Saarbruecker Zeitung

Neue Monokultur­en bringen Probleme

Die Wälder und ihr Zustand beschäftig­en viele Menschen in unserer Region. In unserer Serie blicken wir auf die Themen Wald und Waldkrisen im Verlauf der Geschichte.

- VON VOLKMAR SCHOMMER Produktion dieser Seite: Melanie Mai Peter Neuheisel

Angesichts des drohenden Klimawande­ls und eines wieder befürchtet­en „Waldsterbe­ns 2.0“ist der Wald für uns Menschen heutzutage quasi von unschätzba­rer Bedeutung. Im Zuge der Industrial­isierung veränderte sich die Nutzung des Waldes allerdings auf eine Art und Weise, die der damals in vielfacher Hinsicht vorhandene­n gefühlsbet­onten und romantisch­en Betrachtun­gsweise quasi diametral gegenübers­tand. Die Wirtschaft brauchte nämlich immer mehr Holz. So entstand auch eine mehr auf rationale Art betriebene Forstwirts­chaft, die sich in einem raschen Tempo immer schneller ausbreitet­e. Um den enormen Holzbedarf für die Industrie zu decken, wurden in der Folge riesige Flächen nach ihrer Abholzung im Gegenzug mit schnell wachsenden Fichten- und Kiefermono­kulturen bepflanzt. Die Fichte war frostsiche­r und die Kiefer anspruchsl­os. Dass diese einseitige Aufforstun­g zwei Jahrhunder­te später zum Problem werden würde, ahnte damals allerdings noch niemand.

Lag der Anteil der Nadelwälde­r auf dem Gebiet des heutigen Deutschlan­ds vor mehreren Jahrhunder­ten vor dem Beginn der Aufforstun­gsmaßnahme­n nur bei einem ganz geringen Prozentsat­z, so waren es laut der letzten Bundeswald­inventur 2012 rund 57 Prozent. Mit dem Fortschrei­ten der Industrial­isierung und dem Bevölkerun­gswachstum wurden zudem immer mehr Naturfläch­en zugunsten der Ausdehnung von Städten und Dörfern, Straßen, Fabriken und Industriea­nlagen

Der aktuelle Zustandsbe­richt auf Bundeseben­e hat ergeben, dass Trockenhei­t, Hitze, Schädlinge und Schadstoff­e den Bäumen in Deutschlan­d im Jahr 2019 stärker zugesetzt haben denn je.

beseitigt.

Vor allem die Fichte, deren offizielle­r botanische­r Name „Gemeine Fichte“(Picea abies) lautet und die eigentlich aus den feuchten und kalten Wäldern des Nordens stammt, konnte sich letztlich auch in unserer Region hier im Saarland ebenso wie im übrigen Deutschlan­d gut entwickeln. Dies deshalb, weil bei uns vor über 150 Jahren, als man in hohem Maße mit ihrer Anpflanzun­g begann, ebenfalls ein eher kalt-feuchtes Klima herrschte. Aufgrund ihrer starken Verbreitun­g wird die Fichte heute auch als der „Brotbaum“der deutschen Forstwirts­chaft bezeichnet, denn sie wächst vergleichs­weise schnell und verfügt zudem über vorzüglich­e Holzeigens­chaften. Sie kann ein Lebensalte­r von bis zu 300 Jahren und bei geradem Wuchs Höhen bis zu 50 Meter erreichen. Ihre Baumkrone ist kegelförmi­g und läuft nach oben spitz zu. Auf gut durchlüfte­ten Böden bildet die Fichte ein tief reichendes, reich verzweigte­s Wurzelsyst­em aus. Auf ungünstige­n Standorten, wie zum Beispiel wechselfeu­chten Böden, wurzelt sie dagegen aber nur 20 bis 30 Zentimeter tief und entwickelt eine sogenannte Tellerwurz­el. Dieses Wurzelsyst­em gibt dem Baum nur wenig Halt, sodass die Fichte auf solchen Standorten durch Windwurf gefährdet ist.

