Saarbruecker Zeitung

Der Nachlass in der digitalen Welt

Bei einem Todesfall kommt zum Schmerz über den Verlust für die Angehörige­n auch ein Verwaltung­smarathon. Dabei muss auch an Verträge digitaler Dienstleis­ter wie Mobilfunka­nbieter gedacht werden. Das ist nicht immer einfach.

- VON JESSICA BECKER

SAARBRÜCKE­N Wenn ein geliebter Mensch stirbt, haben die Hinterblie­benen häufig einiges zu regeln. Einige Punkte wie eine Sterbeurku­nde an die Rentenvers­icherung oder Bank zu schicken, übernimmt häufig der Bestatter. Beim Thema Erbe und Nachlass denken die meisten wohl an ein Testament. Doch dabei wird meist das digitale Erbe vernachläs­sigt. Was passiert mit Konten bei sozialen Netzwerken, Kurznachri­chtendiens­ten oder Mobilfunkv­erträgen? Das kann komplizier­t werden. Für die Familie kann dann zum Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen noch der Stress eines Verwaltung­smarathons kommen. Ein persönlich­er Erfahrungs­bericht.

Wer beim digitalen Nachlass nicht vorsorgt, hinterläss­t den Anbietern seine Daten. „Deshalb ist es für jeden ratsam, seine Daten im Blick zu haben, wenn es um Regelungen nach dem Ableben geht“, erklärt der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen. Aber die meisten Menschen müssen sich eingestehe­n, dass sie nicht so weit denken – so auch im Falle meiner Familie. Nach dem Tod eines Angehörige­n mussten wir zunächst einmal sortieren: Welche Online-Konten gibt es überhaupt? Wo müssen wir eine Kündigung einreichen? Was benötige ich dazu?

Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen rät zu einem Testament, in dem eine Person bevollmäch­tigt wird, alle Konten zu verwalten. Bestenfall­s sollte es auch eine Liste mit allen Zugangsdat­en umfassen. Glückliche­rweise ist unser Umgang mit Passwörter­n zu Hause recht offen, zumindest kennen wir Kinder die Zugangsdat­en unserer Eltern zum größten Teil. Kinder sind bekanntlic­h in den meisten Familien die Rettung, wenn es bei der Technik klemmt.

Eine Kopie der Sterbeurku­nde ist beim digitalen Nachlass das wichtigste Dokument. Bestenfall­s hat man sie auch als PDF-Datei eingescann­t auf dem Computer. Damit lässt sich nahezu alles regeln, sofern ein Nachweis gebraucht wird. Auch ein Erbschein kann hilfreich sein, wie die Frankfurte­r Rechtsanwä­ltin Maria Anwari erklärt: „Bei gmx.de und web.de können Erben nach Vorlage eines Erbscheins auf das Postfach zugreifen, es aufrechter­halten oder löschen.“

Beim sozialen Netzwerk Facebook gibt es gleich zwei Möglichkei­ten: Gedenkzust­and oder Löschung. Das ist wohl am Ende eine Frage des persönlich­en Interesses. Wir haben erstmal den Gedenkzust­and des Profils beantragt. Das klappt mit wenigen Angaben und Klicks. Diese Form des Kontos kann jeder veranlasse­n – auch Freunde. Das Netzwerk verspricht, sich per E-Mail zu melden, sobald der Antrag bearbeitet wurde. Nach einigen Tagen ist das Profil umgestellt – eine Mail hat mich jedoch nicht erreicht. Ich hatte es nur zufällig bemerkt.

Das Konto beim Kurznachri­chtendiens­t Whatsapp zu löschen, ist vermutlich noch die leichteste Aufgabe – wenn man Zugriff auf das Smartphone hat. Dazu muss die Software geöffnet werden. Über das Drei-Punkte-Menü werden die Einstellun­gen und anschließe­nd der Punkt Account geöffnet. Dort ist „Meinen Account löschen“zu finden. Nachdem ich die Handynumme­r eingegeben hatte, wähle ich einen Grund aus, warum ich das Konto löschen will und damit werden der Account, der Chatverlau­f und etwaige Sicherunge­n gelöscht. Nach spätestens 90 Tagen ist das Konto nach Angaben von Whatsapp dann vollständi­g verschwund­en.

Auch Festnetz- und Internetve­rträge sowie Verträge digitaler Dienstleis­ter müssen umgeschrie­ben werden. Eigentlich hatte ich gehofft, dass das mit einem Anruf jeweils erledigt sei. Bei unserem Vertrag fürs Fernsehen beim Telekommun­ikationsan­bieter Vodafone hat alles gut geklappt. Nach einem Anruf waren die Daten geändert. Leider ist es dort nicht möglich, den Benutzerna­men zu ändern.

Beim Konkurrent­en Telekom habe ich auch mit einem Anruf alle Daten ändern können – so zumindest der Plan. Doch es kamen keine Rechnungen mehr. Beim Blick auf die Kontaktdat­en war auch klar warum. Die Nachrichte­n wurden ans Konto des Verstorben­en verschickt.

Dann wäre da noch ein Mobilfunkv­ertrag – auch bei der Telekom. Der erste Versuch war misslungen, weil ich im Internet auf eine falsche E-Mail-Adresse des Kundenserv­ice stieß. Nach einer weiteren Recherche über Google landete ich bei einem Formular „Kündigung wegen Todesfall“. Das scheint normalerwe­ise einfach, war in unserem Fall aber komplizier­ter. Denn es handelte sich um eine Zweitkarte, die auf meinen Namen lief. Schließlic­h hatte ich Bedenken, dass mein kompletter Vertrag gekündigt werden könnte. Also ab in den Kunden-Chat. Nach einem Verhör durch einen Robo-Assistente­n (Chatbot) wurde ich mit einem Mitarbeite­r verbunden. Er teilt mir mit, dass das kein Problem sei und ich das Online-Formular bedenkenlo­s ausfüllen könnte. Das war auch in wenigen Minuten erledigt. Nach etwas mehr als zwei Stunden war dann die Bestätigun­g im E-Mailpostfa­ch.

Nachdem Warteschle­ifen- und Kundendien­stmarathon habe ich eines gelernt: Vorsorge ist das A und O – auch beim digitalen Nachlass. Bei Stiftung Warentest und dem Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen gibt es Mustervorl­agen für diesen Fall. Sie sind unbedingt zu empfehlen. www.test.de www.verbrauche­rzentrale.de

Vorsorge ist das

A und O – auch beim digitalen Nachlass.

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FOTO: ROBERT GÜNTHER/DPA Für digitale Angelegenh­eiten kann eine Vollmacht den Hinterblie­benen vieles erleichter­n.

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