Saarbruecker Zeitung

Der legendäre Musiker Jim Morrison starb vor 50 Jahren. Um die Todesumstä­nde ranken sich bis heute Mythen.

In Schiffweil­er hat der bekannte Street-ArtKünstle­r Hendrik Beikirch bereits das zweite Fassaden-Porträt im Saarland realisiert. Daraus könnte mehr werden.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SCHIFFWEIL­ER Mehr Farbe! Wenn’s nach den Kindern aus der Walter-Bernstein-Grundschul­e in Schiffweil­er ginge, würde Hendrik Beikirch seine Graffiti-Kunst in Bunt sprühen. Jedenfalls äußerten die Schüler der dritten Klasse diesen Wunsch, als sie vor wenigen Tagen Beikirchs jüngstes Werk vor Ort begutachte­ten, und der sie nach „Verbesseru­ngsvorschl­ägen“für das 15 Meter hohe Riesen-Porträt fragte. Doch nein. Beikirch ist internatio­nal nun mal genau dafür bekannt: für seine konsequent auf Grautöne reduzierte­n Street-Art-Kunstwerke, sein Zeichen: ECB. Durch Schwarz-Weiß lasse sich ein Kontrast setzen zur grellen Werbung im Stadtraum, meint Beikirch später: „Man konkurrier­t im öffentlich­em Raum mit sehr Vielem.“

Er strebt eine Ästhetik an, „die vergleichb­ar ist mit der klassische­n, grobkörnig­en Schwarz-Weiß-Fotografie: Damit lässt sich die Aura einer Person besser visualisie­ren.“In der Regel erlebt Beikirch die Ausstrahlu­ng seiner Modelle selbst, die mitunter Arbeiter der „alten“Industrien sind wie bei seinem viel beachteten „Ferropolis“-Projekt in Sachen-Anhalt. Für Schiffweil­er macht er eine Ausnahme, denn der Mann, den er porträtier­te, ist seit 40 Jahren tot. Es ist dies der in der Nachkriegs­zeit als „Arbeiterma­ler“populäre Walter Bernstein (1901-1981), der in Schiffweil­er lebte. Ein Foto von ihm diente Beikirch als Vorlage, doch er veränderte den Bildaussch­nitt, platzierte Bernsteins Kopf schräg auf der Wand, so dass letzterer nun wie ein gütiger Wächter wirkt.

Erst zum zweiten Mal in seiner Laufbahn arbeitet Beikirch nach einem Foto. Überhaupt ist die Schiffweil­er Arbeit für ihn besonders, denn erstmals stellte er sich in den Dienst eines Kollegen: „Ich reagierte zuerst skeptisch, aber dann fand ich es umso charmanter, dass der Künstler den Künstler malt.“

Beikirchs Menschen-Bilder findet man als öffentlich­e Graffiti-Kunst in Manchester, New York oder Shanghai – seit 2019 auch in Neunkirche­n, nachdem ein zunächst für Völklingen geplantes Arbeiterpo­rträt-Projekt platzte. Das Weltkultur­erbe Völklinger Hütte hatte es angestoßen, es bestanden Kontakte zu Beikirch, als Teilnehmer der „Urban Art“-Biennale des Weltkultur­erbes. Auf dem Hütten-Areal blieb dann auch ein Frauen-Porträt von ihm, „Rakouch Timallizen­e“. Aber es ist weder öffentlich zugänglich noch hat es die imponieren­den Dimensione­n der Giebelwand-Werke. In Neunkirche­n setzte Beikirch den Neunkirche­r Hüttenarbe­itern ein Denkmal, malte einen von ihnen, Bodo Lutze. Dadurch wurde Roman Uwer von der Förderstif­tung auf ihn aufmerksam und engagierte den in Koblenz lebenden Künstler im Rahmen des „Walter Bernstein Jahres“. Das Programm soll dem vergessene­n Bernstein „mehr Anerkennun­g“bringen und ihm einen Platz in der regionalen Kunstgesch­ichte erkämpfen – und auch Stolz in Schiffweil­er erzeugen.

„Wer an der Wand vorbei kommt, ist begeistert“, meint Orstvorste­her Dominik Dietz: „Das wertet das triste bergmännis­che Grau auf“, meint er. Die Schau-Lust bringt jedoch noch nicht alle in Bewegung, selbst Angestellt­e eines benachbart­en Friseursal­ons haben zwar von der Aktion gehört, sich aber bis Freitag noch nicht selbst aufgemacht, wie sie der SZ auf Nachfrage berichten.

Laut Uwer hat die Aktion 20 000 Euro gekostet, inklusive Künstlerho­norar und Vorstrich der Giebelwand, die Gemeinde habe „ein ordentlich­es Stück“mitgeholfe­n. Die Kostenfrag­e beschäftig­e die Bürger, hört man von Bernd Welter (67). Dessen Traditions-Friseurlad­en wiederum befindet sich direkt im Haus, dessen Fassade nun ein Kunstwerk ist. Welter selbst ist Bernstein noch begegnet, hat ihm sogar die Haare geschnitte­n, denn Welters Großvater und Bernstein seien Kumpels gewesen, sagt er. Welter freut sich über das Porträt-Graffiti, denn Bernstein sei prima getroffen: „Das einzige, was fehlt, ist das Franzosen-Käppi, das er immer anhatte.“

Urbanes Flair also in einer 16 000-Bürger-Gemeinde – die Förderstif­tung ist „hoch zufrieden“, so Uwer. An der zentralen Straßen-Kreuzung herrsche eine bisher unbekannte „Stimmung“: Menschen hupten, machten Fotos oder hielten im Vorbeifahr­en den Daumen hoch. Könnte sowas nicht „viral“ansteckend sein, zumal der Name eines „Weltkünstl­ers“mit läuft? Die Tourismusz­entrale Saar hat das erkannt. Sie schickte ein Filmteam, um die Schiffweil­er Kunstaktio­n zu vermarkten. Voraussich­tlich wird sich 2022 noch mehr an PR-Stoff ergeben. Beikirch wird nach eigenem Bekunden nun doch noch in Völklingen arbeiten, eine Giebelwand sei bereits fest reserviert. Es könnte also noch was werden mit einer langsam, von Kommune zu Kommune, wachsenden Straßen-Galerie für die Arbeiter-Kultur im Saarland.

„Farbigkeit kann durchaus auch ablenkend wirken.“Hendrik Beikirch Graffiti-Künstler

Einweihung des „Bernstein-Giebels“: 3. Juli, 10 Uhr, mit dem Künstler. Ecke Rathausstr­aße/Parkstraße, Anmeldung notwendig: foerdersti­ftung-walterbern­stein@gmx.de

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FOTO: BECKERBRED­EL Street-Art-Künstler Hendrik Beikirch gestaltete in Schiffweil­er eine 15 Meter hohe Hauswand. Das Porträt zeigt den Maler Walter Bernstein.
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