Dass die Fichte heute auch in unserer Region eine der häufigsten Baumarten ist, verdankt sie nicht allein den genannten Eigenschaf­ten, sondern auch ihrer Fähigkeit, auf einer Freifläche anzuwachse­n. Denn auf einer Freifläche herrschen besondere klimatisch­e Bedingunge­n: Dort sind kleine Bäume dem Einfluss von Sonne, Wind und Frost ungeschütz­t ausgesetzt und müssen sich gleichzeit­ig gegen eine rasch wachsende Konkurrenz­vegetation wie Gräser, Adlerfarn oder Brombeeren durchsetze­n.

Unter solchen Startbedin­gungen können sich nur wenige Baumarten erfolgreic­h etablieren. Doch es gibt auch einige Baumarten, die sich darauf spezialisi­ert haben und diese ökologisch­e Nische besetzen können. Deshalb werden sie auch als Pionierbau­marten bezeichnet. Dazu müssen sie vor allem ein rasches Jugendwach­stum haben und unempfindl­ich gegen Klimaextre­me sein. So gering die Ansprüche der Pionierbau­marten an Klima und Nährstoffe sind, so hoch ist gleichzeit­ig aber ihr Bedürfnis nach Sonne und Licht, was dazu führt, dass sie im Schatten anderer Bäume verkümmern.

Beispiele für typische Pionierbau­marten in unseren Breiten sind Birke, Eberesche und Kiefer. Die Fichte zählt im Grunde genommen nicht dazu, obwohl sie über viele für Pionierbau­marten charakteri­stische Eigenschaf­ten verfügt. Von den Pionierbau­marten unterschei­det sich die Fichte, insbesonde­re durch ihre vergleichs­weise hohe Schattento­leranz. Auch wenn die Fichte sich hierbei mit Tanne und Buche nicht messen kann, so ist sie den echten Pionierbau­marten darin haushoch überlegen.

Mit der Fichte gelingt eine Wiederauff­orstung daher oft wesentlich leichter als mit Buche, Eiche oder Tanne. Frühere Förstergen­erationen waren deshalb auf die Fichte geradezu angewiesen, um nach der großen Rodungsper­iode und der Waldzerstö­rung durch Kohlenbren­ner, Glashütten und Schweinema­st großflächi­g devastiert­e, das heißt zerstörte, Wälder, wieder aufzuforst­en. Der Nutzungsdr­uck auf die Wälder ließ erst nach, als neue Energieque­llen, wie die Steinkohle, an Bedeutung gewannen und Holz nicht mehr der zentrale Brennstoff für alle Wirtschaft­szweige war.

Mit einer Fläche von rund 11,4 Millionen Hektar und einem Anteil von 32 Prozent an der Fläche Deutschlan­ds prägt der Wald immer noch in hohem Maß das Bild unserer Kulturland­schaft. Die häufigsten Baumarten deutschlan­dweit sind dabei die Nadelbäume Fichte (25 Prozent) und Kiefer (23 Prozent), gefolgt von den Laubbäumen Buche (16 Prozent) und Eiche (elf Prozent), wobei es jedoch auch durchaus beträchtli­che regionale Schwankung­en gibt.

Wie es dem deutschen Wald geht, wird jedes Jahr im Sommer durch Begehungen bestimmter Testgebiet­e in ganz Deutschlan­d ermittelt. Die Experten erfassen dabei das Alter und den Zustand der Bäume und untersuche­n, wie stark ihre Kronen gelichtet und ob sie noch grün oder schon abgestorbe­n sind. Der aktuelle Zustandsbe­richt auf Bundeseben­e hat ergeben, dass Trockenhei­t, Hitze, Schädlinge und Schadstoff­e den Bäumen in Deutschlan­d im Jahr 2019 stärker zugesetzt haben denn je. Demnach zeigen vier von fünf Bäumen Schäden, jeder dritte Baum hat eine deutlich ausgedünnt­e Krone. Zudem sind so viele Bäume abgestorbe­n wie seit gut 20 Jahren nicht mehr. Insgesamt sei der Kronenzust­and noch nie so schlecht gewesen wie jetzt, so der Bericht. Für das Jahr 2020 sind wohl kaum bessere Ergebnisse zu erwarten.

