Neue Monokulturen bringen Probleme
Die Wälder und ihr Zustand beschäftigen viele Menschen in unserer Region. In unserer Serie blicken wir auf die Themen Wald und Waldkrisen im Verlauf der Geschichte.
Angesichts des drohenden Klimawandels und eines wieder befürchteten „Waldsterbens 2.0“ist der Wald für uns Menschen heutzutage quasi von unschätzbarer Bedeutung. Im Zuge der Industrialisierung veränderte sich die Nutzung des Waldes allerdings auf eine Art und Weise, die der damals in vielfacher Hinsicht vorhandenen gefühlsbetonten und romantischen Betrachtungsweise quasi diametral gegenüberstand. Die Wirtschaft brauchte nämlich immer mehr Holz. So entstand auch eine mehr auf rationale Art betriebene Forstwirtschaft, die sich in einem raschen Tempo immer schneller ausbreitete. Um den enormen Holzbedarf für die Industrie zu decken, wurden in der Folge riesige Flächen nach ihrer Abholzung im Gegenzug mit schnell wachsenden Fichten- und Kiefermonokulturen bepflanzt. Die Fichte war frostsicher und die Kiefer anspruchslos. Dass diese einseitige Aufforstung zwei Jahrhunderte später zum Problem werden würde, ahnte damals allerdings noch niemand.
Lag der Anteil der Nadelwälder auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands vor mehreren Jahrhunderten vor dem Beginn der Aufforstungsmaßnahmen nur bei einem ganz geringen Prozentsatz, so waren es laut der letzten Bundeswaldinventur 2012 rund 57 Prozent. Mit dem Fortschreiten der Industrialisierung und dem Bevölkerungswachstum wurden zudem immer mehr Naturflächen zugunsten der Ausdehnung von Städten und Dörfern, Straßen, Fabriken und Industrieanlagen
Der aktuelle Zustandsbericht auf Bundesebene hat ergeben, dass Trockenheit, Hitze, Schädlinge und Schadstoffe den Bäumen in Deutschland im Jahr 2019 stärker zugesetzt haben denn je.
beseitigt.
Vor allem die Fichte, deren offizieller botanischer Name „Gemeine Fichte“(Picea abies) lautet und die eigentlich aus den feuchten und kalten Wäldern des Nordens stammt, konnte sich letztlich auch in unserer Region hier im Saarland ebenso wie im übrigen Deutschland gut entwickeln. Dies deshalb, weil bei uns vor über 150 Jahren, als man in hohem Maße mit ihrer Anpflanzung begann, ebenfalls ein eher kalt-feuchtes Klima herrschte. Aufgrund ihrer starken Verbreitung wird die Fichte heute auch als der „Brotbaum“der deutschen Forstwirtschaft bezeichnet, denn sie wächst vergleichsweise schnell und verfügt zudem über vorzügliche Holzeigenschaften. Sie kann ein Lebensalter von bis zu 300 Jahren und bei geradem Wuchs Höhen bis zu 50 Meter erreichen. Ihre Baumkrone ist kegelförmig und läuft nach oben spitz zu. Auf gut durchlüfteten Böden bildet die Fichte ein tief reichendes, reich verzweigtes Wurzelsystem aus. Auf ungünstigen Standorten, wie zum Beispiel wechselfeuchten Böden, wurzelt sie dagegen aber nur 20 bis 30 Zentimeter tief und entwickelt eine sogenannte Tellerwurzel. Dieses Wurzelsystem gibt dem Baum nur wenig Halt, sodass die Fichte auf solchen Standorten durch Windwurf gefährdet ist.
Dass die Fichte heute auch in unserer Region eine der häufigsten Baumarten ist, verdankt sie nicht allein den genannten Eigenschaften, sondern auch ihrer Fähigkeit, auf einer Freifläche anzuwachsen. Denn auf einer Freifläche herrschen besondere klimatische Bedingungen: Dort sind kleine Bäume dem Einfluss von Sonne, Wind und Frost ungeschützt ausgesetzt und müssen sich gleichzeitig gegen eine rasch wachsende Konkurrenzvegetation wie Gräser, Adlerfarn oder Brombeeren durchsetzen.
Unter solchen Startbedingungen können sich nur wenige Baumarten erfolgreich etablieren. Doch es gibt auch einige Baumarten, die sich darauf spezialisiert haben und diese ökologische Nische besetzen können. Deshalb werden sie auch als Pionierbaumarten bezeichnet. Dazu müssen sie vor allem ein rasches Jugendwachstum haben und unempfindlich gegen Klimaextreme sein. So gering die Ansprüche der Pionierbaumarten an Klima und Nährstoffe sind, so hoch ist gleichzeitig aber ihr Bedürfnis nach Sonne und Licht, was dazu führt, dass sie im Schatten anderer Bäume verkümmern.
Beispiele für typische Pionierbaumarten in unseren Breiten sind Birke, Eberesche und Kiefer. Die Fichte zählt im Grunde genommen nicht dazu, obwohl sie über viele für Pionierbaumarten charakteristische Eigenschaften verfügt. Von den Pionierbaumarten unterscheidet sich die Fichte, insbesondere durch ihre vergleichsweise hohe Schattentoleranz. Auch wenn die Fichte sich hierbei mit Tanne und Buche nicht messen kann, so ist sie den echten Pionierbaumarten darin haushoch überlegen.
