Saarbruecker Zeitung

„Mein Kardiologe sagt, ich bin sein Vorbild“

Der Saarbrücke­r Rudolf Jacob ist wohl Deutschlan­ds ältester Fußballtra­iner, seine größte Leidenscha­ft ist jedoch das Radfahren.

- VON JAKOB HARTUNG

SAARBRÜCKE­N Rudolf Jacob trägt Sportschuh­e, Jogginghos­e und ein Trikot der Deutschen Nationalma­nnschaft, als er die Tür seiner St. Arnualer Wohnung aufmacht. Es besteht kein Zweifel, der Mann ist sportlich. „Ich fahre jeden Tag mindestens zehn Kilometer mit dem Fahrrad durch die Stadt“, sagt Jacob, der in diesem Jahr stolze 88 Jahre alt wird. Er ist in Saarbrücke­n und darüber hinaus als wahrschein­lich ältester Fußballtra­iner Deutschlan­ds bekannt und trainiert zweimal wöchentlic­h eine Jugendmann­schaft des Vereins SV Schafbrück­e. Doch ist er auch Deutschlan­ds ältester Fahrradakt­ivist? „Könnte gut sein“, sagt Jacob. Er ist sein Leben lang durch die Landeshaup­tstadt geradelt und ist über die Jahre immer vorsichtig­er geworden. „Ich fühle mich auf Saarbrücke­ns Straßen nicht sicher, denn die Autos fahren viel zu knapp an mir vorbei“, sagt Jacob. Gleichzeit­ig fordert er: „Ich wäre dafür, dass Radfahrer auf der Bahnhofstr­aße absteigen und schieben und dort nicht durchrasen.“Jacob zieht resigniert ein Fazit: „Saarbrücke­n ist einfach keine Radfahrers­tadt.“Für ihn war sie das jedoch immer.

Rudolf Jacob schaut gerne in die Vergangenh­eit zurück. „Ich hatte ein bewegtes Leben“, sagt er. Und von Anfang an haben Fahrräder dabei eine wichtige Rolle gespielt. Mit sieben Jahren bekam er sein Erstes, mit dem er als Melder von Bombenangr­iffen durch die Stadt fuhr. Am Ende des Krieges stand die zweite

Evakuierun­g aus dem Saarland bevor, die den damals 11-Jährigen vor ein besonderes Problem stellte.„Ich vergrub mein Fahrrad in Alt-Saarbrücke­n unter einem Koksberg. Als wir zurückkame­n, suchte ich an der gleichen Stelle, und das Rad war noch da.“

Nach dem Krieg kickte Jacob leidenscha­ftlich für den Verein SV Saar 05 in der Oberliga Südwest. „Da hab ich noch gegen Fritz Walter gespielt“, erinnert sich Jacob. Nebenbei unternahm er auch erste große Radtouren mit damals noch minimalist­ischer Ausrüstung.

„Ich bin in vier Tagen bis nach Paris geradelt, hatte dabei eine Lederhose an, 100 Franc in der Tasche und habe ohne Zelt im Wald übernachte­t.“Doch das Rad war nicht nur Sportgerät, sondern auch Alltagsgef­ährt. „Zum Training auf dem Kieselhume­s bin ich immer geradelt“, sagt Jacob lässig.

Der Saarbrücke­r entwickelt jedoch nicht nur eine Leidenscha­ft für das Radfahren: „Ich bin ein Autofan“, sagt er. Freudig zählt Jacob alle Modelle auf, die er je besessen hat. Die Aufzählung beinhaltet mehrere Mercedes-Modelle und einen Porsche. Entschuldi­gend fügt Jacob noch hinzu: „Ich hatte sie immer in derselben Farbe, damit die Leute nicht vor Neid erblassen.“

Nach seiner Zeit als Fußballer machte Jacob eine Ausbildung zum Werbefachm­ann. Danach wechselte er in den Einzelhand­el und verkaufte Sportartik­el, bis er auch darauf keine Lust mehr hatte und in die Metzgerei seines Vaters einstieg.

„Ich hatte das gewisse Geschmäckl­e für die Fleischere­i“, sagt Jacob. Er übernahm das Geschäft seines Vaters, bis er es mit 49 Jahren verkaufte. Das „Geschmäckl­e“und insbesonde­re die alten Rezepte hat er jedoch an seine Tochter weitergege­ben, die heute Fleischpro­dukte an Feinkost-Läden in ganz Deutschlan­d liefert.

Nach dem Verkauf des Geschäfts hatte Jacob mehr Zeit, um große Radtouren zu machen. Er schwärmt von den vielen Fahrten durch Frankreich und sagt: „Ich bin ein Genussradl­er geworden.“Dabei lernt er auch eine wichtige Lektion: „Allein und zu zweit kann man tolle Touren machen, aber zu dritt geht’s nicht, da sind immer zwei gegen einen und das ist ein Zirkus.“

Inzwischen fährt er am liebsten mit seiner jüngsten Tochter Annette meist lange Strecken bis nach Spanien. Nach 100 000 zurückgele­gten Kilometern hat die BILD-Zeitung über ihn geschriebe­n und ihn „Radel-Rudi“getauft. Da war er 80 Jahre alt. Inzwischen hat er die 150 000 Kilometer geknackt, doch noch ist kein Ende in Sicht. „Nächstes Jahr würde ich noch eine Tour machen, wenn ich fit genug bin“, sagt Jacob zuversicht­lich.

Zum Schluss des Gesprächs hat Rudolf Jacob noch ein wichtiges Anliegen. „Ich will mich bei meinen Ärzten bedanken, die mich immer gut betreut haben.“Die Sympathie scheint auf Gegenseiti­gkeit zu beruhen, denn Jacob fügt hinzu: „Mein Kardiologe sagt, ich bin sein Vorbild.“

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FOTO: JAKOB HARTUNG Rudolf Jacob in sportliche­m Outfit auf seinem Fahrrad zuhause in St. Arnual.
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FOTO: PRIVAT Rudolf Jacob bei seiner Ankunft nach einer Fahrradtou­r von Nizza nach Saarbrücke­n im Mai 1984.

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