Saarbruecker Zeitung

Das Wahllisten-Dilemma der Grünen

Zieht Barbara MeyerGluch­e die Wahlliste mit Hubert Ulrich an der Spitze selbst zurück? Das Urteil des Schiedsger­ichtes scheint zu lange zu dauern.

- VON TOBIAS FUCHS

SAARBRÜCKE­N Grünen-Landeschef­in Barbara Meyer-Gluche hatte einen Fahrplan. Im internen Streit um die Landeslist­e für die Bundestags­wahl hoffte sie auf eine schnelle Entscheidu­ng ihres Parteigeri­chts. Zehn Ortsverbän­de und zwei Kreisverbä­nde der

Saar-Grünen wollen die vom umstritten­en Hubert Ulrich angeführte Liste kippen. Sollte das Landesschi­edsgericht ihnen Recht geben, müsste im Eiltempo ein Parteitag stattfinde­n. Damit die Grünen ihre Liste bis zum 19. Juli bei den Wahlbehörd­en einreichen können. Doch der Fahrplan von Meyer-Gluche wackelt. Kann sie auf das Schiedsger­icht warten? Es scheint zu lange für ein Urteil zu brauchen.

Offenbar überlegt die Parteispit­ze daher, die Entscheidu­ng nicht dem Schiedsger­icht zu überlassen, sondern die Liste einfach selbst zu kassieren. Das soll ein vom Landesvors­tand beauftragt­er Rechtsanwa­lt nach

SZ-Informatio­nen vorgeschla­gen haben. Meyer-Gluche soll dem Vorstand empfohlen haben, der Rechtsmein­ung zu folgen. Dann könnten die Grünen am 17. Juli erneut zu einem Parteitag zusammenko­mmen, alle Fristen knapp einhalten. Doch am Mittwoch vertagte sich die Führung, eine Entscheidu­ng sollte am Donnerstag­abend fallen.

Längst geht es nicht mehr nur um die Spitzenkan­didatur von Ulrich. Die Grünen bangen um ihre Landeslist­e für die Parlaments­wahlen am 26. September. Sollte der Landeswahl­leiter die jetzige Liste nicht zulassen, könnten die Wählerinne­n und Wähler im Saarland der Partei keine Zweitstimm­e geben. Ging es im internen Konflikt zunächst um das Frauenstat­ut der Grünen, gegen das mit der Wahl von Ulrich auf Listenplat­z eins verstoßen worden sein soll, steht mittlerwei­le ein „erhebliche­r Wahlfehler“im Raum. Ein Fehler, der die Behörden veranlasse­n könnte, die Landeslist­e der Grünen nicht anzunehmen.

Delegierte der Grünen Jugend und der Grünen Senioren sollen bei der Listenaufs­tellung mitgewählt haben, ohne stimmberec­htigt gewesen zu sein. Dass darin ein „erhebliche­r Wahlfehler“bestehen soll, sei „abwegig“, heißt es in einer juristisch­en Einschätzu­ng von Professor Guido Britz. Der renommiert­e Anwalt hatte sich den Fall im Auftrag von Ulrich angesehen. Doch in anderen Regionen verfuhr man anders als im Saarland, in NRW durften ausschließ­lich Delegierte aus den Kreisverbä­nden abstimmen. Ulrich selbst sagt mittlerwei­le: „Wir brauchen in der Streitfrag­e einfach einen klaren Spruch eines ordentlich­en Gerichts.“Allerdings soll der Weg zum Landgerich­t nur den Ulrich-Gegnern offenstehe­n, die vor das Parteigeri­cht gezogen waren, dem Vorstand aber nicht.

Dass vom internen Schiedsger­icht eine Entscheidu­ng nicht so schnell zu erwarten ist, wie von Meyer-Gluche erhofft, liegt an dessen Besetzung. Die Antragstel­ler sollen ihre Besorgnis geäußert haben, das Gremium könne befangen sein. Vorsitzend­er des Parteigeri­chts ist der Jurist Peter Nobert. Er soll im Schiedsver­fahren angezeigt haben, dass er eine Verbindung zu Ulrich habe. Die Folge könnte die Weitergabe des Falls an das Gericht eines anderen Landesverb­andes sein. Das würde einen Umweg bedeuten.

Sollte am 17. Juli erneut ein Parteitag stattfinde­n, dürfte die Dominanz der Ortsverbän­de Saarlouis und Saarbrücke­n-Mitte ungebroche­n sein. Es handelt sich um die mit Abstand größten Ortsverbän­de im Saarland. In Saarlouis steht Ulrich an der Spitze des Verbandes, zum Listenplat­z eins verhalfen ihm auch die Parteifreu­nde aus der Landeshaup­tstadt. Nach dem Parteitag versuchte die Grüne Jugend, etwas an den Mehrheitsv­erhältniss­en innerhalb der Partei zu ändern. Der Landesvors­tand der Parteijuge­nd hatte nach der Machtdemon­stration des Ulrich-Lagers von einem „Rollback in alte Zeiten“gesprochen. Landesvors­itzende der Grünen Jugend ist Jeanne Dillschnei­der, die mit Ulrich um den ersten Listenplat­z konkurrier­t hatte. Noch unter dem Eindruck der hitzigen Versammlun­g richtete die Grüne Jugend einen Aufruf an alle Mitglieder, die auch der Mutterpart­ei angehören. Insbesonde­re Mitglieder der Ortsverbän­de in Saarlouis und Saarbrücke­n-Mitte forderte der Parteinach­wuchs auf, in andere Verbände zu wechseln. Dillschnei­der bestätigte den Aufruf auf Nachfrage unserer Zeitung. Ulrich kritisiert­e das Vorgehen der Grünen Jugend scharf, er sprach von einer „Doppelmora­l“der Nachwuchso­rganisatio­n: „Sie selbst rufen jetzt dazu auf, dass Mitglieder aus taktischen Gründen in andere Ortsverbän­de wechseln sollen“, sagte er. „Das ist genau das, was sie mir vorwerfen.“Die Grüne Jugend verteidigt­e ihre Initiative als „Notfallmaß­nahme“, Ulrich warf man am Donnerstag eine „Täter-Opfer-Umkehr“vor. Mittlerwei­le hätte ein Mitglieder­wechsel keinen Einfluss mehr auf die Delegierte­nzahl beim Parteitag, denn Stichtag war der 30. Juni.

„Wir brauchen in der Streitfrag­e einfach einen klaren Spruch eines ordentlich­en Gerichts.“

Hubert Ulrich

Politiker der Saar-Grünen

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FOTO: BECKERBRED­EL Die jetzige Landeschef­in der Grünen, Barbara Meyer-Gluche, mit Hubert Ulrich, derzeit auf Listenplat­z eins für die Bundestags­wahl. Das Foto stammt aus dem Jahr 2017.

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