Mit der Fichte gelingt eine Wiederaufforstung daher oft wesentlich leichter als mit Buche, Eiche oder Tanne. Frühere Förstergenerationen waren deshalb auf die Fichte geradezu angewiesen, um nach der großen Rodungsperiode und der Waldzerstörung durch Kohlenbrenner, Glashütten und Schweinemast großflächig devastierte, das heißt zerstörte, Wälder, wieder aufzuforsten. Der Nutzungsdruck auf die Wälder ließ erst nach, als neue Energiequellen, wie die Steinkohle, an Bedeutung gewannen und Holz nicht mehr der zentrale Brennstoff für alle Wirtschaftszweige war.
Mit einer Fläche von rund 11,4 Millionen Hektar und einem Anteil von 32 Prozent an der Fläche Deutschlands prägt der Wald immer noch in hohem Maß das Bild unserer Kulturlandschaft. Die häufigsten Baumarten deutschlandweit sind dabei die Nadelbäume Fichte (25 Prozent) und Kiefer (23 Prozent), gefolgt von den Laubbäumen Buche (16 Prozent) und Eiche (elf Prozent), wobei es jedoch auch durchaus beträchtliche regionale Schwankungen gibt.
Wie es dem deutschen Wald geht, wird jedes Jahr im Sommer durch Begehungen bestimmter Testgebiete in ganz Deutschland ermittelt. Die Experten erfassen dabei das Alter und den Zustand der Bäume und untersuchen, wie stark ihre Kronen gelichtet und ob sie noch grün oder schon abgestorben sind. Der aktuelle Zustandsbericht auf Bundesebene hat ergeben, dass Trockenheit, Hitze, Schädlinge und Schadstoffe den Bäumen in Deutschland im Jahr 2019 stärker zugesetzt haben denn je. Demnach zeigen vier von fünf Bäumen Schäden, jeder dritte Baum hat eine deutlich ausgedünnte Krone. Zudem sind so viele Bäume abgestorben wie seit gut 20 Jahren nicht mehr. Insgesamt sei der Kronenzustand noch nie so schlecht gewesen wie jetzt, so der Bericht. Für das Jahr 2020 sind wohl kaum bessere Ergebnisse zu erwarten.
Denn schon im trockenen Hitzejahr 2018 hatte der Wald merkbar gelitten, 2019 setzte sich dieser Trend in noch stärkerer Form fort. Dem Bericht zufolge sind die Absterberaten sowohl der Nadel- als auch der Laubbäume so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. 2019 starben gut doppelt so viele Bäume als in den Jahren davor. Doch auch der überlebende Baumbestand hat zu kämpfen. Wie die Zustandserhebung ergab, ist nur noch jeder fünfte Baum frei von Schäden und Kronenverlichtungen, vier von fünf Bäumen sind dagegen geschädigt.
Besonders stark betroffen sind dabei Buchen und Eichen: Bei diesen Laubbäumen zeigen jeweils 47 beziehungsweise 50 Prozent eine Verlichtung der Baumkrone um mehr als 25 Prozent. Mindestens ein Viertel der normalerweise vorhandenen Blätter fehlt ihnen. Im Vergleich zum auch schon schlechten Vorjahr ist dies eine weitere Verschlechterung, wie der Bericht darlegt. Der Zustand der Nadelbäume, wie Fichte und Kiefer, hat sich gegenüber dem Vorjahr ebenfalls verschlimmert. Bei der Fichte ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen gegenüber 2018 von 30 auf 36 Prozent gestiegen, insgesamt haben gut drei Viertel der Bäume einen Blattverlust von mehr als zehn Prozent. Bei der Kiefer hatten im Sommer 2019 rund 26 Prozent der Bäume mehr als ein Viertel ihrer Nadeln verloren, das sind elf Prozent mehr als im Jahr 2018.
Seit Beginn der regelmäßigen Waldzustandsberichte im Jahr 1984 haben die Experten noch nie ein so negatives Ergebnis vorgelegt. Eine der Hauptursachen für den schlechten Zustand der deutschen Wälder ist dabei das Klima: Weil es sowohl 2018 als auch 2019 viel zu trocken und warm war, litten die Bäume an Wassermangel. Das schränkte ihr Wachstum ein, förderte Waldbrände und machte sie Schädlingen gegenüber anfälliger. Zusätzlich gelten auch hohe Einträge von Luftschadstoffen wie Stickoxiden als potenziell waldschädigend. Seit 2018 ist eine Waldfläche – hier muss wie so oft unser Bundesland als Vergleich wieder einmal herhalten – größer als das Saarland in Deutschland zerstört worden. Rund 285 000 Hektar müssen wiederaufgeforstet werden, weil Dürre, Sturm und Schädlinge dort gewütet haben. Der Kahlschlag trifft vor allem Fichtenwälder.
< Wird fortgesetzt.
Alle Teile finden sich im Internet. www.saarbruecker-zeitung.de/ waldkrisen