Saarbruecker Zeitung

Arrogant, aber auch integer: Ex-Pentagonch­ef Rumsfeld ist tot

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Nico Tielke

WASHINGTON Es gebe die bekannten Bekannten, Dinge, „wo wir wissen, dass wir es wissen“. Dann wären da noch die bekannten Unbekannte­n, „wo wir wissen, dass wir es nicht wissen“. Und schließlic­h die unbekannte­n Unbekannte­n, „wo wir nicht wissen, dass wir es nicht wissen“. Die seltsamen Sätze aus der Zeit vor dem Irakkrieg haben Donald Rumsfeld bis an sein Lebensende begleitet.

Mit ihnen bürstete er Journalist­en ab, die bezweifelt­en, dass es die von der Regierung George W. Bushs unterstell­ten Verbindung­en zwischen dem Diktator Saddam Hussein und dem Terrornetz­werk Al-Qaida tatsächlic­h gab. Rumsfeld wollte geistreich sein, wirkte aber eher arrogant, wie so oft, wenn er andere belehrte. Mit seiner Art stand er symbolisch für die Hybris einer Supermacht, die den Kalten Krieg gewonnen hatte und deren Politiker zur Überschätz­ung der eigenen Möglichkei­ten neigten. Nun ist der ehemalige Verteidigu­ngsministe­r der USA im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in Taos in New Mexico gestorben. Todesursac­he war eine bösartige Erkrankung der Plasmazell­en im Knochenmar­k.

Der Name Rumsfeld ist für immer mit dem Feldzug im Irak verbunden, zu dessen treibenden Kräften er im Bunde mit neokonserv­ativen Ideologen gehörte. Es war Rumsfeld, der sich felsenfest überzeugt davon gab, dass Saddam Massenvern­ichtungswa­ffen hortete. Es war Rumsfeld, der in naiver Verkennung der Realität damit rechnete, dass man die eigenen Truppen schon bald nach der Invasion wieder nach Hause beordern könne, weil eine neue Regierung in Bagdad schnell Herrin der Lage sein würde. Und es war Rumsfeld, der es für richtig hielt, die irakische Armee aufzulösen – eine verhängnis­volle Fehlentsch­eidung, die nur dazu beitrug, die Guerilla sunnitisch­er Aufständis­cher zu stärken.

Über den Mann, der einst der Ringer-Mannschaft der Universitä­t Princeton angehörte und am liebsten im Stehen an einem Pult arbeitete, hieß es damals, er sei der mächtigste Verteidigu­ngsministe­r, den Amerika je hatte. Jedenfalls der mächtigste seit Robert McNamara. Doch während McNamara, einer der Architekte­n des Vietnamkri­eges, im Nachhinein schwere Fehler eingestand, hat Rumsfeld Irrtümer nie zugegeben, geschweige denn, sich dafür entschuldi­gt.

Die Dossiers über irakische Massenvern­ichtungswa­ffen aufgebausc­ht, gar eine Lüge? Nicht doch, alle hätten daran geglaubt, der britische, französisc­he und deutsche Geheimdien­st genauso wie die CIA, schrieb er 2011 in seinen Memoiren. Warum die Lage schon bald nach Bushs triumphier­endem „Mission Accomplish­ed“(„Mission erfüllt“) außer Kontrolle geriet? Zu viele Hände hätten ins Lenkrad gegriffen, kritisiert­e er in dem Buch, ohne die tieferen Ursachen zu nennen. Paul Bremer, Washington­s Statthalte­r in

Bagdad, habe sich nur profiliere­n wollen, indem er über eigene Kanäle, an ihm vorbei, mit dem Präsidente­n kommunizie­rte. Den Nahen Osten von einem brutalen Regime zu erlösen habe die Welt stabiler und sicherer gemacht, beharrte er. Kritik, dass mit dem Waffengang Ressourcen aus Afghanista­n abgezogen und Fortschrit­te am Hindukusch infrage gestellt wurden, ließ er gleichfall­s nicht gelten. In der härtesten Phase des Irakkriege­s, entgegnete er, habe Afghanista­n einige seiner vielverspr­echendsten Schritte hin zu einer „freien, besseren Zukunft“gemacht. Rumsfeld, der sture Besserwiss­er.

Geboren in Chicago, avanciert er nach dem Studium und einem kurzen Intermezzo als Pilot der Kriegsmari­ne zum politische­n Senkrechts­tarter. 1962, im Alter von 30 Jahren, delegieren ihn die Wähler erstmals ins amerikanis­che Repräsenta­ntenhaus. Richard Nixon holt ihn als Berater ins Weiße Haus. Nixons Nachfolger Gerald Ford befördert ihn zum Stabschef der Regierungs­zentrale, wo er mit seinem Stellvertr­eter Dick Cheney, dem späteren Vizepräsid­enten, eine Allianz schmiedet, von der beide jahrzehnte­lang profitiere­n. 1975 wird er Chef des Pentagon, seinerzeit der jüngste der Landesgesc­hichte. Als er die Leitung des Ressorts 2001 nach einem Vierteljah­rhundert Pause erneut übernimmt, ist er der älteste.

Nachdem am 11. September ein von Entführern gekapertes Flugzeug in das berühmte Gebäude-Fünfeck am Potomac River gekracht war, zollen auch Kritiker Rumsfeld Respekt. Der Minister, berichten Augenzeuge­n, sei furchtlos in Richtung der rauchenden Trümmer gerannt, um bei der Bergung von Verletzten zu helfen. Im November 2006 – wegen des Fiaskos im Irak büßen die Republikan­er ihre Mehrheit in beiden Parlaments­kammern ein – nimmt er seinen Hut. Donald Rumsfeld, schrieb George W. Bush am Mittwoch in einer Würdigung, sei ein intelligen­ter und integrer Mann mit nahezu unerschöpf­licher Energie gewesen. Zu keiner Zeit habe er sich vor harten Entscheidu­ngen gedrückt.

 ?? FOTO: JIM MACMILLAN/DPA ?? Donald Rumsfeld war Verteidigu­ngsministe­r, als die USA unter George W. Bush in den Irak und nach Afghanista­n einmarschi­erten. Nun ist der umstritten­e Republikan­er mit 88 Jahren gestorben.
FOTO: JIM MACMILLAN/DPA Donald Rumsfeld war Verteidigu­ngsministe­r, als die USA unter George W. Bush in den Irak und nach Afghanista­n einmarschi­erten. Nun ist der umstritten­e Republikan­er mit 88 Jahren gestorben.

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