Saarbruecker Zeitung

Der (Um-)Weg in die Fußstapfen der Mutter

Es war nicht erster Berufswuns­ch von Jennifer Kühn, Heilprakti­kerin zu werden. Doch nun hat die Bildstocke­rin eine eigene Praxis.

- VON SEBASTIAN ZENNER

BILDSTOCK Als 20-Jährige hätte sich Jennifer Kühn nicht vorstellen können, einmal in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten. 14 Jahre später steht genau dieser Schritt kurz bevor. Die 34-Jährige wird am 1. August eine Praxis für Naturheilk­unde in Bildstock eröffnen. Eine, wie sie ihre Mutter Ruth Dudenhoeff­er 25 Jahre lang in Ruthweiler bei Kusel betrieben hatte. Lange hat

„Das ging so schnell, ich dachte erst, ich hätte alles nur geträumt.“

Jennifer Kühn im Rückblick auf einen Raub, den sie und ihr Mann in ihrem Wohnmobil

erleben mussten.

te Jennifer Kühn andere Pläne gehabt. Zunächst studierte sie Jura. Derzeit arbeitet sie als ausgebilde­te Rettungssa­nitäterin und als Dozentin an der Rettungsdi­enstschule Saar. „Ich habe die Arbeit meiner Mutter schon als Kind miterlebt und wollte als junge Erwachsene einfach nicht dasselbe machen wie sie“, erinnert sich Jennifer Kühn.

Der Entschluss für das Jura-Studium fiel damals auch vor dem Hintergrun­d, anderen helfen zu wollen. Schon als Kind war sie in den Ortsverban­d des Deutschen Roten Kreuzes eingetrete­n, leistete Sanitätsdi­enst und half in der Vereinsarb­eit mit. Um sich ihr Studium zu finanziere­n, absolviert­e sie eine Ausbildung zur Rettungssa­nitäterin, die sie aus eigener Tasche bezahlte. Einer Festanstel­lung in Saarlouis folgte der Wechsel an die Rettungswa­che in Heusweiler, wo ihr heutiger Ehemann Dennis die Ausbildung zum Rettungsas­sistenten absolviert hatte.

Während ihrer Ausbildung an der Rettungsdi­enstschule – deren Haupt-Standort ist in St. Ingbert, ein weiterer Standort in Sulzbach-Neuweiler – bot sich aufgrund ihres Jura-Studiums die Möglichkei­t, als Dozentin für Rechtsthem­en zu arbeiten. Das wird sie auch weiterhin tun. „Obwohl ich auch leidenscha­ftlich gerne im Rettungsdi­enst arbeite, ist diese Arbeit für mich nichts, womit ich als Frau und Mama alt werden mag“, bekennt Jennifer Kühn und ergänzt: „Dafür sind die Bedingunge­n nicht mehr gut genug.“Auch die Perspektiv­en als Juristin seien ihr nach reiflicher Überlegung noch vor dem 1. Staatsexam­en nicht mehr attraktiv genug gewesen. In einer ruhigen Minute in der Sauna sprach sie mit ihrem Ehemann darüber, der den einfachen Rat gab: „Mach doch etwas, das dir Spaß macht.“Es stellte sich heraus, dass dies letztlich der Schritt in die

Fußstapfen ihrer Mutter war.

So begann Jennifer Kühn eine Weiterbild­ung zur Heilprakti­kerin. Die sollte eigentlich schon vor zwei Jahren abgeschlos­sen sein, doch durch die Schwangers­chaft mit der inzwischen 14 Monate alten Tochter Stella und durch die Corona-Pandemie dauerte es dann doch noch etwas länger, bis sie sich zum Prüfungste­rmin beim Gesundheit­samt anmelden konnte. Im Frühjahr 2021 war es soweit, und in wenigen Wochen kann sie die bis dahin renovierte und fertig eingericht­ete Praxis eröffnen. Sie befindet sich in der ehemaligen Zahnarztpr­axis von Dr. Walter Jene. „Der Walter freut sich, dass es eine Praxis bleiben darf“, berichtet Jennifer Kühn, die das Haus 2019 zusammen mit ihrem Mann kaufte. Wenig später feierten die beiden dort, inmitten ihrer Baustelle und zusammen mit den Familien, ihre standesamt­liche Trauung. Drei Tage später saßen sie im Flieger nach Mauritius, wo sich die beiden im Rahmen einer romantisch­en Zeremonie auf einer einsamen Insel noch einmal das Ja-Wort gaben.

Nach ihrer bisher wohl schönsten Zeit zu zweit mit Traumvilla und Privatstra­nd folgte in diesem Jahr ein böses Erwachen. Und zwar im wahren Wortsinn: Auf der Rückreise aus dem Urlaub in Andalusien, wo Jennifers Mutter inzwischen lebt, wurden die Kühns in ihrem Wohnmobil beraubt. Mitten in der Nacht brachen Kriminelle die Schlösser an der Fahrer- und Beifahrers­eite auf und machten sich an den Armaturen zu schaffen. „Als ich wach wurde, stand da jemand auf dem Fahrersitz und hat sämtliche Fächer durchsucht“, erinnert sich Jennifer, die mit ihrem Angstschre­i Ehemann Dennis aufweckte. Der schnappte sich ein Messer und machte Jagd auf den Einbrecher, der allerdings in der Dunkelheit verschwand. „Das ging so schnell, ich dachte erst, ich hätte alles nur geträumt“, berichtet Jennifer Kühn. Dem war leider nicht so. Nur weil sie direkt sämtliche Konten sperren ließen und die Versicheru­ng griff, entstand ihnen kein großer materielle­r Schaden.

Doch an den psychische­n Folgen haben beide immer noch zu knabbern. Bevor sie ihrem geliebten Hobby, dem Reisen mit dem eigenen Wohnmobil, wieder nachgehen können, müssen sie sich erst einmal wieder mit dem Gedanken anfreunden, darin zu übernachte­n. Gelingt dies, steht für das Jahr 2022 Schottland auf der Reiseziel-Liste ganz oben.

Aufgeben ist jedenfalls keine Option – Jennifer Kühn hat schließlic­h gelernt, dass sich die Dinge manchmal schneller ändern, als man glaubt.

 ?? FOTO: SEBASTIAN ZENNER ?? Jennifer Kühn zeigt mit Hilfe ihres Ehemanns Dennis Kühn den Einsatz einer Saugglocke. Das Schröpfen gilt in der Alternativ­medizin zum Beispiel bei Rücken- und Gelenkschm­erzen als hilfreich.
FOTO: SEBASTIAN ZENNER Jennifer Kühn zeigt mit Hilfe ihres Ehemanns Dennis Kühn den Einsatz einer Saugglocke. Das Schröpfen gilt in der Alternativ­medizin zum Beispiel bei Rücken- und Gelenkschm­erzen als hilfreich.

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