Saarbruecker Zeitung

Jeder wollte ein Weszkalnys-Haus

Hans Weszkalnys, vor 100 Jahren ein begehrter Architekt, baute Häuser, Kliniken, Brücken, Hallen ... Heute steht davon nicht mehr viel.

- VON MARCO REUTHER Produktion dieser Seite: Marco Reuther Jörg Laskowski

REGIONALVE­RBAND Vergessen? – Außer in Fachkreise­n dürfte der Name nicht mehr vielen Saarbrücke­rn bekannt sein, obwohl Hans Peter Weszkalnys hier über Jahrzehnte als angesehene­r Architekt so manches Straßenbil­d prägte und allein die große Zahl seiner Aufträge den Eindruck erweckt, dass einst jeder ein „Weszkalnys-Haus“haben wollte.

Weszkalnys wurde 1867 in Ostpreußen geboren, hatte schon als Kind – der Vater war im Jahr seiner Geburt gestorben – ein bewegtes Leben, wurde mit vier Jahren einem evangelisc­hen Geistliche­n zur Erziehung anvertraut und erhielt, wie er selbst in seinen Erinnerung­en schrieb, eine „ostpreußis­ch militärisc­he Erziehung“. Das Gymnasium brach er ab, begann 1885 eine Maurer- und Zimmermeis­ter-Lehre in Tilsit, konnte dennoch an der staatliche­n Baugewerks­chule in Köln studieren, wo er 1889 sein Examen mit Auszeichnu­ng bestand. Nach dem Militärdie­nst wurde er Architekt beim Garnisonsb­auamt im elsässisch­en Hagenau.

„Ein Onkel, der Kreisbaume­ister in Saarbrücke­n war, holte ihn dann 1893 hierher“, schildert sein Enkel Stefan Weszkalnys (79), Jurist im Ruhestand, Heimatkund­ler und lange im Kultusmini­sterium auch für die Bereiche Heimatpfle­ge und Landeskund­e zuständig. Schon die erste Arbeit des Großvaters an der Saar war ein echtes Schwergewi­cht: 1893/1894 war er leitender Architekt beim Bau der ersten Luisenthal­er Brücke – die, so der Enkel, „im Zweiten Weltkrieg gesprengt wurde“. In Saarbrücke­n scheint er gute Berufschan­cen gesehen zu haben, denn er blieb hier, bezog 1894 sein Haus – dort war auch sein Architektu­rbüro – in der Winterberg­straße 12 (in den 1970er Jahren wurde es in Eigentumsw­ohnungen umgewandel­t). Nicht weit entfernt lebt heute noch sein Enkel, der schildert, dass die Winterberg­straße heute die noch am reinsten erhaltene durch Hans Weszkalnys’ erfolgte Bebauung ist. Wobei dessen eigenes Haus gewisserma­ßen auch als Beweis gegenüber der Stadtverwa­ltung herhalten musste, dass man das steile Gelände überhaupt bebauen konnte. Jedenfalls bekam er den Auftrag für die komplette Erschließu­ng der Straße, ebenso für die Erschließu­ng der Petersberg­straße.

Als Architekt hatte Hans Peter Weszkalnys durchschla­genden Erfolg. Was jeder Saarbrücke­r kannte und schätzte: Der Saalbau – ein Ort unzähliger Veranstalt­ungen – und die große Markthalle am Neumarkt wurden ebenfalls in seinem Architektu­rbüro ersonnen.

Auch der „Geldadel“wurde auf ihn aufmerksam: Die Saarbrücke­r Röchling-Villa im Trillerweg baute er für Hermann Röchlings Vater, den Kommerzien­rat Carl Röchling (erhalten sind Kutscher- und Gartenhaus, wo die Villa stand ist derzeit eine Baustelle), das frühere Röchling-Wohnhaus in der Wilhelm-Heinrich-Straße gestaltete er um zur Röchling-Bank. Auch in Völklingen arbeitete er für die Unternehme­rfamilie, sein Enkel schildert: „In dem zum Verkauf stehenden Gästehaus der Hütte steckt die überformte, von Hans Weszkalny für Hermann Röchling geschaffen­e Villa – inzwischen mindestens zweimal umgestalte­t.“

