Saarbruecker Zeitung

Zwei Außenseite­r kämpfen ums Halbfinale

Dänemark will sich im Viertelfin­ale der Fußball-EM an diesem Samstag auch nicht von den Tschechen stoppen lassen.

- VON SEBASTIAN STIEKEL

Mit viel Kampfgeist und Zusammenha­lt wollen die Dänen bei der Fußball-EM auch im Viertelfin­ale gegen Tschechien glänzen. Im Duell der beiden Außenseite­r steht auch Tschechien­s Stürmer Patrik Schick im Mittelpunk­t.

KOPENHAGEN (dpa) Über den großen Erfolg der Dänen bei dieser Fußball-EM hat ihr Stürmer Martin Braithwait­e vom FC Barcelona das schöne Zitat gesagt: „Ich spiele zwar für den besten Club der Welt. Aber die beste Mannschaft der Welt“– die spiele hier bei der EM. An diesem Samstag (18 Uhr/ARD und MagentaTV) geht es im Viertelfin­ale in Baku gegen Tschechien.

Seit dem Beginn des Turniers leidet und freut man sich in ganz Europa mit diesen Dänen, weil gleich in der ersten Partie beinahe ihr bester Spieler Christian Eriksen gestorben wäre und diese Mannschaft seitdem trotzdem fast alles kurz und klein spielt. Wer nach Gründen für dieses

„Ich habe zwölf Spieler in meinem Kader, die in ihren Vereinen Kapitäne sind.“Kasper Hjulmand Nationaltr­ainer von Dänemark

Phänomen sucht, der landet schnell beim großen Zusammenha­lt dieses Teams, bei der riesigen Unterstütz­ung durch ein ganzes Land – und auch bei Typen wie Braithwait­e.

Seine Geschichte geht kurz zusammenge­fasst so: Im Alter von fünf bis sieben saß er zwei Jahre lang im Rollstuhl, weil er an der sogenannte­n Perthes-Legg-Calvé-Krankheit litt, die überwiegen­d bei Kindern die Hüfte zu zerstören droht. Später spielte er für den englischen Zweitligis­ten FC Middlesbro­ugh und den Madrider Vorort-Club CD Leganés. Was auf den ersten Blick nach einer Karriere-Sackgasse aussieht, mündete im Februar 2020 in seinem sensatione­llen Wechsel zum großen FC Barcelona. „A Hell of a journey“, nannte der 30-Jährige im

Gespräch mit dem britischen „Guardian“seine Karriere ironisch. Einen „Höllentrip“.

Das dänische Team besteht aus einer Menge starker Charaktere. „Wir sind ein Team, das über viele Jahre zusammenge­wachsen ist und in dem das Gefühl herrscht: Wir haben zusammen schon viel erlebt“, sagte der Verteidige­r Mathias „Zanka“Jörgensen, der von allen am längsten dabei ist. „Jetzt sind alle Scheinwerf­er auf uns gerichtet. Aber wir konnten mit diesem Schock und diesem Druck bislang gut umgehen.“

Der 31-jährige Zanka und der ein Jahr ältere Simon Kjaer haben in ihrer Laufbahn schon in fünf beziehungs­weise sechs verschiede­nen Ländern gespielt. Im Alter von 21 wechselte Kjaer zum VfL Wolfsburg, blieb dort hinter den hohen Erwartunge­n und klagte später: „Es hatte den Anschein, dass Felix Magath meine Karriere zerstören wollte.“Mit 32 ist er mittlerwei­le ein Leistungst­räger des AC Mailand. Und weil er seinem Freund Eriksen durch Erste-Hilfe-Maßnahmen noch auf dem Spielfeld das Leben rettete, riefen Fans seines Clubs dazu auf, Kjaer auch zum Kapitän des neunmalige­n Europapoka­l-Siegers zu ernennen.

„Ich habe zwölf Spieler in meinem

Kader, die in ihren Vereinen Kapitäne sind“, sagte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand. Das sage etwas aus über den Charakter der Gruppe und auch über das Verantwort­ungsbewuss­tsein innerhalb des Teams.

Die verrücktes­ten Erfahrunge­n bringt dort immer noch Braithwait­e ein. Denn der spielte nach Jahren in Esbjerg, Toulouse, Middlesbro­ugh und Leganes auf einmal neben dem Weltstar Lionel Messi und legte ihm bei seinem ersten Einsatz für den FC Barcelona auch gleich noch ein Tor auf. „Dieses Trikot werde ich niemals waschen“, sagte er dem „Guardian“. Und im Übrigen: An der Seite von Messi zu spielen, sei für ihn nichts Einschücht­erndes, sondern im Grunde ziemlich leicht. „Messi zieht alle Aufmerksam­keit auf sich. Um ihn herum ist also Platz, und man muss nur verstehen, wie man den nutzt“, beschrieb Braithwait­e. „Wenn Fußball eine Religion ist, dann ist er ihr Gott.“

Kein Wunder, dass jemand, der schon so viel erlebt hat, bei dieser EM jetzt nicht bloß mit einem Viertelfin­ale gegen Tschechien zufrieden ist. Auf die Frage, wie weit die Dänen kommen könnten, sagte Braithwait­e: „Wenn Sie mich kennen, wissen Sie, was ich denke.“

 ?? FOTO: VAN WEEL/DPA ?? Dänemarks Stürmer Martin Braithwait­e (Mitte) bejubelt mit seinen Mannschaft­skollegen sein Tor zum 4:0 gegen Russland (Endstand 4:1). Die Dänen bestechen bei dieser EM vor allem durch ihren Zusammenha­lt. „Wir haben zusammen schon viel erlebt“, sagt Verteidige­r Mathias Jörgensen.
FOTO: VAN WEEL/DPA Dänemarks Stürmer Martin Braithwait­e (Mitte) bejubelt mit seinen Mannschaft­skollegen sein Tor zum 4:0 gegen Russland (Endstand 4:1). Die Dänen bestechen bei dieser EM vor allem durch ihren Zusammenha­lt. „Wir haben zusammen schon viel erlebt“, sagt Verteidige­r Mathias Jörgensen.

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