Saarbruecker Zeitung

Sonntag nach 1700 Jahren als Ruhetag in Gefahr

Seit genau 1700 Jahren gibt es den Sonntag als Ruhetag. Die Einführung hatte ursprüngli­ch politische Gründe. Heute steht das arbeitsfre­ie Wochenende zunehmend unter Druck.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

Vor 1700 Jahren machte Kaiser Konstantin den Sonntag zum Ruhetag. Daraus ist mit dem Samstag längst das arbeitsfre­ie Wochenende geworden. Doch durch die Flexibilis­ierung des Arbeitsleb­ens wird dieses immer mehr infrage gestellt.

BERLIN (dpa) Vor 1700 Jahren, am

3. Juli 321, erklärte der römische Kaiser Konstantin den Sonntag zum Ruhetag. In einigen Quellen wird auch der 3. März genannt, aber der Mittelalte­r-Historiker Gerhard Lubich von der Ruhruniver­sität Bochum hält den

3. Juli für wahrschein­licher. Sicher ist das Jahr 321.

In römischer Zeit gab es einen „dies solis“, einen Tag des Sonnengott­es, der als erster Tag der Woche definiert war. „Konstantin hat diesen Tag zum Feiertag erklärt“, erläutert Lubich. Für den ersten Tag der Woche entschied er sich deshalb, weil er wie andere Kaiser vor ihm selbst den Beinamen „Sol invictus“– unbesiegte­r Sonnengott – führte. „Das heißt also, mit diesem Tag feiert er gleichzeit­ig sich selbst. Das scheint eine

Konstante der Weltgeschi­chte darzustell­en: Herrscher, die etwas Besonderes sein wollen, versuchen über die Einführung von Feiertagen bis hin zu Kalenderre­formen, das Leben ihrer Untertanen zu beeinfluss­en.“

Da der erste Tag der Woche nun ein Feiertag war, sollten an diesem Tag die Geschäfte zumindest der Stadtbevöl­kerung ruhen. Den von Konstantin begünstigt­en Christen kam der Tag gut aus, weil Jesus der Überliefer­ung zufolge am Tag nach dem Sabbat (Samstag), also am Sonntag, von den Toten auferstand­en war. „Das jüdische Ruheprinzi­p des Sabbats wurde damit auf den Sonntag übertragen und im Laufe des 4. Jahrhunder­ts zu dem, was wir als Sonntag bezeichnen.“

Dieses Ruheprinzi­p wird bis heute geschätzt, wenn auch nicht mehr unbedingt aus religiösen Gründen. Mittlerwei­le geht es auch um zwei freie Tage, Samstag und Sonntag. „Diese Ruhephase einmal wöchentlic­h ist etwas Sinnvolles, das wir nicht aufgeben sollten“, sagt Susanne Völter-Mahlknecht, Direktorin des Instituts für Arbeitsmed­izin an der Charité-Universitä­tsmedizin Berlin. Untersuchu­ngen hätten vielfach gezeigt, dass einer Phase der Belastung zeitnah eine Erholungsp­eriode folgen sollte.

„Man braucht – generell gesprochen – elf Stunden als Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstag­en, aber eben auch eine längere Ruhephase von zwei Tagen einmal in der Woche“, sagt Völter-Mahlknecht. „Es gibt eine neuere Studie von 2020, in der es Hinweise gibt, dass es – zu

„Wir brauchen die mentale Distanzier­ung von der Arbeit.“Susanne Völter-Mahlknecht Direktorin des Instituts für Arbeitsmed­izin an der Charité-Universitä­tsmedizin Berlin

mindest für manche Berufsgrup­pen – schlechter ist, eine Stunde am Wochenende zu arbeiten als Überstunde­n unter der Woche zu machen.“Wenn Erschöpfun­g nicht relativ schnell ausgeglich­en werde, werde das Erholungsd­efizit immer größer. Dann müsse man mit der Zeit immer mehr Energie aufwenden, um die geforderte Arbeitslei­stung doch noch zu erbringen und das könne dann zum Beispiel auf ein Burnout hinauslauf­en. Durch die

Flexibilis­ierung des Arbeitsleb­ens kommt das freie Wochenende allerdings zunehmend unter Druck: Man geht noch mal eben schnell die Mails durch, sei es aus Neugierde oder weil man denkt, dass der Chef es erwartet. Oder man arbeitet sogar vor – mit dem Argument, dass man dann am Montag nicht so viel Stress hat. Einer Studie zufolge beschäftig­en sich 60 Prozent der Arbeitnehm­er auch in ihrer Freizeit gedanklich mit der Arbeit. Die Erholungsf­orscherin

Christine Syrek von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg berichtet: „Viele unserer Versuchspe­rsonen checken am Wochenende Emails, ohne dass es nötig wäre.“Es sei fast so etwas wie eine Zwangshand­lung.

Das aber könne sich sehr negativ auswirken, warnt Völter-Mahlknecht. „Das Abschalten, das wir für eine qualitativ hochwertig­e Ruhezeit einfach brauchen, wird dadurch eingeschrä­nkt. Wir brauchen die mentale Distanzier­ung von der Arbeit.“

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FOTO: STEFAN SAUER/DPA Im Fenster einer Gaststätte auf der Insel Usedom hängt ein Schild mit der Aufschrift „Sonntag‘s Ruhetag“. Durch die Flexibilis­ierung des Arbeitsleb­ens kommt das freie Wochenende allerdings unter Druck.

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