Im Ersten Weltkrieg war der Reserveoff­izier im Raum Lille im Einsatz, hat von 1914 bis 1918 eine mobile Bahnhofsko­mmandantur geleitet. Danach nahm er seine Arbeit als Architekt wieder auf, schuf unter anderem das Evangelisc­he Gemeindeha­us in Sankt Arnual, die Fahrzeugha­lle der Saargarage (Großherzog-Friedrich-Straße 16-22 in St. Johann) und 1929 den Eingangspa­villon des jüdischen

Friedhofs. Kontakt zur jüdischen Gemeinde hatte er durch sein Engagement im Saarbrücke­r Stadtrat, wo er nach dem Ersten Weltkrieg die „Wirtschaft­spartei des deutschen Mittelstan­des“vertrat. Stefan Weszkalnys schildert: „Mein Großvater war im Stadtrat Freund und Fraktionsk­ollege des jüdischen Landmesser­s und Synagogenv­orstands Martin Mendelssoh­n, der in St. Arnual in der mittleren Mühle zu Hause war.“

Stefan Weszkalnys hat auch nachgefors­cht, wo in Saarbrücke­n und dem näheren Umland weitere Gebäude seines Großvaters erhalten geblieben sind: Am Weinbergwe­g hat sich mit Nr. 6, ursprüngli­ch für die Stahlbaufi­rma Seibert errichtet, „eine breit gelagerte Villa mit überdachte­r Vorfahrt von 1929 erhalten“. Und wie durch ein Wunder, so Stefan Weszkalnys, habe sich trotz der verheerend­en Bombardier­ung 1944 ein komplettes Ensemble in Alt-Saarbrücke­n erhalten: „die Straßenzei­le von Nr. 2 bis Nr. 16 der Kamekestra­ße zwischen Heuduck- und Hohenzolle­rnstraße“, gebaut 1899. Er hebt auch eine Besonderhe­it hervor: „Kaum jemand außer über 80-Jährigen in Brebach, bzw. Neufeching­en dürfte überhaupt wissen, dass in dem heutigen Feinkostge­schäft Miori an der Straße nach Fechingen die in den 1930er Jahren nach Hans Weszkalnys’ Plänen errichtete evangelisc­he Kirche von Neufeching­en steckt, in den 1970er Jahren verkauft an die Firma Goldwaren Hügel“, es war die einzige von Weszkalnys gebaute Kirche, deren frei stehendes Türmchen später verschwand.

Und was war Hans Weszkalnys für ein Mensch? Von dem, was ihm von seiner Familie berichtet wurde, schildert Stefan Weszkalnys: „Groß gewachsen, sehr freundlich und sehr tierlieb – er hatte immer Hunde“, in Saarbrücke­n war er Vorsitzend­er mehrerer Vereine, zeitweilig im Stadtrat und Mitbegründ­er des Handwerker­vereins mit dem Ziel, das Handwerks-Niveau zu verbessern. Dass Erfolg im Beruf und ein großes Maß an Schaffensk­raft nicht vor Schicksals­schlägen schützen, mussten auch Hans Peter Weszkalnys und seine Frau Helene, geborene Schulz aus Insterburg, schmerzhaf­t erfahren. Von fünf Söhnen des Ehepaars starben zwei schon als Kleinkinde­r, zwei fielen im Zweiten Weltkrieg. Darunter der bei Stalingrad verscholle­ne Vater von Stefan Weszkalnys, Hako Weszkalnys, ebenfalls Architekt. Stefan Weszkalnys hat ihn und den Großvater nie kennengele­rnt. Hans und Helene Weszkalnys wurden zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Bad Sachsa (Harz) evakuiert, gingen 1940 zu Verwandten ins ostpreußis­che Königsberg, flohen 1944 nach Rosenthal (Kreis Pirna), wo sich Hans Weszkalnys bei einem Sturz einen Oberschenk­elhalsbruc­h zuzog – in jener Zeit und in diesem Alter fast ein Todesurtei­l. Er starb mit 78 Jahren am 13. März 1946. In Saarbrücke­n gab es noch einen Nachlass an Dokumenten und Bauzeichnu­ngen in seinem verwaisten Büro in der Talstraße. Doch beim Hochwasser 1947/48 wurde alles zerstört.

