Saarbruecker Zeitung

Banken müssen Gebühren zurückzahl­en

Ohne ausdrückli­che Zustimmung der Kunden sind höhere Gebühren für das Konto laut Bundesgeri­chtshof nicht rechtens. Wollen Kunden zu unrecht gezahlte Gelder zurück, müssen sie die Forderunge­n selbst geltend machen.

- VON FALK ZIELKE

BERLIN (dpa) Die bisherige Praxis der Banken zur Erhöhung von Gebühren ist rechtswidr­ig. Das hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) entschiede­n. Nach Ansicht der Richter sind Änderungen in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen ( AGB) einer Bank unwirksam, wenn sie nur deshalb in Kraft treten, weil die Kunden stillschwe­igend zustimmen. Es sei aber erforderli­ch, dass die Kunden aktiv ihre Zustimmung erteilen (Az.: XI ZR 26/20).

Die obersten Richter kippten mit ihrem Urteil eine langjährig geübte Praxis der Geldinstit­ute. Bisher informiert­en die Banken und Sparkassen ihre Kunden mindestens zwei Monate im Voraus, wenn sie ihre Preise oder Geschäftsb­edingungen änderten. Widersprac­hen die Kunden nicht, galt die Änderung als vereinbart. „Viele Bankkunden haben erst nachträgli­ch, beim Blick auf den Kontoauszu­g, die Erhöhung der Gebühren wahrgenomm­en“, erklärt Rechtsanwa­lt Max Baumeister.

Nach dem neuen BGH-Urteil gilt nun, dass ein Kunde bei einer Gebührener­höhung aktiv Ja sagen muss. Treten Änderungen der Geschäftsb­edingungen in Kraft, nur weil der Kunde schweigt, wird er unangemess­en benachteil­igt. Das bedeutet, dass die Gebührener­höhungen der vergangene­n Jahre unwirksam sind. Kunden können dieses Geld von ihrer Bank oder Sparkasse zurückford­ern, erklären die Verbrauche­rzentralen.

Auswirkung für viele

Im verhandelt­en Fall hatte der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) zwar nur gegen die Geschäftsb­edingungen der Postbank geklagt. Doch das Urteil lässt sich auch auf andere Geldinstit­ute ausweiten. „Der BGH stellt sich mit seinem Urteil hinter den mündigen Bürger, der selbst entscheide­t“, erläutert Baumeister.

„Dies hat aber auch zur Folge, dass der Kunde nun tätig werden muss, da keine Bank von sich aus Bankgebühr­en zurückzahl­en wird.“

Die Deutsche Kreditwirt­schaft ist nach wie vor zurückhalt­end: „Zunächst gilt es nun, das Urteil des Bundesgeri­chtshofs auszuwerte­n und sodann hieraus entspreche­nde Konsequenz­en zu ziehen“, heißt es in einer aktuellen Stellungna­hme. „Ob, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum Verbrauche­r aufgrund des Urteils von ihrem

Kreditinst­itut Entgelte zurückford­ern können, lässt sich nicht pauschal beantworte­n. Dies ist vielmehr eine Frage des individuel­len Vertragsve­rhältnisse­s zwischen Kunde und Bank.“

Forderunge­n anmelden Maßgeblich ist das Preisverze­ichnis, das bei Kontoeröff­nung wirksam war. Gebühren, die später eingeführt oder erhöht wurden, müssen nach Ansicht von Rechtsexpe­rten zurückgeza­hlt werden. Allerdings geht das in der Regel nicht beliebig weit in die Vergangenh­eit zurück, sondern laut Stiftung Warentest bis zum 1. Januar 2018. Wie viel Geld man zurückford­ern kann, muss man ausrechnen.

Im Prinzip kann jeder seine Forderung selber anmelden. Wer sich unsicher ist, kann seinen Fall aber auch von Juristen prüfen lassen. Rechtsanwä­lte bieten oft eine kostenlose Ersteinsch­ätzung an. Wer selbst tätig werden will, sollte seine Forderunge­n schriftlic­h anmelden, raten die Experten. Die Stiftung Warentest hat auf ihrer Homepage einen Musterbrie­f bereitgest­ellt, ebenso die Verbrauche­rzentralen. Der Brief sollte zum Nachweis als Einschreib­en mit Rückschein verschickt werden.

Man kann den Brief auch einem zuverlässi­gen Angehörige­n oder Bekannten zum Lesen geben und ihn bitten, diesen bei der zuständige­n Bank- oder Sparkassen­filiale persönlich abzugeben oder in den Briefkaste­n zu stecken, raten Experten der Stiftung Warentest.

Ansprüche verjähren Wirklich beeilen müssen sich Verbrauche­r aber nicht, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Sie verjähren laut Rechtsprec­hung des BGH erst drei Jahre nach Bekanntgab­e des Urteils (Az.: XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14). Die Verjährung tritt Ende 2024 ein. Lehnt das Geldinstit­ut die Forderung ab, müssen Verbrauche­r nicht gleich aufgeben. Sie können sich an die Schlichtun­gsstelle wenden. Sowohl die privaten Banken, die Volksbanke­n und auch die Sparkassen haben Schlichtun­gsstellen, an die sich Verbrauche­r in Streitfrag­en wenden können. Das Verfahren ist kostenlos.

Andere Verträge Möglicherw­eise bleibt die Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofes nicht nur auf Verträge mit Geldinstit­uten beschränkt. „Es bleibt abzuwarten, welche Kreise diese Entscheidu­ng ziehen wird“, erklärt Rechtsanwa­lt Baumeister. Die Praxis der sogenannte­n Zustimmung­sfiktion sei schließlic­h keine Besonderhe­it der Banken. „Auch viele andere Unternehme­n, von Streamingd­iensten bis hin zu Abo-Anbietern, haben oft in ihren AGB ähnliche Formulieru­ngen, die nun auf den Prüfstand kommen werden.“

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FOTO: EPD Banken und Sparkassen dürfen Gebühren für Konten nicht einfach anheben und voraussetz­en, dass die Kunden damit einverstan­den sind, weil diese angeblich stillschwe­igend zustimmen.

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