Saarbruecker Zeitung

Stiko hält sich mit Empfehlung zu Auffrischu­ngsimpfung zurück

Die gefährlich­e Delta-Variante des Coronaviru­s verbreitet sich in Deutschlan­d rasant, doch die Ständige Impfkommis­sion hält die Datenlage noch für zu dünn.

- VON ANTJE HÖNING UND JANA WOLF Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Frauke Scholl

BERLIN In der Debatte um mögliche Auffrischu­ngsimpfung­en gegen Covid-19 hält der Vorsitzend­e der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko), Thomas Mertens, die Datenlage noch für zu dünn, um klare Empfehlung­en abzugeben. „Für eine solide Antwort braucht es noch Daten, Zeit und Arbeit“, sagte Mertens unserer Redaktion. Dabei stellt sich die Frage nach der aufgefrisc­hten Schutzimpf­ung umso dringliche­r, je weiter sich die Delta-Virusvaria­nte in Deutschlan­d ausbreitet. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) gehen bundesweit mittlerwei­le 34 Prozent der Corona-Infektione­n auf die zuerst in Indien aufgetrete­ne Mutation zurück. Laut RKI ist damit zu rechnen, dass sich die Delta-Variante gegenüber den anderen Varianten durchsetze­n werde. Schon in dieser Woche dürfte sie mindestens die Hälfte aller Neuinfekti­onen ausmachen.

Laut Stiko-Chef Mertens kann die Dauer der Schutzwirk­ung einer Impfung durch die sogenannte­n mRNA-Impfstoffe (Biontech und Moderna) nur in Verlaufsst­udien bestimmt werden. Dabei müsse man genau definieren, ob der Schutz generell vor einer Covid-19-Erkrankung, vor schweren Krankheits­verläufen, Hospitalis­ierung oder Tod gemeint sei. „Das kann und wird wohl auseinande­rklaffen“, sagte Mertens.

Zudem müsse man auch zwischen sogenannte­n Immunparam­etern, die im Labor bestimmbar sind, und der Schutzdaue­r einer Impfung unterschei­den. „Beides ist nicht bei allen gleich, sondern abhängig vom Alter und der Immunkompe­tenz des Geimpften“, sagte der Virologe. Die Studienerg­ebnisse zu Immunparam­etern sind laut Mertens noch rar, weitere werden im Sommer erwartet.

Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) sagte am Donnerstag, man bereite mögliche Auffrischu­ngsimpfung­en für pflegebedü­rftige Menschen in Pflegeeinr­ichtungen „gedanklich“bereits vor. „Ich rechne bald mit Empfehlung­en der Ständigen Impfkommis­sion, was immunsuppr­imierte Menschen angeht und die Notwendigk­eit einer Auffrischi­mpfung“, sagte Spahn in Berlin. Dafür werde der Impfstoff aus den Lieferunge­n so beiseite gelegt werden, „dass es jedenfalls dann losgehen kann ohne Mangel, sondern die Auffrischi­mpfungen auch zügig in kurzer Zeit erfolgen können“.

Unabhängig von den Auffrischu­ngen empfiehlt die Stiko nach einer ersten Impfung mit dem Astrazenec­a-Impfstoff möglichst schnell eine zweite Impfung mit Moderna oder Biontech. Die „heterologe Impfung“funktionie­re sehr gut und zeige „immunologi­sch beste Ergebnisse“, sagte Mertens. Laut Stiko sei mindestens ein vierwöchig­er Abstand zwischen den beiden Impfungen einzuhalte­n. Dies gelte unabhängig vom Alter.

Derweil warb SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach dafür, dass die Ständige Impfkommis­sion ihre Einschränk­ung beim Kinder-Impfen überdenkt: „Impfungen sind ungefährli­cher als eine Erkrankung.“Insbesonde­re für Kinder sei Delta eine Gefahr. Es handle sich nicht um irgendeine Variante, erklärte Lauterbach. Bezogen auf die Ansteckung sei dies der größte Sprung, den eine Corona-Variante bisher gezeigt habe.

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