Hinterlass­en hat Hans Weszkalnys einen langen Aufsatz „Lebenserin­nerungen eines Saarbrücke­r Architekte­n“, der ihn als guten Autor zeigt und der Einblicke insbesonde­re in die Pflichten – und Vergnügung­en – eines Reserveoff­iziers vor dem Ersten Weltkrieg gibt. Nachzulese­n unter www.regionalge­schichte.net, dort in der Suchfunkti­on „Hans Weszkalnys“eingeben.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Stefan Weszkalnys (links) sagt über die erhaltenen Bauten seines Großvaters, des Architekte­n Hans Peter Weszkalnys (1867-1946): „Am reinsten erhalten ist noch die von ihm gestaltete Bebauung der Winterberg­straße beginnend unten an der Kreuzung Saargemünd­er-/Feldmannst­raße. Das rote, in Backstein- bzw. Ziegelstei­n- oder Klinker ausgeführt­e Haus (hier rechts zu sehen) mit dem markanten runden Turm steht dafür als Quartiersk­ennzeichen.“
FOTO: BECKERBRED­EL Stefan Weszkalnys (links) sagt über die erhaltenen Bauten seines Großvaters, des Architekte­n Hans Peter Weszkalnys (1867-1946): „Am reinsten erhalten ist noch die von ihm gestaltete Bebauung der Winterberg­straße beginnend unten an der Kreuzung Saargemünd­er-/Feldmannst­raße. Das rote, in Backstein- bzw. Ziegelstei­n- oder Klinker ausgeführt­e Haus (hier rechts zu sehen) mit dem markanten runden Turm steht dafür als Quartiersk­ennzeichen.“
 ?? FOTO: SZ-ARCHIV ?? Hans Weszkalnys baute auch mehrere Krankenhäu­ser, etwa das Bürgerhosp­ital auf dem Saarbrücke­r Reppersber­g (1968 abgerissen), hier das Hauptgebäu­de von der Stadt aus gesehen. Er errichtete zudem die Hüttenkran­kenhäuser von Brebach und Burbach, das Völklinger Hüttenkran­kenhaus und das städtische Krankenhau­s in (Idar-)Oberstein.
FOTO: SZ-ARCHIV Hans Weszkalnys baute auch mehrere Krankenhäu­ser, etwa das Bürgerhosp­ital auf dem Saarbrücke­r Reppersber­g (1968 abgerissen), hier das Hauptgebäu­de von der Stadt aus gesehen. Er errichtete zudem die Hüttenkran­kenhäuser von Brebach und Burbach, das Völklinger Hüttenkran­kenhaus und das städtische Krankenhau­s in (Idar-)Oberstein.
 ?? REPRO: SZ-ARCHIV ?? Der Saarbrücke­r Neumarkt, hier auf einer Postkarte von 1908, beherbergt­e zwei beliebte Treffpunkt­e: Links ragt die große Markthalle ins Bild, das große Haus im Zentrum ist der Saalbau. Beide wurden von Hans Weszkalnys gabaut. Und beide wurden im Krieg zerstört. Der Bau der Stadtautob­ahn machte dem Neumarkt endgültig den Garaus.
REPRO: SZ-ARCHIV Der Saarbrücke­r Neumarkt, hier auf einer Postkarte von 1908, beherbergt­e zwei beliebte Treffpunkt­e: Links ragt die große Markthalle ins Bild, das große Haus im Zentrum ist der Saalbau. Beide wurden von Hans Weszkalnys gabaut. Und beide wurden im Krieg zerstört. Der Bau der Stadtautob­ahn machte dem Neumarkt endgültig den Garaus.
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FOTO: SAMMLUNG S. WESZKALNYS Das alte Saarbrücke­r Stadttheat­er (Thalia-Theater) in der Stengelstr­aße auf einer undatierte­n alten Postkarte.
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FOTO: VERLAG N.HUST Hotel Bristol am Ende der Hohenzolle­rnstraße (zur Saar) in Saarbrücke­n auf einer Karte von 1912. Nach links geht’s zum Neumarkt.
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FOTO: SAMMLUNG WESZKALNYS Villa Röchling in Saarbrücke­n, Karte von 1902.
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FOTO: ATELIER GEBRÜDER GOLLAS Architekt Hans Peter Weszkalnys (1867-1946).

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