Gendern hält Einzug in Politik und Verwaltung
Im öffentlichen Leben von Rheinland-Pfalz und dem Saarland wird Gender-Sprache zum Standard. Es gibt aber auch Kritik an Vorgaben.
TRIER/MAINZ (dpa) Sprache verändert sich mit neuen Bedürfnissen. Viele Frauen fühlen sich nicht mehr angesprochen vom „generischen Maskulinum“– wenn männliche Bezeichnungen für Frauen mitgemeint sind. Daher bemühen sich immer mehr Menschen in Politik und Verwaltung um eine inklusive Sprache, die ganz bewusst alle einbezieht und Frauen nicht ausschließt. Das Gendern ist in Rheinland-Pfalz auf dem Vormarsch und wird in immer mehr Bereichen zum Standard.
„Persönlich halte ich es für richtig, die Ansprache so zu wählen, dass sich alle angesprochen fühlen“, sagt der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Er bevorzuge „das Sprechen im Fluss“, also das ausformulierte Benennen etwa von Bürgerinnen und Bürger. Die städtische Verwaltung in Mainz hat erst kürzlich eine Festlegung getroffen: „Wir werden für das Gendern den Doppelpunkt verwenden, in allen Dokumenten nach innen und nach außen.“Andere Möglichkeiten sind weiter freigestellt.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), eine erklärte Feministin, wandte sich in ihrer Regierungserklärung an „liebe Bürger, liebe Bürgerinnen“. Dann aber sprach sie auch die hörbare Pause in der gegenderten Form „Schüler:innen“. Auch der Koalitionsvertrag verwendet durchgängig den Doppelpunkt zum Gendern und spricht von „Bürger:innen“und „Schüler:innen“. Mit dieser Form sollen auch alle Menschen einbezogen werden, die im Entweder-Oder der Geschlechterrollen Mann und Frau keinen Platz finden.
In der Aussprache zur Regierungserklärung verzichtete CDU-Fraktionschef Christian Baldauf auf Genderformen mit hörbarer Pause. Bei allem Veränderungsbedarf von Sprache müsse sie verständlich bleiben, erklärt der Oppositionsführer. „Sie muss vernünftig sprech- und lesbar sein, darf nicht kollektiviert werden.“Und Veränderungen dürften nicht verordnet werden. Er habe aber den Eindruck, dass es zu einer
Art „Sprachpolizei“komme. „In der Härte der Debatte scheint es oft so, dass es nicht so sehr darum geht, die Situation von Frauen und Minderheiten zu verbessern, sondern um das unbedingte Moralisieren.“Und in der Rechtschreibung sei gerade für den Spracherwerb von Kindern ein klares verbindliches Regelwerk nötig.
In den Behörden aber ist die gendergerechte Sprache angekommen. So werde in der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier „grundsätzlich gegendert und das schon lange“, sagte eine Sprecherin. „Ein diskriminierungsfreier Sprachgebrauch sollte für eine öffentliche Stelle gelebte Selbstverständlichkeit sein.“Bereits 2007 verlangte die Geschäftsordnung der ADD: „Zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern sind geschlechtsneutrale Bezeichnungen und Formulierungen zu wählen. Ist dies nicht möglich, sind Formulierungen zu verwenden, die beide Geschlechter nennen. Personenbezogene Bezeichnungen sind so zu wählen, dass niemand diskriminiert wird.“Sprache sei „Ausdruck unseres Denkens“, sagt ADD-Präsident Präsident Thomas Linnertz. „Wer eine gleichberechtigte Gesellschaft will, muss das auch sprachlich sagen. Das ist letztlich auch eine Frage der Sensibilität und des Respekts.“Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ADD seien gehalten, sich an die Geschäftsordnung und die Verwaltungsvorschriften zu halten.
Nach einer Handreichung zur Verwendung einer geschlechterneutralen Sprache des Familienministeriums in Mainz kann auch das „Gendersternchen“in Ausnahmefällen zulässig sein. Zentraler Grundsatz sei, dass „sich niemand durch behördliche Veröffentlichungen und Schreiben diskriminiert fühlen darf.“
Beim Landgericht Koblenz werde eine Vorgabe für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie mit der Gendersprache umzugehen sei, nicht für nötig gehalten, erklärt eine Sprecherin. In den bei Gericht verfassten Schriftstücken würden „ohnehin stets konkrete Beteiligte eines Verfahrens“angesprochen, so dass die Anrede nach dem jeweiligen Geschlecht erfolge. Hinzu komme, dass
Richterinnen und Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen seien. Sprachliche Vorgaben zu ihrer rechtsprechenden Tätigkeit seien nicht zulässig. In Verwaltungsschreiben sei das Gendern beim Landgericht Koblenz aber durchaus üblich, sagt die Sprecherin. Genutzt würden alle bekannten Formen, vorrangig die ausgeschriebenen Paarnennungen wie „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“oder „Kolleginnen und Kollegen“, aber auch die abgekürzte Form „Mitarbeiter/innen“. Noch weniger gebräuchlich sei das Gender-Sternchen.
In der saarländischen Landesregierung ist das Gender-Sternchen dagegen fest etabliert. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) wie Bildungsund Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) verwenden diese Formen konsequent, etwa bei Schüler*innen oder der Ministerpräsident*innenkonferenz. Bisher habe man immer nur zu Männern geredet und Frauen einfach mitgemeint. Das solle „anders“werden, hatte Hans im Redaktionsgespräch der Saarbrücker Zeitung gesagt. Man solle aber diese Debatte nicht überhöhen und sie nicht ideologisieren. Nur weil man ein Gender-Sternchen schreibt, sei das nicht sofort Ausdruck eines linken Zeitgeistes. Sprache sei weder links noch rechts. Sie solle Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen.