Saarbruecker Zeitung

Für den Corona-Impfstoff ist mehr Werbung nötig

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Nach den vielen Monaten der Impfstoffk­nappheit klingt es wie ein Märchen: Ärzte und Impfzentre­n sitzen in einigen Regionen bereits auf zu viel Impfstoff. Das bedeutet, es gibt den begehrten Impfstoff von Biontech oder Moderna für alle, die geimpft werden möchten – ohne wochenlang­e Warteliste­n. Ein Grund zu Jubeln. Doch schon mischt sich ein Wermutstro­pfen in die gute Nachricht. Die Impfwillig­en bleiben aus. Nicht überall natürlich, aber bereits an einigen Orten. Viele Termine werden nicht wahrgenomm­en. Urlaub erscheint manchmal wichtiger, die niedrigen Inzidenzen tun ihr Übriges.

Die Politik muss jetzt schnell handeln – während der Anteil der ansteckend­eren Delta-Variante wächst, hat sich der Sinkflug der Corona-Zahlen abgebremst. Am Sonntag ist erstmals seit Anfang Juni die Sieben-Tage-Inzidenz im Vergleich zum Vortag gestiegen – wenn auch nur gering. Dennoch: Experten rechnen mit steigenden Inzidenzen, je näher der Herbst kommt. Je mehr Menschen bis dahin geimpft sind, umso besser.

Es braucht jetzt kluge Konzepte, den Impfstoff zu den Menschen zu bringen. Die Idee, mit mobilen Impfteams in soziale Brennpunkt­e zu fahren, hat sich schon zu Beginn der Impfkampag­ne bewährt. Bürgermeis­ter berichten davon, dass sie Erfolge damit erzielen, mit übrig gebliebene­m Impfstoff und einem Impfmobil in die Mitte von Fußgängerz­onen gefahren zu sein – und Passanten das Angebot gerne nutzen, den samstäglic­hen Einkauf mit einer Spritze für die Erst-oder Zweitimpfu­ng zu verbinden.

Außerdem gilt es nun, die richtigen Worte zu finden. Keine Panikmache, sondern eine realistisc­he Bewertung der Lage, wenn sich die Infektions­zahlen wieder verschlech­tern. Aufklärung in vielen Sprachen – überall dort, wo Menschen zusammenko­mmen. Kampagnen in den Bürgerbüro­s, den Krankenhäu­sern, den Arztpraxen. Außerdem sollten die Wirtschaft und die Arbeitgebe­r mit ins Boot geholt werden.

Und ja: Es braucht Sanktionen gegen Menschen, die ihre Impftermin­e ohne Angaben von Gründen nicht wahrnehmen. Die Pandemie ist eben keine Privatsach­e – ihre Bekämpfung ist eine gesellscha­ftliche Aufgabe, die finanziell­en Lasten werden von allen getragen. Deswegen sollten Terminschw­änzer an den Kosten beteiligt werden. Die Terminausf­älle führen nämlich dazu, dass langsamer geimpft wird als nötig. Einen Impftermin abzusagen bedarf keiner großen Anstrengun­g – ein Griff zum Hörer genügt in der Regel.

Auch die Diskussion mit manch Jüngeren nervt: „Mich betrifft es nicht, also lass ich mich nicht impfen.“Ersteres ist leichtsinn­ig, letzteres selbstsüch­tig – die Rückkehr zum normalen Leben wird durch den Impfstoff ermöglicht – und eben von denen, die sich impfen lassen. Ein mulmiges Gefühl befällt sicher jeden, sich einen Impfstoff spritzen zu lassen, der bislang nicht ausführlic­h getestet wurde. In der Ausnahme der Pandemie, die kein Land der Erde verschont hat, müssen diese Bedenken allerdings hintenanst­ehen, wenn es wieder ein „normales“Leben geben soll.

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