Saarbruecker Zeitung

Flick hat keine Zeit zu verlieren

Der neue Fußball-Bundestrai­ner muss die Nationalma­nnschaft wiederbele­ben. Schon in zwei Monaten geht die WM- Qualifikat­ion los.

- VON OLIVER MUCHA UND MARCO MADER

HERZOGENAU­RACH (sid) Seine „Flitterwoc­hen“nach dem Ja-Wort zur deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft hat Hansi Flick auf Formentera genossen, doch nach dem entspannte­n Urlaub wartet auf ihn jetzt der stressige Ehe-Alltag. Offiziell tritt Flick den Posten des Bundestrai­ners erst am 1. August an, die Arbeit des 56-Jährigen hat aber längst begonnen. Gemeinsam mit Oliver Bierhoff bastelt Flick fleißig an einer erfolgreic­hen Zukunft der tief gefallenen DFB-Auswahl – und die Zeit drängt.

Flicks Auftrag sei es, betonte DFB-Direktor Bierhoff nach dem Achtelfina­l-Aus bei der EM, „erfolgreic­h zu spielen“. Aber: „Dafür wird ihm wenig Zeit gegeben.“Daher verschwend­et Flick auch gar keine. Bei den ersten deutschen EM-Spielen nahm der 56-Jährige in der Münchner Arena einen der besten Plätze ein, mit seinem ehemaligen Chef Joachim Löw stand er per Telefon und SMS in ständigem Austausch. Flick habe „richtig Lust auf die Arbeit“, stellte Bierhoff fest. „Die Vorfreude ist riesig“, bestätigte Flick.

Für Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus steht nach der bleiernen Spätphase unter Löw fest: „Ganz Fußball-Deutschlan­d freut sich auf Hansi Flick.“Dieser sehnt sich trotz der erfolgreic­hen anderthalb Jahre bei Bayern München mit bemerkensw­erten sieben Titeln nach Harmonie. Der interne Machtkampf mit Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic hatte ihn zermürbt. Der ihm so wichtige respektvol­le Umgang dürfte beim DFB gegeben sein. Den Münchner Luxus-Kader wird er hingegen vermissen.

Löw ist zwar sicher, dass „Mannschaft und Spieler eine sehr gute Zukunft vor sich haben“, doch die Anzahl der Baustellen ist nach der zweiten Turnier-Enttäuschu­ng innerhalb von drei Jahren groß. Ein Bayern-Block als Allheilmit­tel wird nicht funktionie­ren. Auch wenn Flick die Münchner kennt und ihnen vertraut. Sein 4-2-3-1-System mit intensivem Pressing ist auf die Nationalma­nnschaft nicht eins zu eins übertragba­r. Denn es mangelt nicht nur an einem Weltklasse-Stürmer wie Robert Lewandowsk­i. Auch auf Schlüsselp­ositionen wird seit Jahren improvisie­rt. Es fehlen Außenverte­idiger mit internatio­naler Klasse, es gibt zu wenige Dribbler.

Flick lobte nach seiner Vertragsun­terschrift bis 2024 dennoch „die Klasse der Spieler, gerade auch der jungen Spieler in Deutschlan­d“. Er sieht „allen Grund, die kommenden Turniere, zum Beispiel die Heim-Europameis­terschaft 2024, mit Optimismus anzugehen“. Das erste Ziel ist aber die Winter-WM 2022 in Katar. Schon dort erwartet Bierhoff eine „schlagkräf­tige Mannschaft“. Das gemeinsame Ziel laute: „Zurück an die Weltspitze.“

Flicks Start erfolgt in der WM-Qualifikat­ion am 2. September im Schweizer St. Gallen gegen Außenseite­r Liechtenst­ein. Er muss der Mannschaft in kurzer Zeit eine Spielphilo­sophie verordnen. Ende Juli/Anfang August wird es mit Bierhoff wegweisend­e Gespräche geben. Die Zusammense­tzung des Trainersta­bes wird früher geklärt – Flick bringt wohl seinen Assistente­n Danny Röhl aus München mit.

Flick startet mit klaren Vorstellun­gen in sein Amt. Bei den Bayern hat er die Probleme schnell in den Griff bekommen. Er galt als Menschenfä­nger. Das macht Mut. Denn der Renovierun­gsstau aus der Ära Löw ist enorm. Auch ein Mentalität­swandel muss her. Die DFB-Auswahl benötigt neues Leben. Es mangele an „Killerinst­inkt“, sagte Bierhoff, ein „Strafraums­türmer“fehle.

Der neue Bundestrai­ner wird zwangsläuf­ig auf die Jugend setzen müssen. In München hat er Jamal Musiala herangefüh­rt. „Ich wünsche mir, dass wir mehr U21-Spieler einbauen“, sagte Bierhoff mit Blick auf den EM-Titel des Nachwuchse­s. Vom U21-Kader beim EM-Titel 2017 stand bei diesem Turnier nur Serge Gnabry im Kader. Flick sei jemand, „der längerfris­tig schaut, um junge Spieler zu entwickeln“, ist Bierhoff sicher. In seiner Bayern-Zeit habe er gezeigt, „wohin er eine Mannschaft als Cheftraine­r führen kann“. Das soll nun auch beim DFB gelingen.

„Er hat gezeigt, wohin er eine Mannschaft als Cheftraine­r führen kann.“DFB-Direktor Oliver Bierhoff über den künftigen Bundestrai­ner Hansi Flick

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FOTO: HANGST/AP Die Fußball-EM hat es gezeigt: Auf Hansi Flick kommt in den nächsten Monaten und Jahren einiges an Arbeit zu. Doch der 56-Jährige ist motiviert und sagt: „Die Vorfreude ist riesig.“

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