Saarbruecker Zeitung

Der Messwein heiligte hier einst den Stein

Bei einer Sanierung der protestant­ischen Kirche Walsheim fand man eine zugemauert­e Nische. Das Haus stammt aus dem 12. Jahrhunder­t.

- VON SEBASTIAN DINGLER Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücke­r Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Produktion dieser Seite: Michaela Heinze Oliver Spettel

GERSHEIM-WALSHEIM Ein historisch­er Bau sei das, meint Pfarrer Wolfgang Kafitz zur protestant­ischen Kirche in Walsheim im Bliesgau. „Wenn die Stephanski­rche in Böckweiler in aller Munde ist, dann kommt unsere Kirche historisch gesehen an nächster Stelle.“Die Böckweiler Kirche wurde 1149 zum ersten Mal erwähnt; bei jener in Walsheim ist das genaue Jahr nicht bekannt, nur, dass sie ebenfalls aus dem 12. Jahrhunder­t stammt.

Die typische romanische Dorfkirche stand in enger Verbindung zum nahegelege­nen Kloster Hornbach. Dieses übte damals eine immense wirtschaft­liche und politische Macht in der Region aus. Als Erstes bestand der Bau nur aus dem wuchtigen Turm. Er gilt als einer der ältesten „Hornbacher Türme“, die mit zweiseitig­em Satteldach rund um das Kloster errichtet wurden und in einigen Orten noch erhalten sind. Zunächst war die Kirche dem Heiligen Michael geweiht. Ein Relikt aus ihrer katholisch­en Zeit fand man bei Sanierungs­arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg: Da stieß man auf eine später zugemauert­e Sakraments­nische in der Wand des Chorraums. Diese wurde wieder freigelegt samt des roten und runden Glasfenste­rs zur Außenseite hin. „In jeder katholisch­en Kirche brennt ein ewiges Licht. Das hat man hier sehr energieeff­izient gestaltet“, sagt Kafitz. Nicht nur das Ewige Licht symbolisie­rt das runde Glas, sondern auch das Auge Gottes, Oculus Dei, das über die Kirche wacht.

Die Kirche ist geostet, so dass das Licht der Morgensonn­e durchs rote Glas in den Innenraum fällt – ein klassische­s Gestaltung­sprinzip. Auch sei die protestant­ische Kirche in Walsheim ein Zwillingsb­au zur katholisch­en Kirche St. Martin in Medelsheim, sagt Kafitz. „Dort finden sich ähnliche bauliche Elemente wie etwa das Oculus Dei.“

Als die Bevölkerun­gsanzahl aufgrund der günstigen klimatisch­en Verhältnis­se und der Einführung der Dreifelder­wirtschaft anwuchs, erweiterte man die Kirche um ein Schiff – wann genau, weiß man leider nicht. Von der zweiten Erweiterun­g um einen Chorraum kennt man jedoch das Jahr: 1289 geschah dies. Von da an bis zur Reformatio­n war die Kirche St. Margaretha und allen Heiligen geweiht. Vom 16. bis zum 19. Jahrhunder­t, als Walsheim noch keine katholisch­e Kirche besaß, diente die protestant­ische Kirche als Gotteshaus für beide Konfession­en, also als Simultanki­rche.

Heute erkennt man noch die Umrisse eines zugemauert­en Bogens: Dort war einst die Sakristei angebaut, in der sich der katholisch­e Pfarrer auf den Gottesdien­st vorbereite­te. 1855 wurde sie abgerissen und das heutige Eingangspo­rtal im Turm eingericht­et.

Ein nette Anekdote weiß Kafitz über eine weitere Nische in der Außenmauer: Dort habe man den schlecht gewordenen Wein des Abendmahls ins Mauerwerk gegossen. Als Verkörperu­ng des Blutes Christi konnte die Flüssigkei­t ja nicht einfach weggeschüt­tet werden. Was also tun? „Da hat man den Kelch rituell entleert und damit den Stein geheiligt.“

Den Chorraum schmückt ein großes Bleiglasfe­nster, das die wichtigste­n Passagen der Bibel bildlich zusammenfa­sst. Der Lehrer und Instrument­enbauer Tibor Ehlers gestaltete das Glas 1956. Zu erkennen sind die Schlange im Paradies, die Arche Noah, das Goldene Kalb, die Gesetzesta­feln und der Turmbau zu Babel aus dem Alten Testament. Weiter oben sind die Menschwerd­ung Gottes und die Auferstehu­ng dargestell­t. Interessan­t ist, dass in die Sandsteinp­latte des Altars verschiede­ne Kreuze eingeritzt sind. „Jedes der Kreuze erinnert daran, dass die Kirche eine besondere Weihe erfahren hat“, weiß Pfarrer Kafitz. Als bei den Umbauten der Altar verschoben werden musste, war eine neue Einweihung erforderli­ch – und somit ein neues Kreuz.

Der Taufstein der Kirche ist auch älteren Datums, zu erkennen an der verwittert­en Inschrift „Ich bin bei euch bis ans Ende der Welt“. Er wurde überarbeit­et und mit einem Kupfereins­atz versehen. Da er auf Rollen gestellt wurde, ist er beweglich. Die Kanzel wurde bei der Sanierung in den 1970er-Jahren von einer exponierte­n Lage auf den Kirchenbod­en zurückgest­ellt. 1958 kam eine einmanuali­ge Mayer-Orgel auf die Empore, die ursprüngli­ch sieben Register umfasste. 1975 wurde eines davon aus Platzgründ­en entfernt, 2005 wurde das Instrument von Dietmar Schömer restaurier­t.

 ?? FOTOS: SEBASTIAN DINGLER ?? Der Blick von der Empore führt in der protestant­ischen Kirche Walsheim zum Altar und links an der Wand zur Sakraments­nische mit dem leuchtend roten Auge Gottes, auch im Foto in der Mitte zu sehen. Rechts ist die Außenansic­ht.
FOTOS: SEBASTIAN DINGLER Der Blick von der Empore führt in der protestant­ischen Kirche Walsheim zum Altar und links an der Wand zur Sakraments­nische mit dem leuchtend roten Auge Gottes, auch im Foto in der Mitte zu sehen. Rechts ist die Außenansic­ht.
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