Schweizer sind im Viertelfinale Außenseiter
Trainer Petkovic muss sich in der Heimat oft heftiger Kritik stellen. Doch der Erfolg gibt ihm Recht. Heute gegen Spanien.
In den ersten Viertelfinalspielen der EM stehen sich heute Abend die Schweiz und Spanien sowie Italien und Belgien gegenüber. Beim Außenseiter Schweiz muss Trainer Vladimir Petkovic seinen Anführer Granit Xhaka ersetzen.
ST. PETERSBURG (dpa) Mit seinem Vergleich kann Sandro Wagner nur eine optische Ähnlichkeit gemeint haben. „Er erinnert mich an den Schauspieler aus ,Die nackte Kanone’“, sagte der frühere Bayern-Fußballer und heutige ZDF-Experte über den Schweizer Nationaltrainer Vladimir Petkovic. Wie der 57-Jährige hatte auch der mittlerweile verstorbene Leslie Nielsen alias Frank Drebin aus den Kult-Filmen weiße Haare – eine gewisse optische Ähnlichkeit ist durchaus vorhanden. Dann hört es aber auch schon auf mit den Gemeinsamkeiten. Anders als der draufgängerische und tollpatschige Drebin von der Spezialeinheit ist Petkovic ein ruhiger und besonnener Mensch.
Der in Sarajevo im damaligen Jugoslawien geborene Trainer lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen und reagiert auch auf teils heftige Kritik zumeist mit beeindruckender Gelassenheit. Petkovic zieht keine Shows ab und antwortet auf Fragen fast immer betont sachlich. Bei der Europameisterschaft stellte er sich verbal stets schützend vor seine Spieler um Kapitän Granit Xhaka und den Dortmunder Manuel Akanji – unter anderem als diese nach durchwachsenem Start für den Besuch eines Friseurs im TeamCamp kritisiert wurden.
Der Erfolg bei der EM mit dem bisherigen Höhepunkt beim sensationellen Achtelfinal-Sieg gegen Weltmeister Frankreich gibt ihm Recht. Erstmals seit 1954 bestreitet die Schweiz an diesem Freitag (18 Uhr/ ZDF) in St. Petersburg ein Viertelfinale bei einer EM oder WM. In der Partie gegen Spanien wird Petkovic in seinem 78. Länderspiel zum alleinigen Rekordtrainer der Eidgenossen. Mit 1,82 Zählern pro Spiel hat er zudem den höchsten Punkteschnitt.
2014 hatte der vorherige Trainer von Lazio Rom die Nationalmannschaft von Ottmar Hitzfeld übernommen. Der langjährige Bundesliga-Trainer von Borussia Dortmund und des FC Bayern München sagte dem „Blick“nach dem Coup gegen Frankreich, Petkovic habe seine Spieler „perfekt eingestellt und überragend gecoacht“.
Doch trotz seiner unbestrittenen fachlichen Qualitäten und des zweimaligen Überstehens der Vorrunde bei der EM 2016 in Frankreich und der WM 2018 in Russland war Petkovic in der Schweiz nie unumstritten. Seine introvertierte Art und sein eigener, eher trockener Humor kommen nicht überall gut an. Zudem hatte er vor seiner Zeit bei der Nati mit Ausnahme von Lazio eher kleinere Vereine trainiert und auch als Spieler keine Weltkarriere hingelegt. Neben dem Fußball übernahm er auch mehrfach andere Jobs und arbeitete unter anderem als Sozialarbeiter bei der Caritas.
Möglicherweise sind es gerade die Erfahrungen außerhalb des oft überdrehten Fußball-Geschäfts, die Petkovic bei einigen Diskussionen um Themen neben dem Platz ruhig bleiben lassen. Diese Gelassenheit dürfte ihm auch bei der Vorbereitung auf die schwere Aufgabe gegen die Spanier zugute kommen. Einen schmerzhaften Ausfall hat Petkovic zu beklagen: Der eigentlich unersetzbare Anführer Granit Xhaka muss ersetzt werden, er fehlt gelbgesperrt. Petkovic dürfte zwischen Denis Zakaria (Borussia Mönchengladbach) oder Djibril Sow (Eintracht Frankfurt) wählen.
Sollte die Schweiz auch den zweiten Titelkandidaten aus dem Turnier kegeln, spendiert die Stadt Zürich den Fans eine Freinacht. Die Sperrstunde für Innenräume in Gastrobetrieben würde aufgehoben. Und die Schweizer Nationalmannschaft will das möglich machen. „Wichtig ist, dass wir die Energie mitnehmen“, sagte Mittelfeldspieler Remo Freuler, „dann wissen wir, dass wir zusammen Großes schaffen können.“
„Wichtig ist, dass wir die Energie mitnehmen.“Remo Freuler
Schweizer Mittelfeldspieler, zum Duell im Viertelfinale mit Spanien