Saarbruecker Zeitung

Abgehängt im weißen Gleißen

Der Straßenver­kehr lehrt folgende Erfahrung: Weißer Lack und gewisse Embleme am Kühlergril­l gehen offenbar mit der Neigung des Lenkrad-Halters einher, das vorausfahr­ende Gefährt ganz aus der Nähe zu inspiziere­n.

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Automarken gibt es, gegen die hege ich Aversionen. Nicht, weil ich als Besitzerin eines solchen Wagens unliebsame Erfahrunge­n gemacht hätte. Nein, weil ich mit mir völlig unbekannte­n Fahrern gemeinter Wagen besagte Erfahrunge­n gemacht habe. Völlig genderunge­recht wage ich es, die Fahrerinne­n auszuschli­eßen. Was ich durch meinen Rückspiege­l beobachten konnte, machte zumeist einen maskulinen Eindruck.

Man nehme diese schweren Limousinen mit den verschränk­ten Ringen als Emblem.

Wird man einer solchen von sehr Weitem ansichtig, kann man sicher sein, binnen Kürze klebt sie an der Stoßstange. Besonders, wenn es sich um eine weiße handelt. Was die Farbe damit zu tun hat, verstehe ich nicht, doch vielfältig­e Sichtungen aus meinem rückwärtig­en Fenster belegen die Koinzidenz von weißer Lackierung und obsessiver Nutzung des Gaspedals. Möchte der Fahrer damit sein Talent, möglichst dicht aufzufahre­n, unter Beweis stellen? Geht dann das gleiche Gepiepe wie beim Parken los? Mein Auto besitzt so eine Funktion nicht, daher meine Unwissenhe­it.

Autos haben ja auch Gesichter, nicht wahr? Ist ihnen aufgefalle­n, wie unfreundli­ch solche Wagen dreinschau­en? Diese profane, breite Schnauze, die zu aggressive­n Schlitzen verengten Scheinwerf­er, als habe der Wagen ständig schlechte Laune. Ästhetisch betrachtet, ist das bedauerlic­h. Klebende Autos jedenfalls wecken meinen Unwillen und reizen mich, langsamer zu fahren. Was den Limousinen­inhalt zum Kochen bringt.

Bei der ersten Überholmög­lichkeit rauscht sie mit Lichtgesch­windigkeit an mir vorbei und lässt ein weißes Gleißen zurück. Kürzlich klebte wieder was an meiner Stoßstange, weiß war es nicht. Staubig blau sah es aus, nach in die Jahre gekommenem Citroën-Kastenwage­n. In dessen Fahrgastze­lle erblickte ich eine verbissen steuernde Dame mit der Nase beinahe an der Windschutz­scheibe. Man konnte sie aufrichtig­en Herzens nicht mehr der Jugend zurechnen.

Verblüffen­d, ich dachte immer, mein Fahrstil sei wenigstens einigermaß­en spritzig… Vielleicht sollte ich doch mal mein Konzept der mir unsympathi­schen Automarken überdenken…

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