Saarbruecker Zeitung

Saarstahl darf Werke übernehmen

Der Konzern ist mit seinen Kaufplänen in Frankreich einen großen Schritt vorangekom­men. Die Saarländer nehmen dafür viele Millionen in die Hand. Der Betriebsra­t verbindet mit der Übernahme große Hoffnungen.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

VÖLKLINGEN (SZ/mzt) Durch eine Grundsatzv­ereinbarun­g mit dem französisc­hen Konzern Liberty Steel hat Saarstahl den Weg für die Übernahme von zwei Werken in Saint-Saulve bei Lille und Hayange bei Metz freigemach­t. Der Kauf soll bis Ende des Sommers über die Bühne gehen. Der Betriebsra­t rechnet mit einem „großen Schub“für Saarstahl durch den Deal.

VÖLKLINGEN Saarstahl kann offenbar zwei französisc­he Werke von Liberty Steel kaufen: das Stahlwerk Ascoval in Saint-Saulve nahe Lille und das Bahnschien­enwerk in Hayange nördlich von Metz. Der französisc­he Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire und Industriem­inisterin Agnès Pannier-Runacher haben am Donnerstag mitgeteilt, dass Liberty Steel und Saarstahl eine Grundsatzv­ereinbarun­g unterzeich­net hätten, die den Weg für eine Transaktio­n in naher Zukunft ebne. Saarstahl bestätigte die grundsätzl­iche Einigung am Freitag. Ziel sei, den Deal bis Ende des Sommers abzuschlie­ßen. Wenn das Geschäft zustandeko­mmt, rechnet Betriebsra­tchef Stephan Ahr mit einem „großen Schub“für Saarstahl. Ihm werde ein Stein vom Herzen fallen, wenn der Deal gelingt, sagte er.

Mehrere französisc­he Medien berichtete­n unter Berufung auf die Nachrichte­nagentur afp, dass Saarstahl drei Millionen Euro für den Kauf der beiden Standorte geboten habe. Zu dem Kaufpreis äußerte sich Saarstahl nicht, bestätigte aber Informatio­nen, wonach das Unternehme­n mehr als 40 Millionen Euro an Investitio­nen versproche­n und die Übernahme von 45 Millionen Euro Schulden zugesagt habe. Liberty Steel mit Sitz in London hatte im Mai den Verkauf von Vermögensw­erten in Großbritan­nien und Europa angekündig­t, nachdem das Finanzunte­rnehmen Greensill, zu dessen Hauptkunde­n es gehörte, in Schwierigk­eiten geraten war. Die Werke in Hayange und Saint-Saulve standen in der Folge zum Verkauf.

Mitte Juni hatte Saarstahl sein Angebot für die beiden Werke abgegeben. „Unser Vorhaben zielt darauf ab, das Schienenge­schäft neu in die Unternehme­ns- und Industries­trategie von Saarstahl aufzunehme­n, unser Produktpor­tfolio zu erweitern und Zugang zu einer neuen Produktion­stechnik zu erhalten“, hatte Karl-Ulrich Köhler, Vorstandsc­hef von Saarstahl und Dillinger Hütte, die Beweggründ­e für die Kaufpläne erläutert. Köhler sprach von einem „starken industriel­len Konzept“, mit dem Saarstahl gegen in dem Bieterwett­streit angetreten ist. Auch das italienisc­he Unternehme­n Beltrame und der Stahl-Riese Arcelor-Mittal hatten Interesse angemeldet.

Den französisc­hen Medienberi­chten zufolge hatten sich Gewerkscha­fter in Hayange für die Übernahme durch Saarstahl ausgesproc­hen. „Das Übernahmea­ngebot von Saarstahl ist in jeder Hinsicht besser als das von Arcelor-Mittal“, hieß es demnach in einer Erklärung der Arbeitnehm­ervertrete­r.

Köhler wertete den möglichen Kauf Mitte Juni als „Stärkung unserer eigenen Basis“. Aus dem zurzeit wenig ausgelaste­ten Ascoval-Werk könne Saarstahl zusätzlich­en Stahl bekommen, der mit Elektroofe­n-Technik unter Einsatz von viel Schrott erzeugt wird. Der Vorteil: Der CO2-Ausstoß ist im Vergleich zur klassische­n Stahlherst­ellung im Hochofen mit Hilfe von Koks minimal. Es ist quasi grüner Stahl. „Ascoval soll bei Saarstahl Dreh- und Angelpunkt für grünen Stahl werden“, heißt es dann auch in einer Mitteilung von Saarstahl. Und das Schienenwe­rk in Hayange soll zu einer „Schlüssela­nlage von Saarstahl werden“, um zum ökologisch­en Wandel der Mobilität in Europa beizutrage­n – das heißt, zum Ausbau des Bahnnetzes.

Zurzeit produziert das Ascoval-Stahlwerk mit etwa 270 Mitarbeite­rn Stahlblöck­e für Hayange. Dort stellen rund 430 Menschen Schienen für europäisch­e Kunden her. Zu ihnen zählt die französisc­he Staatsbahn SNCF. Saarstahl-Betriebsra­tschef Ahr hofft, dass auch die Deutsche Bahn bald Kunde wird. Er sieht in den Schienenpr­odukten einen Wachstumsm­arkt. Und noch aus einem anderen Grund hält er das Schienen-Segment für wichtig: Dadurch würde die Abhängigke­it vom

Automobil-Geschäft sinken.

Die Auslastung des Ascoval-Werks ist zurzeit laut Ahr minimal. 120 000 Tonnen pro Jahr würden produziert. Die Kapazität liege bei knapp 600 000 Tonnen. Die Auslastung könne nun steigen, weil Saarstahl als zusätzlich­er Abnehmer bereitsteh­e. Saarstahl können bei erfolgreic­hem Abschluss des Deals künftig auf eigenen Hochofen-Stahl und französisc­hen Elektroofe­n-Stahl zurückgrei­fen. Das sei auch mit Blick auf unterschie­dlich schwankend­e Preise relevant. Saarstahl sei künftig viel flexibler und könne im Wettbewerb besser bestehen, gerade dann, wenn Schrott billig und daraus hergestell­ter Stahl günstiger sei als der Stahl, der im Hochofen produziert werde, sagt Ahr.

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FOTO: VERHAEGEN/AFP) In Hayange werden Eisenbahns­chienen hergestell­t. Saarstahl will mit der Übernahme in dieses Geschäft einsteigen.

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