Bisher 1300 Corona-Kranke im Klinikum Saarbrücken
Die SZ bat das Klinikum Saarbrücken um eine Pandemie-Bilanz. An normalen Krankenhaus-Betrieb ist noch lange nicht zu denken.
SAARBRÜCKEN Mit einem bewundernswerten Kraftakt stemmten sich die Frauen und Männer von den Corona-Stationen des Klinikums Saarbrücken in den vergangenen Monaten gegen die Pandemie. Sie kämpften um die Gesundheit, in vielen Fällen um das Leben ihrer Patienten – und sie riskierten dabei, sich selbst zu infizieren. Sie mussten mitansehen und psychisch verarbeiten, wie ein Teil ihrer Patienten den Kampf verlor. Und egal wie schwer ihnen solche Fälle auf der Seele lagen – sie durften in ihrem Kampf nicht nachlassen, denn viele andere und immer neue Patienten brauchten sie.
Die SZ bat den Geschäftsführer und Ärztlichen Direktor des Klinikums, Dr. Christian Braun, um die neuesten Zahlen – in der Hoffnung damit zumindest einen schwachen Eindruck davon zu vermitteln, welche Dimensionen dieser Kampf und diese Belastungen hatten:
Rund 1300 Corona-Patienten hat das Klinikum Saarbrücken seit Beginn der Pandemie gepflegt. So viele wie kein anderes saarländisches Krankenhaus. 30 Prozent der Corona-Patienten mussten auf die Intensivstation und wiederum 90 Prozent der Intensiv-Patienten mussten in irgendeiner Form künstlich beatmet werden. 184 Menschen starben im Klinikum an Corona. Auch am 25. Juni hatte das Klinikum noch 5 Corona-Patienten, und zwei von ihnen mussten auf der Intensivstation beatmet werden.
Rund 200 Frauen und Männer aus allen Teilen der Klinik-Belegschaft haben sich im Laufe von etwas über 15 Monaten selbst mit Corona infiziert. Dabei lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob das im Klinikum oder außerhalb geschah. Laut Dr. Braun, sind „erfreulicherweise alle genesen“.
Braun berichtet: „Die überwiegende Zahl der Infektionen (beim Klinikpersonal; Anm. der Red.) verlief mild bzw. asymptomatisch. Eine Kollegin erlitt einen sehr schweren Verlauf, der eine mehrwöchige Intensivbehandlung erforderlich machte. Wir freuen uns sehr, dass sie genesen ist und mittlerweile auch wieder ihren Dienst in der Pflege aufgenommen hat.“
Um ihr Personal psychisch zu stützen, bietet die Klinik schon seit Beginn der ersten Infektionswelle Gespräche bei der Krankenhausseelsorge und der Personalabteilung an, außerdem gibt’s eine Info-E-Mail-Adresse – und eine Telefonhotline, bei der die Mitarbeiter sich auch anonym melden können.
Ebenfalls schon im Frühjahr 2020 hatte das Klinikum rund 4 Millionen Euro ausgegeben, um 33 zusätzliche Beatmungsbetten aufzustellen. 16 Kinder und 74 Erwachsene hätte das Klinikum im Extremfall gleichzeitig beatmen können. Diese Investition erwies sich als richtig. Braun: „Die technische Ausstattung war zu jeder Zeit ausreichend.“
Auf dem Höhepunkt der Pandemie betrieb das Klinikum zwei Corona-Isolierstationen, eine Überwachungsstation, eine Intensivstation und eine gesonderte Notaufnahme für Corona-Patienten.
Die zweite Welle der Pandemie war mit Abstand die heftigste. Braun: „In der Spitze hatten wir mehr als 70 Covid-Patientinnen und Patienten gleichzeitig in stationärer Behandlung.“Dann zeigte im Frühjahr 2021 die Impfkampagne für ältere Menschen ihre Wirkung.
Braun: „In der dritten Welle war die Zahl der Patienten niedriger, allerdings waren die Patienten jünger – und damit die Verweildauer im Krankenhaus, insbesondere auf den Intensivstationen, länger.“Es waren also Menschen aus allen Altersgruppen, die Hilfe im Klinikum fanden, wobei die Männer leicht in der Überzahl waren.
Um für all diese Patienten – und notfalls für noch mehr – genügend Betten und Personal zur Verfügung zu haben, musste das Klinikum während der zweiten und dritten Welle erneut Patienten mit anderen Krankheiten vertrösten, planbare Operationen und Behandlungen verschieben – und Betten freihalten. Folge: Einnahmeverluste. Denn von den 571 Klinikbetten standen während der ersten Welle im Schnitt 257 leer (45 Prozent), dreimal so viele wie im Normalbetrieb (86), im Herbst und Winter standen rund 30 Prozent leer, im Frühjahr 25 Prozent und jetzt sind es noch 20 Prozent.
Zwar erhielt das Klinikum für jedes freigehaltene Bett eine „Freihaltepauschale“von der Bundesregierung – aber die war zu niedrig, um die Verluste aufzufangen. (Im Sommer 2020 bezahlte der Bund 560 Euro pro Bett pro Tag, realistisch wären nach SZ-Berechnung rund 1400 Euro gewesen.)
Zu diesen Verlusten kommen seit Beginn der Pandemie noch Ausgaben für täglich rund 1000 Masken, mehrere hundert Schutzkittel und die Wiederaufbereitung von Brillen und Visieren. Und die Preise dafür steigen ständig. Außerdem musste das Klinikum ja die oben genannten Stationen und die Notaufnahme zur gesonderten Behandlung der Corona-Patienten schaffen, ein Test- und ein Mitarbeiter-Impfzentrum einrichten, zusätzliches Personal anstellen und eine Reihe Computer anschaffen.
Aber das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Denn das Klinikum ist noch immer weit davon entfernt, wieder im Normalbetrieb zu arbeiten. Schließlich muss es weiterhin Kapazitäten für Coronakranke bereithalten und gewährleisten, dass Corona-Patienten getrennt von allen anderen versorgt werden. Gleichzeitig gelten weiterhin im gesamten Haus die Abstandsund Hygieneregeln.
Braun: „Das bedeutet u.a., dass wir weiterhin alle Patienten aufwändig testen, und Mehrbettzimmer-Belegungen nur eingeschränkt möglich sind. Auch die Vorbereitungen für Untersuchungen bleiben deutlich aufwändiger. Auf absehbare Zeit ist ein Vor-Corona-Normalbetrieb nicht möglich.“
Konsequenz: Die Klinik kann auf absehbare Zeit nicht genug von dem tun, was sie tun müsste, um wieder schwarze Zahlen zu schreiben – was sie vor Corona nahezu 20 Jahre lang getan hat. Braun fürchtet: „Das Klinikum Saarbrücken wird das Jahr 2020 voraussichtlich mit einem Verlust in mittlerer einstelliger Millionenhöhe abschließen.“Und deshalb kam die Stadt dem Klinikum kürzlich mit 6,5 Millionen Euro zu Hilfe.