Ungarn feiern grandiosen Gulacsi
Beim 1:1 gegen Frankreich hätte das Team fast den Weltmeister bezwungen. Jetzt gegen Deutschland das Unmögliche schaffen.
BUDAPEST (sid) Peter Gulacsi legte nach seiner nächsten EM-Heldentat die Hand auf sein Herz und schmetterte gemeinsam mit Ungarns übrigen Fußball-Helden sowie 50 000 ekstatischen Fans die Nationalhymne. Wieder einmal war der überragende Torwart von RB Leipzig zur kaum überwindbaren EinMann-Mauer mutiert, an der im Hexenkessel von Budapest selbst Kylian Mbappé und Weltmeister Frankreich verzweifelten. Und Gulacsis Paraden erhielten beim 1:1 (1:0) den Traum aller Ungarn am Leben: Die Rache für das Wunder von Bern 1954.
„Ich bin unglaublich stolz, dass wir gegen das beste Team der Welt unentschieden gespielt haben“, sagte Gulacsi nach dem Achtungserfolg im Glutofen: „Wir haben unsere Chancen auf das Achtelfinale mit großem Kampfgeist und etwas Glück am Leben erhalten.“Völlig entfesselt jubelte der 31 Jahre alte Schlussmann nach Abpfiff, sank auf die Knie und ballte die Hände zu Fäusten. Der Punkt fühlte sich an wie ein Sieg.
Für die Franzosen um Torschütze Antoine Griezmann fühlte es sich bei bis zu 36 Grad dagegen anders an. „Es war super anstrengend. Das war ein schwieriges Spiel mit den Fans. Wir sind ein volles Stadion nicht mehr gewohnt. Wir haben uns nicht gehört“, klagte Griezmann. Außerdem sei der Rasen trocken gewesen, „es war heiß und schwül“. Dennoch ist der Angreifer nun mit sieben EM-Toren nur noch zwei Treffer hinter Frankreichs Rekordtorschütze Michel Platini.
Jubel herrschte dagegen bei den Ungarn. „Es ist gut, Ungar zu sein – wir haben den Weltmeister bekämpft“, schrieb die Sportzeitung Nemzeti Sport, auch Ministerpräsident Viktor Orban jubelte im Stadion mit den 55 998 Zuschauern.
Am Mittwoch (21 Uhr/ZDF und MagentaTV) hat der klare Außenseiter in der Todesgruppe F tatsächlich sein Finale um das Achtelfinal-Ti
„Es ist gut, Ungar zu sein – wir haben den Weltmeister bekämpft.“Die ungarische Sportzeitung
Nemzeti Sport nach dem 1:1 gegen Frankreich
cket in München gegen Deutschland. Dass auch nur die Möglichkeit auf das Weiterkommen besteht, auf den zweiten Einzug in die K.o.-Runde nacheinander, hätte kaum ein Experte vor dem Turnier gedacht.
Bis Mittwoch werden in Ungarn nun sicher die Erinnerungen an das schmerzvolle 2:3 gegen die Deutschen im WM-Finale vor 67 Jahren aufblühen, aber Nationaltrainer Marco Rossi setzte lieber auf eine gesunde Mischung aus Euphorie und Bescheidenheit. „Ich habe die EM immer im Fernsehen gesehen, jetzt bin ich 56, und ich fühle mich wie ein Kind im Freizeitpark“, sagte der Italiener, der von 1996 bis 1997 für Eintracht Frankfurt gespielt hatte.
Ungarn vorschnell abzuschreiben, wäre jedoch ein Fehler. Nach der 0:3-Auftaktniederlage gegen Europameister Portugal, wo Gulacsi bereits glänzend gehalten hatte, war Rossi „besorgt“, dass sein Team gegen Frankreich eventuell verlieren würde. Aber Ungarn bot ein Schauspiel an Kampfeswillen. Mitten in der Drangphase der Équipe Tricolore brachte Linksverteidiger Attila Fiola (45.+2) die Puskás-Arena mit seinem Führungstor zum Kochen.
Vorher hatte Gulacsi gleich mehrfach in höchster Not geklärt. „Er ist einer der besten Torwarte in Europa“, sagte Rossi. Dass er Griezmanns Schuss (66.) später nicht halten konnte, war dann sogar zu verschmerzen. „Heute war der Tag, an dem Gott auf uns herabgeschaut hat“, sagte Rossi. Ungarns Kapitän Adam Szalai vom FSV Mainz 05 wird am Mittwoch indes spielen können. Der Stürmer hatte nach einem Treffer am Kopf schon in der ersten Halbzeit in der Kabine bleiben müssen und wurde im Krankenhaus untersucht.