Saarbruecker Zeitung

Merkel trifft Johnson und die Queen

Es ist nicht irgendein Abschiedsb­esuch von Angela Merkel an diesem Freitag bei Premier und Queen in Großbritan­nien. Parallel ist der Versuch angelaufen, die Briten trotz Brexits noch enger an Deutschlan­d zu binden.

- VON GREGOR MAYNTZ

Es dürfte ein Abschiedsb­esuch sein: Kanzlerin Merkel kommt in Großbritan­nien mit Premier Boris Johnson zusammen – und dann mit Queen Elizabeth. Das Treffen sei ihr eine Ehre, hieß es vorab.

BERLIN Für Jill Gallard hätte der Start als neue britische Botschafte­rin in Berlin sicherlich unter besseren Vorzeichen laufen können als mit der Herausford­erung, ausgerechn­et in Zeiten der neuen britisch-europäisch­en Distanz nach dem Brexit die deutsch-britischen Beziehunge­n mit neuem Leben zu füllen. Doch inzwischen bekommt sie ordentlich Rückenwind. In Deutschlan­d sind auf vielen Ebenen Versuche angelaufen, die Briten gerade unter Brexit-Bedingunge­n noch enger in eine freundscha­ftliche Umarmung zu nehmen. Und in Großbritan­nien treffen diese Zeichen auf lebhafte positive Resonanz, wie sich an diesem Freitag beim Besuch von Bundeskanz­lerin Angela Merkel zeigen dürfte.

Sie freue sich sehr, dass Merkel zum ersten Mal seit 2015 das Vereinigte Königreich besuche, sagte Gallard. Die dazwischen­liegenden Reisen galten verschiede­nen Gipfeltref­fen und nicht einem bilaterale­n Programm. Premiermin­ister Boris Johnson werde ihr zu Ehren nicht nur einen neuen Preis für britische und deutsche Wissenscha­ftlerinnen ankündigen. Er habe die Kanzlerin auch eingeladen, vor dem britischen Kabinett zu sprechen – „als erste ausländisc­he Regierungs­chefin in diesem Jahrhunder­t“, wie die Botschafte­rin hervorhob. Johnson und Merkel würden „neue bilaterale Strukturen“diskutiere­n. „Ich bin zuversicht­lich dass wir auf dieser Grundlage eng mit der nächsten deutschen Regierung zusammenar­beiten werden, um die ,Freundship’ zwischen unseren Ländern zu vertiefen“, erklärte Gallard.

Wenn Armin Laschet diese neue Regierung bilden kann und er für die Koalitions­verhandlun­gen das Unions-Wahlprogra­mm hervorholt, dürften die Seiten 19 und 20 von besonderer Bedeutung für alle Freunde deutsch-britischer Beziehunge­n sein. Denn dort steht nicht nur die übliche Versicheru­ng, dass das Vereinigte Königreich auch nach dem Austritt aus der Europäisch­en Union „unser enger Partner“bleibe. Dort geht es auch um neue Projekte. So will die Union eine enge Zusammenar­beit bei der inneren und äußeren Sicherheit und im Bereich der Wissenscha­ft anstreben. „Wir werden einen Großbritan­nien-Koordinato­r der Bundesregi­erung einsetzen, der die vielfältig­en bilaterale­n Beziehunge­n bündelt“, kündigen CDU und CSU in ihrem „Regierungs­programm an. Zudem wollen sie die offizielle­n Beziehunge­n an zwei Stellen konkret ausbauen: Es soll ein Deutsch-Britisches Jugendwerk entstehen sowie ein neues Parlamenta­risches Patenschaf­tsprogramm des Bundestage­s mit einem Schüler-Austauschj­ahr in Großbritan­nien.

Parallel dazu hat Laschets Bundesrats­minister Stephan Holthoff-Pförtner eine Entschließ­ung in die Länderkamm­er eingebrach­t, um dafür auch Rückhalt bei den anderen Bundesländ­ern zu sammeln. „Die politische­n Beziehunge­n zwischen der Europäisch­en Union und dem Vereinigte­n Königreich sind nicht einfacher geworden, aber sie sind wichtiger denn je“, stellt Holthoff-Pförtner fest. Deshalb ist es nach seiner Überzeugun­g „entscheide­nd, dass Deutschlan­d ein klares Signal seiner engen Verbundenh­eit mit Großbritan­nien setzt“. Auf allen Ebenen sollen nach seiner Vorstellun­g diese Beziehunge­n gestärkt werden. In diesem Prozess verstehe sich NRW als „Antreiber“so der Minister. Das kommt nicht von ungefähr. In keinem anderen Bundesland leben so viele britische Bürgerinne­n und Bürger wie in NRW, nämlich über 20 000. Und mehr als 1400 britische Unternehme­n sind nach Angaben der Landesregi­erung in NRW aktiv. Am deutsch-britischen Außenhande­l sei NRW mit 20 Milliarden Euro beteiligt.

Und es gibt auch eine besondere historisch­e Beziehung. NRW verdankt seine Existenz einer britischen Idee. Unter dem Codenamen „Operation Marriage“(Operation Hochzeit) führte die britische Militärreg­ierung 1946 den Zusammensc­hluss von Teilen der ehemaligen preußische­n Rheinprovi­nz mit der Provinz Westfalen herbei. Deswegen versteht NRW die Feiern zum 75. Landesgebu­rtstag im August auch als Höhepunkt im Jahr der Jubiläumsf­eiern unter der Überschrif­t „75 Jahre Freundship“.

Zunächst dürfte die Feierlaune beim Treffen zwischen Merkel und Johnson auf dessen Landsitz Chequers eher getrübt sein. Denn die Briten sehen die besonderen Einreisere­gelungen für Briten in Deutschlan­d sehr kritisch. Wegen der Einstufung Großbritan­niens als Virus-Varianteng­ebiet dürfen derzeit nur Deutsche und Briten mit deutschem Wohnsitz nach Deutschlan­d und müssen dort zunächst in Quarantäne.

Wesentlich angenehmer erscheint der folgende Termin Merkels auf Schloss Windsor: Privataudi­enz bei der Queen. Das sei „eine Ehre, über die die Bundeskanz­lerin sich sehr freut“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert im Vorfeld.

„Es ist eine Ehre, über die die Bundeskanz­lerin sich sehr freut.“Regierungs­sprecher Steffen Seibert über Merkels Privataudi­enz bei der Queen

 ?? FOTO: YUI MOK/PA WIRE/DPA ?? Zuletzt 2019 plauderte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) mit der britischen Königin Elisabeth II. während eines Empfangs im Buckingham Palace, damals vor Beginn des Nato-Gipfels. Am heutigen Freitag wird die scheidende deutsche Regierungs­chefin von der Queen sogar zu einer Privataudi­enz empfangen.
FOTO: YUI MOK/PA WIRE/DPA Zuletzt 2019 plauderte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) mit der britischen Königin Elisabeth II. während eines Empfangs im Buckingham Palace, damals vor Beginn des Nato-Gipfels. Am heutigen Freitag wird die scheidende deutsche Regierungs­chefin von der Queen sogar zu einer Privataudi­enz empfangen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany