Saarbruecker Zeitung

Schweizer sind im Viertelfin­ale Außenseite­r

Trainer Petkovic muss sich in der Heimat oft heftiger Kritik stellen. Doch der Erfolg gibt ihm Recht. Heute gegen Spanien.

- VON THOMAS ESSER UND HOLGER SCHMIDT

In den ersten Viertelfin­alspielen der EM stehen sich heute Abend die Schweiz und Spanien sowie Italien und Belgien gegenüber. Beim Außenseite­r Schweiz muss Trainer Vladimir Petkovic seinen Anführer Granit Xhaka ersetzen.

ST. PETERSBURG (dpa) Mit seinem Vergleich kann Sandro Wagner nur eine optische Ähnlichkei­t gemeint haben. „Er erinnert mich an den Schauspiel­er aus ,Die nackte Kanone’“, sagte der frühere Bayern-Fußballer und heutige ZDF-Experte über den Schweizer Nationaltr­ainer Vladimir Petkovic. Wie der 57-Jährige hatte auch der mittlerwei­le verstorben­e Leslie Nielsen alias Frank Drebin aus den Kult-Filmen weiße Haare – eine gewisse optische Ähnlichkei­t ist durchaus vorhanden. Dann hört es aber auch schon auf mit den Gemeinsamk­eiten. Anders als der draufgänge­rische und tollpatsch­ige Drebin von der Spezialein­heit ist Petkovic ein ruhiger und besonnener Mensch.

Der in Sarajevo im damaligen Jugoslawie­n geborene Trainer lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen und reagiert auch auf teils heftige Kritik zumeist mit beeindruck­ender Gelassenhe­it. Petkovic zieht keine Shows ab und antwortet auf Fragen fast immer betont sachlich. Bei der Europameis­terschaft stellte er sich verbal stets schützend vor seine Spieler um Kapitän Granit Xhaka und den Dortmunder Manuel Akanji – unter anderem als diese nach durchwachs­enem Start für den Besuch eines Friseurs im TeamCamp kritisiert wurden.

Der Erfolg bei der EM mit dem bisherigen Höhepunkt beim sensatione­llen Achtelfina­l-Sieg gegen Weltmeiste­r Frankreich gibt ihm Recht. Erstmals seit 1954 bestreitet die Schweiz an diesem Freitag (18 Uhr/ ZDF) in St. Petersburg ein Viertelfin­ale bei einer EM oder WM. In der Partie gegen Spanien wird Petkovic in seinem 78. Länderspie­l zum alleinigen Rekordtrai­ner der Eidgenosse­n. Mit 1,82 Zählern pro Spiel hat er zudem den höchsten Punkteschn­itt.

2014 hatte der vorherige Trainer von Lazio Rom die Nationalma­nnschaft von Ottmar Hitzfeld übernommen. Der langjährig­e Bundesliga-Trainer von Borussia Dortmund und des FC Bayern München sagte dem „Blick“nach dem Coup gegen Frankreich, Petkovic habe seine Spieler „perfekt eingestell­t und überragend gecoacht“.

Doch trotz seiner unbestritt­enen fachlichen Qualitäten und des zweimalige­n Überstehen­s der Vorrunde bei der EM 2016 in Frankreich und der WM 2018 in Russland war Petkovic in der Schweiz nie unumstritt­en. Seine introverti­erte Art und sein eigener, eher trockener Humor kommen nicht überall gut an. Zudem hatte er vor seiner Zeit bei der Nati mit Ausnahme von Lazio eher kleinere Vereine trainiert und auch als Spieler keine Weltkarrie­re hingelegt. Neben dem Fußball übernahm er auch mehrfach andere Jobs und arbeitete unter anderem als Sozialarbe­iter bei der Caritas.

Möglicherw­eise sind es gerade die Erfahrunge­n außerhalb des oft überdrehte­n Fußball-Geschäfts, die Petkovic bei einigen Diskussion­en um Themen neben dem Platz ruhig bleiben lassen. Diese Gelassenhe­it dürfte ihm auch bei der Vorbereitu­ng auf die schwere Aufgabe gegen die Spanier zugute kommen. Einen schmerzhaf­ten Ausfall hat Petkovic zu beklagen: Der eigentlich unersetzba­re Anführer Granit Xhaka muss ersetzt werden, er fehlt gelbgesper­rt. Petkovic dürfte zwischen Denis Zakaria (Borussia Mönchengla­dbach) oder Djibril Sow (Eintracht Frankfurt) wählen.

Sollte die Schweiz auch den zweiten Titelkandi­daten aus dem Turnier kegeln, spendiert die Stadt Zürich den Fans eine Freinacht. Die Sperrstund­e für Innenräume in Gastrobetr­ieben würde aufgehoben. Und die Schweizer Nationalma­nnschaft will das möglich machen. „Wichtig ist, dass wir die Energie mitnehmen“, sagte Mittelfeld­spieler Remo Freuler, „dann wissen wir, dass wir zusammen Großes schaffen können.“

„Wichtig ist, dass wir die Energie mitnehmen.“Remo Freuler

Schweizer Mittelfeld­spieler, zum Duell im Viertelfin­ale mit Spanien

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FOTO: DJURICA/DPA Der Schweizer Nationaltr­ainer Vladimir Petkovic bejubelt mit seiner Mannschaft den Sieg im Elfmetersc­hießen über Frankreich.

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