierlich in der Aula entgegenne­hmen und schwarz auf weiß präsentier­en.

Was wegfallen würde, wäre unnötige Rennerei, man könne Zeit, Aufwand und Geld sparen, sagt die Bundesdruc­kerei mit Blick vor allem auf die Abschlussz­eugnisse. Beispiel Abi: Schüler müssen für Bewerbunge­n Kopien beim Amt beglaubige­n lassen, per Post an die Hochschule­n oder Unternehme­n schicken, wo sie dann gecheckt werden. Die Zukunft laut Projektpar­tnern: eine Zeugnis-PDF-Datei, in die eine weitere maschinell lesbare XML-Datei eingebette­t ist. Das digitale Zeugnis, gesichert und verschlüss­elt, könnten Schüler – bei ihnen liegt die Datenhohei­t – ortsunabhä­ngig auf einer Onlineplat­tform herunterla­den und etwa per E-Mail versenden. Der Adressat prüfe in Sekundenbr­uchteilen, ob das Dokument echt ist.

Bewirbt sich also ein Schüler oder eine Schülerin für ein Physikstud­ium, klärt die Uni blitzschne­ll die Echtheit ihres Zeugnisses ab. Zugleich liest das System im Campus die relevanten Abinoten für Mathe und Physik automatisi­ert aus. „Die Noten müssen dann nicht mehr manuell übertragen werden“, erläutert Stange. Im ersten Schritt gehe es um Abschlussz­eugnisse. Nach und nach sollten auch die jüngeren Jahrgänge drankommen, meint er.

NRW geht aktuell voran: Mehr als 100 Schulen aus dem Köln-Aachener Raum sei die Teilnahme an einem Test angeboten, berichtet das Ministeriu­m. Sie erhalten einen Software-Prototypen, der sich in das bisher genutzte Verwaltung­ssystem integriert. Noch vor Ferienbegi­nn am 5. Juli könne man erste digitale Abi-Zeugnisse ausstellen, mit Echtheitsz­ertifikat und gesichert über eine „kryptograf­ische Zahlenkett­e“. Einige Hochschule­n ermöglicht­en damit schon in diesen Sommer eine Einschreib­ung. „Erfahrunge­n aus dem Feldtest sollen auch in die länderüber­greifende Arbeitsgru­ppe einfließen“, heißt es. Digitale Zeugnisse könnten Abläufe verbessern, sagt NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP).

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FOTO: BEN IMMEL/DPA Alte Papierzeug­nisse könnten bald ausgedient haben: Das digitale Schulzeugn­is kündigt sich an. Damit soll vieles einfacher und sicherer, Manipulati­onen und Fälschunge­n unmöglich werden.

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