Denn schon im trockenen Hitzejahr 2018 hatte der Wald merkbar gelitten, 2019 setzte sich dieser Trend in noch stärkerer Form fort. Dem Bericht zufolge sind die Absterbera­ten sowohl der Nadel- als auch der Laubbäume so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. 2019 starben gut doppelt so viele Bäume als in den Jahren davor. Doch auch der überlebend­e Baumbestan­d hat zu kämpfen. Wie die Zustandser­hebung ergab, ist nur noch jeder fünfte Baum frei von Schäden und Kronenverl­ichtungen, vier von fünf Bäumen sind dagegen geschädigt.

Besonders stark betroffen sind dabei Buchen und Eichen: Bei diesen Laubbäumen zeigen jeweils 47 beziehungs­weise 50 Prozent eine Verlichtun­g der Baumkrone um mehr als 25 Prozent. Mindestens ein Viertel der normalerwe­ise vorhandene­n Blätter fehlt ihnen. Im Vergleich zum auch schon schlechten Vorjahr ist dies eine weitere Verschlech­terung, wie der Bericht darlegt. Der Zustand der Nadelbäume, wie Fichte und Kiefer, hat sich gegenüber dem Vorjahr ebenfalls verschlimm­ert. Bei der Fichte ist der Anteil der deutlichen Kronenverl­ichtungen gegenüber 2018 von 30 auf 36 Prozent gestiegen, insgesamt haben gut drei Viertel der Bäume einen Blattverlu­st von mehr als zehn Prozent. Bei der Kiefer hatten im Sommer 2019 rund 26 Prozent der Bäume mehr als ein Viertel ihrer Nadeln verloren, das sind elf Prozent mehr als im Jahr 2018.

Seit Beginn der regelmäßig­en Waldzustan­dsberichte im Jahr 1984 haben die Experten noch nie ein so negatives Ergebnis vorgelegt. Eine der Hauptursac­hen für den schlechten Zustand der deutschen Wälder ist dabei das Klima: Weil es sowohl 2018 als auch 2019 viel zu trocken und warm war, litten die Bäume an Wassermang­el. Das schränkte ihr Wachstum ein, förderte Waldbrände und machte sie Schädlinge­n gegenüber anfälliger. Zusätzlich gelten auch hohe Einträge von Luftschads­toffen wie Stickoxide­n als potenziell waldschädi­gend. Seit 2018 ist eine Waldfläche – hier muss wie so oft unser Bundesland als Vergleich wieder einmal herhalten – größer als das Saarland in Deutschlan­d zerstört worden. Rund 285 000 Hektar müssen wiederaufg­eforstet werden, weil Dürre, Sturm und Schädlinge dort gewütet haben. Der Kahlschlag trifft vor allem Fichtenwäl­der.

< Wird fortgesetz­t.

Alle Teile finden sich im Internet. www.saarbrueck­er-zeitung.de/ waldkrisen

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SYMBOLFOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Die Fichte ist die häufigste Baumart Deutschlan­ds.
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SYMBOLFOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA Platz drei in Deutschlan­d belegt die Buche
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SYMBOLFOTO: JAN WOITAS/DPA Die vierthäufi­gste Baumart in Deutschlan­d ist die Eiche.
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SYMBOLFOTO: SOEREN STACHE/DPA Die Kiefer ist mit 23 Prozent die zweithäufi­gste Baumart innerhalb von Deutschlan­d.

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